Was steht in dem Papier?
Das katholische Ideal der Liebe konkretisiert sich im Sakrament der Ehe zwischen Mann und Frau. In ihr entfalte sich der Plan Gottes, schreibt Franziskus und beschwört das Familien-Ideal auf 200 Seiten teils hymnisch, teils nüchtern-dogmatisch und in weiten Teilen wie ein Familientherapeut. Er möchte anregen, „die Gaben der Ehe und der Familie zu würdigen und eine starke und uneingeschränkte Liebe zu Werten wie Großherzigkeit, Verbindlichkeit, Treue oder Geduld zu pflegen“. Dort, wo sich das Familienleben „nicht vollkommen verwirklicht oder sich nicht in Frieden und Freude entfaltet“, möchte er zu Barmherzigkeit ermutigen und dazu, nicht aufzugeben. Scheidung ist für ihn nur das „äußerste Mittel“.
Wie argumentiert Franziskus?
Er steht voll und ganz in der Tradition der katholischen Naturrechtslehre, wonach die Ehe zwischen Mann und Frau in der Natur des Menschen verwurzelt ist. Die Ehe sei auf die Fortpflanzung ausgerichtet und erfülle auch eine enorm wichtige gesellschaftliche Funktion. Alle anderen Beziehungsformen sind in den Augen des Papstes defizitär. Etwa, wenn Menschen ohne Trauschein zusammenleben oder schwule und lesbische Paare.
Warum scheitern so viele Paare am katholischen Ideal?
Franziskus macht dafür den „ausufernden Individualismus“ und eine „Kultur des Provisorischen“ verantwortlich sowie Bequemlichkeit und eine „Haltung ständigen Argwohns“. „Die Spannungen, die von einer überzogenen individualistischen Kultur des Besitzes und des Genusses in die Familien hineingetragen werden, bringen in ihnen Dynamiken der Abneigung und Aggressivität hervor“, schreibt er. Auch die Schwierigkeit, Beruf und Privates zu vereinbaren, schwäche das Familienleben.
Was rät er Eheleuten?
Die Ehe mit allzu großen Illusionen zu überfrachten, sei nicht hilfreich, schreibt Franziskus. Das hindere die Liebenden, an sich und an der Beziehung zu arbeiten. Die Ehe sei ein Prozess des Wachsens, den beide vorantreiben sollen. Der Papst hat auch ganz konkrete Tipps: Morgens ein Kuss halte die Liebe frisch. Immer „bitte“ und „danke“ zu sagen, helfe dem gegenseitigen Respekt auf. Auch Erziehungs-Ratschläge hat er parat: Eltern sollen Kindern klare Regeln setzen, aber auch Freiheiten lassen. Und bitte nicht zu viel Handy-Konsum. Denn der führe zu „Technik-Autismus“.
Ändert Franziskus die katholische Lehre?
Der zweijährige Beratungsprozess hat hohe Erwartungen bei Katholiken geweckt, der Papst werde die katholische Sexualmoral grundsätzlich reformieren. Das hat er nicht getan. Man durfte von der Synode „keine neue, auf alle Fälle anzuwendende generelle gesetzliche Regelung kanonischer Art erwarten“, schreibt er. Den römischen Reformverweigerern versichert er, dass sich die Einheit der Lehre nicht ändere – und ermutigt Bischöfe und Priester zugleich, „zu einer verantwortungsvollen, persönlichen und pastoralen Unterscheidung der spezifischen Fälle“ zu kommen. Das heißt: In Einzelfällen und nach tiefgehender Prüfung ist es möglich, von der kirchlichen Norm abzuweichen. Franziskus fordert die Bischöfe dezidiert auf, „in jedem Land oder jeder Region inkulturierte Lösungen“ zu suchen, „welche die örtlichen Traditionen und Herausforderungen berücksichtigen“. Sie dürften keine „kalte Schreibtischmoral“ predigen und moralische Gesetze nicht so anwenden „als seien es Felsblöcke, die man auf das Leben von Menschen wirft“. Leitfaden müsse die Barmherzigkeit sein.
Was schreibt er zu den Geschiedenen, die wieder geheiratet haben?
Nach der katholischen Lehre sind die Wiederverheirateten von den Sakramenten ausgeschlossen. Das heißt, sie dürfen auch nicht an der Eucharistie teilnehmen. Grundsätzlich bleibt es dabei. Doch auch hier wendet Franziskus seine typische Strategie an: Er lässt vieles im Vagen und hält so Türen offen – so wie es sich die Reformer gewünscht hatten. Die Wiederverheirateten müssten „stärker in die Gemeinschaft integriert werden“. Man müsse darüber nachdenken, „welche Formen des Ausschlusses überwunden werden können.“ In Einzelfällen, so könnte man schlussfolgern, ist auch der Kommunionempfang möglich.
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