Hat die Erde noch einen innersten Kern?

  23 Februar 2023    Gelesen: 665
  Hat die Erde noch einen innersten Kern?

Die Erde hat eine Kruste, einen Mantel und einen Kern, einen inneren und einen äußeren - das weiß die Wissenschaft schon länger. Aber das ist wohl noch nicht alles: Anhand von Erdbebenwellen stößt ein Forschungsteam auf einen weiteren, vorher unbekannten Bereich.

Der innere Kern der Erde besteht wahrscheinlich aus zwei unterscheidbaren Teilen: Aus der Analyse von Erdbebenwellen entnehmen australische Geologen Hinweise auf einen innersten Erdkern mit einem Durchmesser von etwa 650 Kilometern. Demnach verändert sich die Geschwindigkeit der Wellen, wenn sie den innersten Erdkern durchlaufen. Das berichten Thanh-Son Pham und Hrvoje Tkalčić von der Australian National University in Canberra im Fachjournal "Nature Communications".

Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts unterteilten Wissenschaftler anhand von aufgezeichneten Erdbebenwellen das Innere des Planeten in Erdkruste, Erdmantel und Erdkern. In den 1930er Jahren kam die Unterscheidung zwischen dem inneren und dem äußeren Erdkern hinzu. Später wurde klar, dass der innere Kern fest ist und der äußere Kern flüssig. Zudem zeigte sich, dass die bewegten Träger elektrischer Ladung im äußeren Erdkern das Erdmagnetfeld erzeugen.

Vermutung bereits vor 20 Jahren

Vor rund 20 Jahren äußerten Forscher erstmals die Vermutung, dass der innere Erdkern aus zwei verschiedenen Bereichen bestehen könnte. Die aktuelle Studie untermauert nun diesen Verdacht.

Pham und Tkalčić untersuchten Daten von rund 200 Erdbeben mit einer Stärke ab 6 aus dem vergangenen Jahrzehnt. "Durch die Entwicklung einer Technik zur Verstärkung der von dichten Seismografen-Netzwerken aufgezeichneten Signale haben wir zum ersten Mal seismische Wellen beobachtet, die bis zu fünf Mal entlang des Erddurchmessers hin- und herlaufen", wird Pham in einer Mitteilung seiner Universität zitiert.

Die Wellen laufen mitunter durch den Erdkern, werden auf der anderen Seite der Erde teilweise an der Erdoberfläche zurückgeworfen, durchqueren erneut den Erdkern und werden weitere Male reflektiert. Diese Mehrfachreflexionen fanden die Autoren aber nur bei einigen der 200 analysierten Erdbeben.

Unerwartete Beobachtung

Doch diese Daten zeigten deutlich, dass die Laufzeiten der Erdbebenwellen unterschiedlich waren, je nachdem, in welchem Winkel im Verhältnis zur Erdachse sie sich durch das Erdinnere fortpflanzten: Die sogenannten P-Wellen waren etwa vier Prozent schneller, wenn sie etwa von Pol zu Pol liefen, und 3,4 Prozent schneller, wenn sie die Erde in der Ebene des Äquators durchquerten. Wenn eine Eigenschaft in solcher Weise von der Richtung abhängt, bezeichnet die Wissenschaft sie als anisotropisch.

Der gesamte innere Erdkern besteht nach heutigen Erkenntnissen überwiegend aus Eisen, zu etwa einem Fünftel aus Nickel sowie Spuren anderer Elemente. Der innerste Erdkern unterscheidet sich jedoch vom übrigen inneren Erdkern durch die deutlich höhere Anisotropie. Die Messdaten passen Pham und Tkalčić zufolge am besten zu einem Modell mit einem innersten Erdkern, der einen Durchmesser von etwa 650 Kilometern hat.

"Zeitkapsel der Evolutionsgeschichte"

Der gesamte innere Erdkern hat einen Durchmesser von etwa 2400 Kilometern. "Dieser innere Kern ist wie eine Zeitkapsel der Evolutionsgeschichte der Erde - es ist eine fossilisierte Aufzeichnung, die als Tor zu den Ereignissen der Vergangenheit unseres Planeten dient", sagt Tkalčić.

Auch Christoph Sens-Schönfelder vom Deutschen Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam geht davon aus, dass die gefundenen Unterschiede innerhalb des inneren Kerns erdgeschichtliche Ursachen haben: "Die neuen Beobachtungen erlauben damit die genauere Überprüfung von Theorien über die Entstehung und das Wachstum dieses geheimnisvollen Teils der Erde."

Generell lobt der Experte die Arbeit der australischen Wissenschaftler: "Thanh-Son Pham und Hrvoje Tkalčić haben durch die sehr sorgfältige Analyse moderner seismischer Netzwerk-Aufzeichnungen von ausgewählten Erdbeben exotische Signale extrahiert, die bisher unentdeckt blieben."

Quelle: ntv.de, Stefan Parsch, dpa


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