Mostar: Gespaltene Stadt in Bosnien immer noch ohne Stadtrat

  11 April 2016    Gelesen: 769
Mostar: Gespaltene Stadt in Bosnien immer noch ohne Stadtrat
Die ethnischen Spannungen zwischen Bosniern und Kroaten in der historischen Stadt Mostar, die in Ermangelung eines funktionsfähigen Stadtrates seit 2012 wieder verstärkt aufgetreten waren, nehmen angesichts der turnusmäßig bevorstehenden lokalen Wahlen in diesem Jahr weiter zu.
Die Wahlen, wenn sie denn tatsächlich wie im restlichen Land im Oktober abgehalten werden, werden die ersten in der Stadt seit acht Jahren sein.

Mostar wurde auf administrativer Ebene in sechs Gemeinden geteilt. Der Teilungsprozess erfolgte weitgehend gerecht zwischen Bosniern und Kroaten, die einander seit dem Ende des bosnischen Krieg 1995 weitgehend feindlich gegenüberstehen. Bosnier leben mehrheitlich im östlichen Teil der Stadt, welche vom Neretva-Fluss geteilt wird. Auf der westlichen Seite finden sich vor allem Kroaten wieder.

Keine Wahlen seit 2008

2004 startete der ehemalige hohe Vertreter für Bosnien-Herzegowina, Paddy Ashdown, eine Initiative zur Überbrückung der Differenzen zwischen den Ethnien auf beiden Seiten des Flusses. Er forderte die Zusammenführung der Gemeinden in eine einzige, die in ganz Mostar Einfluss und Legitimität genießt.

Die neue Regulierung konnte auf Grund der Obstruktion vonseiten der Kroaten, die fürchteten, dass Bosnier mehr Rechte erhalten würden, allerdings bislang nicht umgesetzt werden.

Wegen des Statuts konnten lokale Wahlen in der Stadt seit 2012 nicht durchgeführt werde. Da sich die lokalen Politiker auch bis heute noch nicht einig werden konnten, gibt es in Mostar seit 2012 überhaupt keinen Stadtrat mehr. Die Stadt verharrt seitdem de facto im Stillstand.

Drei Provokationen binnen kürzester Zeit

Provokative Aktionen von kroatischer Seite haben sich in den letzten Wochen gehäuft. Diese schaffen neues Sprengpotenzial in einer ohnehin gespaltenen Stadt.

So wurde erst vergangene Woche die Flagge Kroatiens auf dem nahe gelegenen Berg Planinica gehisst, was Bosnier in Aufruhr brachte, die eine Zugehörigkeit der Stadt zu Kroatien ablehnen.

In der gleichen Woche warf eine bislang nicht identifizierte Person einen Stein mit der Aufschrift „Vergesst 93 nicht“ in den Neretva-Fluss, was ebenfalls für Unmut unter Bosniern sorgte. Der Stein soll offenbar symbolisieren, wie die historische osmanische Brücke 1993 durch Kroaten gesprengt wurde.

Außerdem wurde eine Tafel, die jene Staaten auflistete, welche die alte Brücke wieder rekonstruiert hatten, in der gleichen Woche zerstört.

Neben dem Fakt, dass die alte Brücke eine Touristenattraktion ist, steht die Brücke für ein bedeutendes historisches Erbe. Sie wurde zwischen den Jahren 1557 und 1566 auf Anordnung des osmanischen Sultans Süleyman des Prächtigen errichtet. Schließlich wurde die Brücke im Jahr 1993 im Zuge des Bosnien-Krieges von kroatischen Milizen zerstört. Der Internationale Strafgerichtshof verurteilte den bosnischen Kroatenführer Jadranko Prlic und fünf weitere zu Haftstrafen zwischen zehn und 25 Jahren. Das Urteil basierte auf einem als erwiesen betrachteten Tatvorwurf der „ethnischen Säuberung“ gegen bosnische Muslime und der Zerstörung der historischen Brücke aus osmanischen Zeiten von Mostar.

Doch obwohl die Brücke 2004 wiedererrichtet wurde, bestätigten sich Hoffnungen nicht, wonach sich der östliche und westliche Stadtteil wieder miteinander verbünden würden. Die Bürger der Stadt leben noch immer inmitten der kleinen bosnischen Stadt in parallelen Welten. Mehr noch: Die Stadt ist heute als die „am meisten gespaltene Stadt“ Bosniens bekannt.

Die Bürger der Stadt hoffen, dass die Spannungen bald nachlassen. Adisa Maslo Hadschimerovic sagte am Dienstag gegenüber der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu an die Adresse der kroatischen Minderheit gerichtet, dass der Nationalismus noch immer den Alltag in der Stadt bestimmen würde.

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