Neuer Test entdeckt Parkinson bereits vor Ausbruch

  13 April 2023    Gelesen: 674
  Neuer Test entdeckt Parkinson bereits vor Ausbruch

"Bahnbrechend", "neue Ära" und große Hoffnung für Patienten und behandelnde Ärzte: Ein neues Verfahren ermöglicht den Nachweis einer beginnenden Parkinson-Erkrankung, noch bevor das Gehirn geschädigt ist. Es könnte ein entscheidender Schritt für die Entwicklung von Therapien sein.

Ein Protein im Gehirnwasser könnte Parkinson erkennbar machen, lange bevor die Krankheit ausbricht und noch bevor Hirnschäden entstehen. Damit könne der Test die Entwicklung von Therapien deutlich verbessern, schreibt ein internationales Forschungsteam im Fachblatt "The Lancet Neurology".

Daniela Berg und Christine Klein vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein nennen das Verfahren zum Nachweis des falsch gefalteten Proteins Alpha-Synuclein in einem Kommentar einen "Game Changer" für die Diagnose, Erforschung und Behandlung von Parkinson. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), Lars Timmermann, erwartet für die nächsten Jahre Auswirkungen der Erkenntnisse auf neue Therapien.

300.000 Erkrankte in Deutschland

In Deutschland leben Schätzungen zufolge etwa 300.000 Menschen mit der Parkinson-Krankheit - damit ist sie nach der Alzheimer-Demenz die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Die Parkinson-Behandlung unterliegt bisher einem großen Dilemma: Wenn die Krankheit anhand typischer Bewegungsstörungen wie Zittern oder Muskelsteifheit diagnostiziert wird, ist das Hirnareal Substantia nigra, das maßgeblich für die Koordinierung von Bewegungen ist, schon seit Jahren geschädigt.

Genetische Risikofaktoren wie die Genvarianten GBA und LRRK2 erhöhen das Erkrankungsrisiko, ebenso wie andere Faktoren wie Alter, Umgang mit Pestiziden oder Hirnverletzungen. Eine Schlüsselrolle spielt das falsch gefaltete Protein Alpha-Synuclein, das in Nervenzellen vorkommt und Verklumpungen sowie Ablagerungen im Mittelhirn bilden kann. Die Lewy-Körperchen genannten Ablagerungen gelten als Hauptmerkmal der Krankheit.

Ein neues Verfahren, der sogenannte Alpha-Synuclein Seed Amplification Assay (αSyn-SAA), ermöglicht nun den Nachweis des Proteins im Hirnwasser. In einer Studie untersuchte ein Team um Andrew Siderowf von der University of Pennsylvania 1123 Menschen, darunter Patienten mit diagnostizierter Parkinson-Krankheit, Menschen mit häufigen Vorstadien der Erkrankung und gesunde Personen.

Bei 88 Prozent der Parkinson-Patienten Protein gefunden

Der Test fand das Protein bei 88 Prozent der Parkinson-Patienten. Bei Menschen mit der sporadischen Form der Erkrankung lag die Trefferquote sogar bei 93 Prozent, bei Patienten mit dem genetischen Risikofaktor GBA bei 96 Prozent. Bei Patienten mit der LRRK2-Variante betrug der Anteil jedoch nur 68 Prozent - hier deuten Studien auf einen möglichen anderen Mechanismus der Krankheit hin.

Bei Menschen mit einer Parkinson-Vorform hing die Trefferquote stark von der Symptomatik ab: War der Geruchssinn beeinträchtigt, war das falsch gefaltete Protein bei gut 97 Prozent der Teilnehmer nachweisbar. Bei Menschen mit einer Traumschlafstörung lag der Anteil nur bei 63 Prozent.

Sehr früher Hinweis möglich

Besonders wichtig: Bei den meisten Teilnehmern mit einer Parkinson-Vorform, bei denen das Protein im Hirnwasser vorhanden war, gab es noch keine Hinweise auf Veränderungen der Nervenzellen in der Substantia nigra. Daraus leitet das Team ab, dass Alpha-Synuclein ein sehr früher Hinweis auf die sich anbahnende Krankheit sein kann.

"Das Kernproblem bei Parkinson ist, dass wir mit den Therapien zu spät kommen", erläutert Timmermann, Direktor der Klinik für Neurologie an der Universitätsklinik Marburg. "Wir müssen Patienten sicher erkennen, bevor das Gehirn geschädigt ist." Die Studie zeige, dass dies mit dem untersuchten Verfahren möglich sei.

Das betonen auch die Autoren der Studie: "Unsere Resultate deuten darauf hin, dass das αSyn-SAA-Verfahren den Biomarker für die Parkinson-Krankheit sehr zuverlässig ermittelt", wird Ko-Autor Luis Concha vom Biotechnologie-Unternehmen Amprion in einer "Lancet"-Mitteilung zitiert. Das ermögliche es, die Krankheit in frühen Stadien zu diagnostizieren. Offenbar verbreiteten sich die fehlgefalteten Proteine, bevor Hirnschäden erkennbar seien.

Bei bestimmter Genvariante Trefferquote niedriger

Die Autoren der Studie betonen jedoch, dass das Verfahren bei Menschen mit der Genvariante LRRK2 und nicht beeinträchtigtem Geruchssinn als weniger zuverlässig erwiesen hat: Hier lag die Trefferquote nur bei etwa 35 Prozent. Bei Frauen in dieser Gruppe waren es sogar nur knapp 13 Prozent.

Diese Erkenntnisse hätten direkte Auswirkungen auf die Planung klinischer Studien, betonen die Autoren. Bei Untersuchungen zu Therapien für Menschen mit der Genvariante LRRK2 müsse man den αSyn-SAA-Befund berücksichtigen. Ähnlich sollte man bei Therapien, die auf Alpha-Synuclein abzielen, die Möglichkeit bedenken, dass Menschen ohne Ansammlung des falsch gefalteten Proteins anders auf die Behandlung reagieren.

Hoffnung auf "neue Ära" der Therapien

Die Bedeutung dieser Erkenntnisse zeigt sich auch im Rückblick: Im Jahr 2022 waren zwei große Studien (hier und hier) mit Antikörpern gegen Alpha-Synuclein gescheitert - ein herber Rückschlag für die Parkinson-Forschung. Diese Studiendaten könnten nun unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse erneut analysiert werden, sagt Timmermann.

Die deutschen Kommentatorinnen Berg und Klein betonen, dass für Parkinson eine "neue Ära der Entwicklung von Biomarkern und Therapien" beginnt. Die Möglichkeit, falsch gefaltetes Alpha-Synuclein nachweisen zu können, sei eine bahnbrechende Entwicklung. Allerdings wäre im Vergleich zur Untersuchung des Gehirnwassers ein weniger invasiver Bluttest wünschenswert. Dass dies grundsätzlich möglich sei, habe erst kürzlich eine Studie gezeigt. DGN-Präsident Timmermann kann sich vorstellen, dass Erkenntnisse aus der Studie sich in etwa fünf Jahren in neuen Therapien niederschlagen könnten.

Quelle: ntv.de, abe/dpa


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