Die neue Mercedes E-Klasse feiert Weltpremiere

  25 April 2023    Gelesen: 856
  Die neue Mercedes E-Klasse feiert Weltpremiere

Voilà, die neue E-Klasse ist da. Vielleicht ist die Baureihe 214 Mercedes' letzter Businessliner mit Verbrennungsmotor - vielleicht aber auch nicht. ntv.de stellt vor, was der 214er alles kann, schaut aber auch am Steuer vergangener Modelle in den Rückspiegel.

Heute ist zwar noch nicht die Zeit, mit der neuen E-Klasse aus dem Hause Mercedes zu fahren. Aber es ist definitiv die Zeit gekommen, über sie zu reden: Denn vielleicht präsentiert Mercedes nun die letzte konventionelle E-Klasse mit Verbrennungsmotoren. Schließlich möchten die Schwaben bis 2030 elektrisch werden. Allerdings nur, wenn es die Marktbedingungen zuließen, sagt der Konzern. Und in diesem Satz steckt viel - sagen wir mal - Flexibilität.

Wie dem auch sei, es sind jedenfalls besondere Zeiten, denn die Automobilindustrie steht an einem Wendepunkt: Ab jetzt kommen immer mehr elektrisch angetriebene Modelle auf den Markt, aber rar werden die Verbrenner noch nicht unbedingt. So wird das Motorenprogramm der neuen E-Klasse ausschließlich aus Verbrennern bestehen, wenngleich sich diese durchgängig elektrifiziert präsentieren.

Die E-Klasse bildet zusammen mit den Baureihen C-Klasse und GLC noch immer das Rückgrat der Marke Mercedes: Über 300.000 Einheiten des Businessliners konnten letztes Jahr abgesetzt werden. Die Modellbezeichnung "E-Klasse" ist noch vergleichsweise jung, wurde 1993 im Rahmen einer Reform der Modellnomenklatur eingeführt - bis dahin sprach der Volksmund einfach von der mittleren, früher von der kleinen Baureihe, als es den Einsteiger W201 ("Baby-Benz") noch nicht gab.

So nobel und edel der Erfinder des Automobils war (und noch immer ist) - er hatte nicht wie Bentley oder Rolls-Royce nur die Kunden mit dem ganz großen Geld im Visier. Mercedes hat schon immer auch Mengen gedreht. Aber auf solide Art und Weise. Die Schwaben beanspruchen für sich, die besten Autos der Welt zu bauen. Ob das so ist, mag letztlich jeder für sich selbst entscheiden. Aber es ist faszinierend, zu sehen, wie es Mercedes gelingt, gleichzeitig das Luxussegment zu bedienen, ohne bodenständige Zielgruppen zu vernachlässigen.

W214 bekommt großen MBUX Superscreen

Aber zurück zur neuen E-Klasse. Erstmals ist die Baureihe 214 in ihrer ganzen Pracht zu bewundern, während sie vorher nur partiell gezeigt wurde. Das Cockpit mit riesigem, sogenanntem MBUX Superscreen beispielsweise feierte bereits seinen Einstand. Natürlich ist alles digital, das war ja zu erwarten. Autos sind heute rollende Computer, Konzertsäle, Achterbahnen und was auch immer sonst noch.

Doch bevor hier die neue E-Klasse weiter erklärt wird, wird es Zeit, noch einmal zurückzublicken. Vielleicht nicht ganz zurück zu den Anfängen des Automobils, aber immerhin zurück zu dem Zeitpunkt, als das Auto allmählich begann, auch für Massen erschwinglich zu werden. In Europa war das ganz grob betrachtet nach Ende des Zweiten Weltkrieges.

Auch Mercedes war in diesen Zeiten schon mit einer kleinen Baureihe im Geschäft. Sozusagen der Urahn der E-Klasse. Es handelt sich um den Mercedes 170, dessen Geschichte allerdings schon lange vor dem Zweiten Weltkrieg beginnt. Und zwar ironischerweise als Downsizing-Offerte. Denn der im Jahr 1936 passenderweise als W136 eingeführte 170 V (steht für Motor vorn) mit vier Zylindern löst den zuvor sechs Jahre gebauten W15 mit Reihensechszylinder ab.

Der Hundertsiebziger soll sich trotz mehrjährigen Produktionsstops während des Zweiten Weltkrieges zur vielfältigen Baureihe entwickeln und ist sogar parallel zum Ponton bis 1955 zu haben. Und damit sogar länger als die von 1971 bis 1989 angebotene Baureihe 107 (Mercedes SL).

Grund genug, die Reise am Mercedes-Museum in Stuttgart (25 Kilometer vom Produktionsstandort Sindelfingen) zu starten, einmal Platz zu nehmen im frühen Nachkriegs-Mercedes der Basis und anschließend sogar loszurollen. Hier und heute mit einem späten 170 DS der Baureihe W191 (gehört dennoch in die W136-170-Modellfamilie), unter dessen Haube - kaum zu glauben! - ein Selbstzünder werkelt. Und zwar der noch bis 1990 in verschiedenen Anwendungen eingesetzte OM636.

Der archaische Mercedes 170 DS fährt recht modern

Interessant ist der Kontrast: Die archaisch anmutende Limousine mit den zu dieser Zeit noch nicht integrierten Scheinwerfern und nicht weniger markant aufgesetzten Kotflügeln (die moderne Karosserie kam erst mit der Pontonform) fährt erstaunlich modern. Vor dem Motorstart bitte erst lange vorglühen, was durch einen Glühdraht im "Salzstreuer" auf dem Armaturenbrett angezeigt wird.

Dieser "Salzstreuer", das ist ein kleiner erhabener Knubbel mit eingelassenen Löchern (sieht eben aus wie ein Salzstreuer), der als Ersatz für eine Kontrollleuchte dient und selbst in den 1970ern in der Baureihe W115 ("Strichacht") noch zum Einsatz kam. Dann springt der 1,8 Liter große Vierzylinder zumindest bei milden Temperaturen recht willig an und treibt die tiefschwarz lackierte Karosse mit properen 40 PS sogar dynamischer an, als man vielleicht gedacht hätte. Selbst das Bedienen der Viergang-Lenkradschaltung geht frappierend leicht von der Hand. Doch aufgepasst im Straßenverkehr - der 170 DS bremst bei Weitem nicht so gut wie moderne Autos.

Und zu diesen zählt irgendwie auch noch der 280 TE, den Mercedes vorsichtshalber mal mitgebracht hat, um womöglich die Botschaft zu senden, dass auch die neue E-Klasse wieder als Kombi kommen wird. Sogar wieder mit seidigem Reihensechszylinder wie im 280 TE. Den 170 DS habe ich mittlerweile über die an der B-Säule angeschlagene Tür verlassen und bin in das weiße T-Modell geschlüpft. Fährt trotz knapp 45 Jahren auf dem Buckel fast ein bisschen wie ein neues Auto. Wären da nicht die hohen Drehzahlen - und die lassen sich mit nur vier Gängen eben nicht so weit reduzieren. Damals waren die 185 Pferde des Doppelnockers M110 sensationell, heute immerhin noch stramm. Und da sie hier auf verhältnismäßig schmale 1,5 Tonnen treffen, fährt der Oldie entsprechend souverän.

Im neuen W214 finden sich durchaus historische Zitate

Doch was bleibt eigentlich von den ganzen Vorgängern? Wie viel W136, W191, W115 oder auch W123 steckt noch in einem W214? An dieser Stelle lassen sich zumindest gute Nachrichten für Traditionalisten verkünden: Der W214 wird als Exclusive-Line keinen Zentralstern, sondern den klassischen Kühlergrill mit Haubenstern als Kühlerfigur bekommen. Check.

Und der Teufel steckt natürlich im Detail. Dem ältesten Autobauer der Welt ist Tradition wichtig. So hat sich beispielsweise das Design der Pedale zumindest von den frühen Nachkriegsgenerationen bis heute lediglich in Nuancen verändert.

Auch der bei Mercedes im Jahr 1980 erstmals eingeführte Schalter für die elektrische Sitzverstellung in Form eines Miniatursitzes im Türbereich findet sich selbstredend im W214 wieder. Interessant fällt außerdem der Vergleich beider Schriftarten der Ziffern auf den Tachoskalen von W123 und W214 aus - sie sind nicht komplett gleich, aber ähneln einander. Ist eben Familie.

Überhaupt ist der W214 eine Evolution, rangiert optisch irgendwo zwischen EQE und der aktuellen S-Klasse. Vor allem die Seitenlinie mit den flächenbündigen Türgriffen (serienmäßig) verkörpert einen Hauch von S-Klasse, während die Front mit der beleuchteten Kühlergrill-Silhouette und Black-Panel-Elementen zwischen den geschwungenen Scheinwerfern auf EQE macht. Mit dem Heckleuchtenband zitiert der obere Mittelklässler optisch nicht nur die S-Klasse, sondern bekundet Markenzugehörigkeit mit stilisierten Mercedes-Sternen in der Leuchtengrafik.

Wenngleich hier in Sindelfingen noch nicht gefahren werden darf - das Interieur auf dem betont komfortablen Hightech-Sitz darf sehr wohl in live und in Farbe erlebt werden. Ein bisschen herumtouchen auf dem Superscreen geht natürlich auch. Dieser unterscheidet sich übrigens in der haptischen Rückmeldung vom Hyperscreen, auf den Mercedes in der E-Klasse verzichten wird. Macht aber gar nichts, an Gadgets ist die E-Klasse so gar nicht arm.

Per Stellmotor justierbare Lüftungsdüsen (dürfen aber auch händisch bewegt werden) sind generell nicht neu, im W214 indes schon und sie untermauern seinen Hightech-Charakter. Und: Eine KI merkt sich sogar deren Stellung und ist darauf getrimmt, ein Muster zu erkennen, das beispielsweise von Kriterien wie Uhrzeit und Außentemperatur abhängt. Daran ausgerichtet wird die Klimaanlage automatisch entsprechend eingestellt. Wie abgefahren!

Die neue E-Klasse soll durch famose Soundanlage bestechen

Dass man in Stuttgart längst auch Musik- statt Motorsound als wichtig erachtet, zeigt sich an der Verfügbarkeit der 4D-Klangtechnik mit zum Takt des Songs vibrierenden Sitzen sowie Dolby Atmos auf Wunsch. Ist soweit bekannt aus der S-Klasse, aber die E-Klasse kann zusätzlich auch noch mit visueller Begleitung aufwarten. In diesem Fall pulsiert und wabert das Ambientelicht in farbenvoller Pracht. Chichi für asiatische Märkte? Finden auch junge Kunden in Europa cool, sagt MBUX-Spezialist Christian Michael Horn. Lässt sich zur Not aber ausschalten. Und wer keine Berührungsangst mit dem Datenthema hat, darf gerne eine Innenraumkamera bestellen, um während der Fahrt Zoom-Konferenzen abzuhalten. Wie zeiteffizient.

Das gelingt jetzt noch ein bisschen luftiger, denn der Radstand des W214 ist im Vergleich zum Vorgänger um zwei Zentimeter gewachsen (2,96 Meter) bei einer Außenlänge von jetzt 4,95 Metern. Natürlich bekommt die jüngste Mercedes-Neuentwicklung auf Wunsch die Allradlenkung - allerdings mit lediglich 4,5 Grad Lenkwinkel an der Hinterachse (reduziert den Wendekreis auf 10,8 Meter) und sie liegt optional auf Luftbälgen mit verstellbarer Dämpferhärte. Fahrerloses Parken wird analog zur S-Klasse ebenso möglich sein. Neu ist die Funktion, bestimmte bereits zurückgelegte Strecken in den Speicher ablegen und dann abrufen zu können. Die E-Klasse führt die nötigen Lenkmanöver in diesem Fall selbsttätig aus.

Am Ende schließt sich der Kreis. Analog zum Mercedes 170 DS wird die neue E-Klasse wieder mit leistungsstarken Dieseln zu haben sein in einer Bandbreite von 197 bis 367 PS (Letzterer sechszylindrig) plus 20 respektive 23 PS elektrischer Leistung. Zwei Plug-in-Hybride mit zwei Liter großen Vierzylindern wird es gleich zum Marktstart geben - sie erlauben über 100 Kilometer rein elektrische Reichweite (WLTP) und leisten im E 300 e 313 respektive 381 PS im E 400 e. Die Benziner-Range reicht von der 204 PS starken Basis bis zum 381 PS starken Reihensechszylinder - jeweils mit kräftiger elektromotorischer Unterstützung in Höhe von bis zu 23 PS.

Zu den AMG-Modellen äußert sich Mercedes noch nicht, der Achtzylinder gilt mittlerweile aber als gesetzt. Ab Sommer ist die neue Businessklasse zu haben.

Quelle: ntv.de


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