Plötzlich Tumult unter den rund 120 Gästen, in der Mitte der Stuhlreihen reißen zwei Leute ein Transparent hoch, Sprechchöre gegen die Kandidatin erklingen, schließlich übertönen die Clinton-Anhänger die Protestler mit lauten "Hil-la-ry!"-Sprechchören. Polizisten schreiten ein und tragen eine letzte protestierende Frau aus dem Saal, die noch währenddessen ihre Dreadlocks schüttelt und mit rotem Kopf "Kriegsverbrecher!" schreit. Die anderen Clinton-Gegner haben da schon das Weite gesucht. Der Ex-Präsident bleibt cool. Er zuckt mit den Schultern, sagt "You got to love New York" und grinst. New York muss man einfach lieben.
Clinton wirkte zwar zunächst genervt und enttäuscht, aber gerade neulich erst hat Hillary Clintons First Husband Schlagzeilen gemacht, als er sich in einer ähnlichen Situation in Philadelphia mit schwarzen Bürgerrechtlern anlegte. Die warfen ihm vor, mit seiner Strafrechtsreform von 1994 schwarze Familien und Gemeinden zerstört zu haben. Denn in der Folge gingen die Kriminalitätsraten zwar deutlich zurück, doch saßen dafür auch Kleinkriminelle lange in Haft, was Clinton selbst als Problem benannte. Seine Frau hat sich bereits von diesem System distanziert und versprach Reformen. Nach Philadelphia sprachen alle nur noch über die emotionale Reaktion des einstigen Präsidenten und nicht mehr über die Sache selbst. Kein Wunder, dass Clinton die Proteste nun einfach weglächelt.
Einwanderer sind ein Schlüssel zum Sieg
Denn hier geht es ebenfalls um eine wichtige Wählergruppe: Einwanderer aus Süd- und Mittelamerika, genannt "Latinos" oder "Hispanics". Sie stellen das Gros im Publikum, und nicht nur dort: Fast 30 Prozent der Bevölkerung der größten Stadt der USA gehören dieser Gruppe an. Auf sie kommt es am kommenden Dienstag für Hillary an. Am 19. April wird gewählt, dann sollen sich die New Yorker Demokraten zwischen Clinton und Bernie Sanders entscheiden, der die letzten sieben Vorwahlen gewonnen hat. Sein Erfolg ist zwar eher symbolisch, weil es nur um wenige Delegierte ging, doch nächste Woche geht es um fast dreihundert. Eine Niederlage wäre ein bitterer Rückschlag für Clinton, zumal sie New York zu ihrem Heimatstaat erklärt hat, jener Staat also, in dem sie von 2000 bis 2009 auch Senatorin war. Ein überzeugender Sieg könnte hingegen für ihren Konkurrenten Sanders den K.o. bedeuten.
Der hat als gebürtiger New Yorker aber durchaus Chancen im Big Apple, punktet mit seinem Brooklyner Akzent, und ist vor allem bei jungen Wählern überaus populär. Es dürfte knapp werden, die Stimmung ist aufgeheizt, beide Lager kämpfen unermüdlich um die Wähler. Beide warfen sich vergangene Woche vor, nicht für das Amt des Präsidenten qualifiziert zu sein. Zu Beginn dieser Woche wies Sanders darauf hin, dass Clinton für Fracking gewesen sei, was Umweltschützer auf seine Seite ziehen soll. Anders als in vielen anderen Staaten der USA ist die umstrittene Öl-Fördermethode im Bundesstaat New York verboten. Clinton erklärte, Sanders habe keine klare Position zur Einwandung. Das war klar an ihre Wähler aus dem Latino-Lager gerichtet.
Doch Hillary Clintons Beziehung zu Lateinamerika ist nicht ganz so makellos wie es scheint. Die Protestierenden zu Beginn von Bills Rede weisen auf einen dunklen Punkt hin. Sie warfen ihr vor, das Blut der Umweltaktivistin Berta Cáceres an den Händen zu haben. Die wurde im März in Honduras ermordet – die Protestierer machen dafür auch die honduranische Regierung verantwortlich, die 2009 durch einen Putsch gegen den linken Präsidenten Manuel Zelaya an die Macht kam. Nach zweifelhaften Wahlen erkannten die USA die neue Regierung an. Die damalige Außenministerin hieß Hillary Clinton. Ihre Rolle dabei wäre durchaus ein Thema, das der Kandidatin schaden könnte.
Das, was sie hören wollen
Bill Clinton geht am Sonntagmittag gar nicht darauf ein und verspricht den Leuten im Publikum lieber das, was sie hören wollen: eine Einwanderungsreform, bessere Schulen und günstige Kredite für Kleinunternehmer. Auch steigende Einkommen fordert er. "Wenn man die Inflation abzieht, haben 80 Prozent der Amerikaner seit dem Ende meiner Amtszeit keine Lohnerhöhung erhalten", sagt er. Es gehört zu seiner Rede-Strategie, immer wieder daraufhin zuweisen, wie gut die USA in den 90er Jahren dastanden. Als er Präsident war. Er erntet Applaus, als er sagt, man müsse die nationale Sicherheit gewährleisten, ohne "unsere muslimischen Mitbürger zu dämonisieren."
Ebenso wirbt er für Hillary. Sie sei eine Macherin, sagt er. Er appelliert schließlich ans Bauchgefühl der Zuhörer, als er sagt: "She delivered for New York, she always had your back!" - etwa: Sie hat eine gute Leistung abgeliefert und hat sich immer für euch eingesetzt. Die Botschaft kommt an. Am Ende umringen die Menschen den Ex-Präsidenten, der geduldig für Handy-Fotos posiert und Fragen beantwortet. Mit der Unterstützung dieser Wähler kann Hillary nun wohl rechnen.
Quelle : welt.de
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