Menschen mit einem hohen Cholesterinspiegel könnten ihr Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich senken, wenn sie sich vegan oder vegetarisch ernähren. Das ist das Ergebnis einer Überblicksarbeit dänischer Medizinerinnen, die Studien aus vier Jahrzehnten auswerteten. Wie Experten in einem Kommentar betonen, reichen die Vorteile einer pflanzlichen Ernährung allerdings nicht unbedingt aus, um auf Medikamente zu verzichten. Und: Nicht alle fleischlosen Diäten seien tatsächlich gesund.
Konkret analysierten die Medizinerinnen des Rigshospitalet in Kopenhagen 30 randomisierte Studien mit insgesamt über 2300 Teilnehmenden, die zwischen 1982 und 2022 veröffentlicht wurden. Diese Studien prüften die Auswirkungen einer vegetarischen oder veganen Ernährung im Vergleich zu einer omnivoren Ernährung etwa auf die Werte des als nachteilig geltenden LDL-Cholesterins (Low Density Lipoprotein), der Triglyceride, einer Art von Fetten im Blut, und von Apoliprotein B (ApoB). Dieses Protein unterstützt den Transport von Fett und Cholesterin im Blut. Mehreren Studien zufolge eignet es sich besser als Hinweis für das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen als etwa das LDL-Cholesterin.
Wie die im "European Heart Journal" veröffentlichte Metaanalyse ergab, sank der Gesamtcholesterinspiegel bei jenen Menschen, die sich pflanzlich ernährten, um durchschnittlich 7 Prozent gegenüber den zu Beginn der Studien gemessenen Werten. Der LDL-Cholesterinwert sank um 10 Prozent, der AboB-Spiegel um 14 Prozent.
"Dies entspricht einem Drittel der Wirkung von cholesterinsenkenden Medikamenten wie Statinen und würde zu einer siebenprozentigen Verringerung des Risikos für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei jemandem führen, der fünf Jahre lang eine pflanzliche Ernährung beibehält", erläutert Ko-Autorin Ruth Frikke-Schmidt. Würden sich Menschen schon in jungen Jahren vegetarisch oder vegan ernähren, könne das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die durch verstopfte Arterien verursacht werden, sogar erheblich sinken. "Wichtig ist, dass wir auf allen Kontinenten, in allen Altersgruppen, bei verschiedenen Body-Mass-Index-Bereichen und bei Menschen mit unterschiedlichem Gesundheitszustand ähnliche Ergebnisse gefunden haben", betont Frikke-Schmidt.
"Kombination dürfte Synergieeffekt haben"
"Mehr pflanzliche Lebensmittel in die Ernährung aufzunehmen ist gut für das Herz und die Umwelt", erklärt Tracy Parker von der British Heart Foundation in einer unabhängigen Einordnung. Allerdings falle es manchen Menschen vielleicht leichter, eine mediterrane Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten, Fisch, Eiern und fettarmen Milchprodukten zu praktizieren und nur geringe Mengen Fleisch zu essen. "Es gibt zahlreiche Belege dafür, dass diese Art der Ernährung dazu beitragen kann, das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen zu senken, indem sie die Cholesterin- und Blutdruckwerte verbessert, Entzündungen verringert und den Blutzuckerspiegel kontrolliert", sagt Parker.
Die Metaanalyse weise aber auch darauf hin, dass der Einfluss der Ernährung auf den Cholesterinspiegel begrenzt sei, betont Robert Storey von der Universität Sheffield. Ein hoher Cholesterinspiegel werde stärker von den Genen als von der Ernährung beeinflusst, sagt der Kardiologe, der nicht an der Studie beteiligt war. "Dies erklärt, warum Statine benötigt werden, um die Cholesterinproduktion bei Menschen zu blockieren, die ein höheres Risiko für einen Herzinfarkt, Schlaganfall oder eine andere Krankheit haben, die mit Cholesterinablagerungen in den Blutgefäßen zusammenhängt."
Auch Frikke-Schmidt betont, dass Statine einer pflanzlichen Ernährung zur Senkung des Fett- und Cholesterinspiegels überlegen seien. Das eine schließe das andere aber nicht aus: "Die Kombination von Statinen und pflanzlicher Ernährung dürfte einen Synergieeffekt haben, der zu einer noch größeren positiven Wirkung führt."
Nicht alle vegetarische Ernährung ist gesund
In einem Kommentar des "European Heart Journal" schreiben Kevin Maki und Carol Kirkpatrick von der US-Forschungsstiftung Midwest Biomedical Research, nicht alle pflanzlichen Ernährungsformen seien gleich: "Nicht alle veganen und vegetarischen Ernährungsmuster sind gesund, insbesondere wenn sie übermäßige Mengen an Lebensmitteln und Getränken mit Zuckerzusatz und raffiniertem Getreide enthalten."
Für Maki und Kirkpatrick ist vor allem die Einbeziehung von ApoB eine Stärke der dänischen Überblicksarbeit. Allerdings hätten nur sechs der 30 berücksichtigten Studien Informationen zu dem Apoliprotein enthalten: Hier seien weitere Studien mit längerer Dauer erforderlich, die neben ApoB auch andere Biomarker etwa für Entzündungen und Insulinresistenz umfassten.
Insgesamt jedoch bestätige die Metaanalyse die Vorteile einer vegetarischen oder veganen Ernährung. "Es ist zwar nicht notwendig, Lebensmittel wie Fleisch, Geflügel und Fisch/Meeresfrüchte vollständig wegzulassen, um den empfohlenen Ernährungsmustern zu folgen", schreiben sie. Aber ein geringerer Verzehr solcher Lebensmittel sei ist eine vernünftige Option.
Quelle: ntv.de, Alice Lanzke, dpa
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