Anfang März kursiert im Netz ein Video, das eine Waffe der Russen zeigt, die bisdato nicht viel Beachtung gefunden hat. Das hat sich mit dem Beginn der ukrainischen Gegenoffensive vergangene Woche geändert. Neben Panzern, Artillerie und Drohnen setzt Russland mit hoher Intensität Minen gegen die Angreifer ein. Dafür nutzen sie sogenannte Minenwerfer. Die Waffe ist nicht neu, stellt die Offensivkräfte der Ukraine aber vor verschiedene Herausforderungen.
Wie der Name des Geräts bereits vermuten lässt, werden die Minen nicht gelegt, sondern geworfen. Die Russen nutzen dafür - wie bereits letztes Jahr bei Isjum - das System ISDM "Zemledeliye". Dabei handelt es sich im Grunde um ein Raketensystem, mit dem Unterschied, dass die Raketen vorprogrammierbare Minen tragen - zum Beispiel vom Typ POM-3 "Medaillon" - und sie auf eine Distanz von fünf bis fünfzehn Kilometern abwerfen können.
"Zemledeliye" kann dabei fünfzig 122-mm-Raketen gefüllt mit Landminen gleichzeitig abschießen. Das erlaubt dem Militär in kurzer Zeit ein ausgedehntes Minenfeld anzulegen. Diese können entweder überraschend vor einen Angreifer gelegt, oder nach der bereits erfolgten Räumung einer Minengasse zu deren neuerlichen Sperrung eingesetzt werden.
Leopard-Panzer fallen Minenwerfer zum Opfer
Die Minen unterscheiden sich dabei zwischen Antipersonen- oder Panzerminen. Die Antipersonenmine zielt auf die Tötung oder Verstümmelung des Gegners ab und soll ihn demoralisieren. Ihre Sprengkraft reicht aber nicht aus, um gepanzerte Fahrzeuge zu beschädigen. Der grausame Einsatz ist nach internationalem Recht verboten und seit dem Ottawa-Übereinkommen von 1997 geächtet.
Die Panzermine hingegen kann mit ihrer Explosionskraft selbst modernste Panzer so stark beschädigen, dass sie unbrauchbar werden. Das haben zuletzt Bilder der zerstörten deutschen Leopard-Panzer und der US-Panzer Bradley bewiesen, die weltweit durch die Medien gingen. Seit dem Beginn der Offensive vergangene Woche sind bereits mehrere westliche Panzer den Minen zum Opfer gefallen, sagt Gustav Gressel, Militärexperte vom European Council on Foreign Relations (ECFR). Vor allem in der Region Saporischschja, wo derzeit heftige Kämpfe mit schwerem Gerät toben, wird er von den Russen eingesetzt und richtet großen Schaden an.
Der Minenwerfer kann aber noch mehr und wird nicht nur gegen Panzer und Soldaten eingesetzt. Sie helfen den Russen bei einem Vorstoß auch dabei, ihre Flanken abzusichern. "Je weiter man in das Land des Feindes vordringt, desto länger werden links und rechts die Streifen, die man eigentlich absichern müsste", erklärt Gressel ntv.de. "Hat man dafür die Kräfte nicht, wirft man stattdessen Minen ab, damit der Gegner nicht überraschend aus der Flanke angreifen kann."
Bundeswehr hat Minenwerfer eingestampft
Auch lässt sich mit Minenlegern "das Gefechtsfeld abriegeln", so Gressel. Das bedeutet, dass die Nachschubwege des Gegners mithilfe von Minen abgeschnitten werden, sodass keine Reserven oder neuen Kräfte in das Schlachtfeld nachgeführt werden können. Da "Zemledeliye" eine Reichweite von 15 Kilometer hat, könne so eine ganze Brigade von der Nachschubkette abgeschnitten werde, da diese in der Regel eine Länge von 6 Kilometern und eine Tiefe von 12 Kilometern besitzt.
Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Minenwerfer sind keineswegs neu. Fernverlegbare Minen gab es früher in allen Größen und Reichweiten und wurden bis zum Ottawa-Abkommen 1997 von vielen Armeen genutzt. Die NATO hat nach dem Kalten Krieg und dem Umschwenken auf friedenserhaltende Maßnahmen diese Fähigkeiten größtenteils aufgegeben. Früher gab es in der Bundeswehr das Minenwurfsystem "Skorpion", das insgesamt 600 Minen tragen und eine Minensperre von 1,5 Kilometer Länge und 50 Meter Breite legen konnte. Nach der Neuausrichtung 2011 wurden die Restbestände schließlich ausgesondert.
Auch die Ukraine hatte gemäß dem Ottawa-Abkommen mit der Vernichtung ihrer Minen-Bestände begonnen. Mit dem Beginn des Krieges in der Ostukraine 2014 hörte sie aber damit wieder auf und setzte sie im Kampf gegen Russland ein. Für den "offensichtlichen Einsatz" dieser verbotenen Waffe in der Region Isjum im vergangenen Jahr wurde die Ukraine im Januar von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch gerügt. Auch bei Wuhledar im südlichen Donbass nutzte die Ukraine den Minenwerfer als taktische Waffe.
"Nachteile der Minenwerfer nimmt man gerne in Kauf"
In der Gegenoffensive spielt der Einsatz von Minenwerfern eine besondere Rolle. "Russland setz Landminen sehr massiv gegen die Ukraine ein", sagt Militärexperte Gressel. Sie dienen der Hemmung der ukrainischen Bewegungen, damit diese gezwungen sind, in engen, geräumten Gassen vorzustoßen. Panzer können so nur schwer ausweichen oder manövrieren, was sie ein leichteres Ziel für Artillerieangriffe macht. "In dem Moment, in dem die Ukrainer einen Angriff fahren, können die Russen schnell eine Minensperre einrichten und die Gegner damit erst einmal aus dem Konzept bringen." Gleichzeitig können sie das Nachführen von Reserven den Ukrainern so schwer wie möglich machen.
Fernverlegbare Minen haben jedoch einen Nachteil: Weil sie nur geworfen und nicht eingegraben werden, liegen sie auf der Oberfläche auf. Auf Straßen sind sie damit relativ leicht zu erkennen. Ausgelöst werden Antipersonenminen meist durch direktes Drauftreten. Deshalb werden sie normalerweise getarnt oder vergraben, damit man sie nicht so leicht entdecken kann. "Diesen Nachteil nimmt man allerdings gerne in Kauf, weil die fernverlegten Minen sehr flexibel jeder Situation taktisch angepasst werden können", erklärt Gressel. Vor allem Überraschungsangriffe könnten damit gut abgefangen werden. "Das gleicht die Nachteile wieder aus."
Die Taktik der Russen zeigt Wirkung. Die Ukraine verliert Panzer und Zeit, sich durch die vielen Minenfelder durchzukämpfen. Vor allem aber sind sie über Jahrzehnte eine tödliche Gefahr für die Zivilbevölkerung und machen eine Rückkehr zu einem wirtschaftlichen und sozialen Leben nur schwer möglich.
Quelle: ntv.de
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