Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hat sich gegen eine Verschiebung der vorgesehenen Parlamentsabstimmung zur Sterbehilfe gewandt. Es sei richtig und wichtig, dass der Bundestag jetzt über eine mögliche gesetzliche Regelung der Suizidbeihilfe entscheide, sagte Vorstand Eugen Brysch. "Eine Verschiebung wird keine neuen Erkenntnisse für die Bundestagsabgeordneten bringen. Denn im Kern hat jedes Mitglied abzuwägen, ob die vorgesehenen Pflichtberatungen die Selbstbestimmung der Sterbewilligen schützen können."
Im Parlament liegen Initiativen zweier Abgeordnetengruppen vor, über die an diesem Donnerstag debattiert und abgestimmt werden soll. Die Bundesärztekammer und medizinische Fachgesellschaften hatten vor einem übereilten Beschluss in der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause gewarnt. Das sei einem Thema dieser Reichweite unangemessen, für Hektik gebe es keine Notwendigkeit, hieß es.
Brysch sagte, die vorliegenden Entwürfe gingen über die Sorgen Sterbenskranker hinaus. "Vielmehr entfalten sie Wirkung auf lebenssatte, psychisch kranke oder depressive Menschen. Deshalb ist ein klares Nein zu jedem der Anträge die einzige Chance, das ethische Dilemma nicht zu vergrößern." Eine Ablehnung bedeute keinesfalls ein Verbot der Beihilfe zur Selbsttötung.
Verfassungsrichter fordern neue Regelung
Bedauerlich sei, "dass die Suizidprävention viel zu sehr auf der Strecke bleibt", so Brysch. Zugleich sollte der Sterbehelfer selbst strafrechtlich in den Blick genommen werden. Schließlich erfordere sein Tun höchste Sachkunde und er habe zweifelsfrei sicherzustellen, dass der Suizid selbstbestimmt gewünscht werde. "Ausgeschlossen werden muss in jedem Fall, dass organisierte Suizidangebote gegen Gebühr erfolgen", forderte Brysch.
Auch die Diakonie hatte bereits angemahnt, mehr zur Verhinderung von Suiziden zu unternehmen. "Ein Suizidpräventionsgesetz muss klaren Vorrang vor der Regelung des assistierten Suizids haben", erklärte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie am Freitag. Bei dem Thema seien "blinde Flecken" deutlich geworden: "So wurden Sterbewünsche, Suizidversuche und Suizidgedanken viel zu oft tabuisiert und vernachlässigt. Dabei wird leicht übersehen, dass es meist tiefe psychosoziale Krisen sind, in denen diese Gedanken aufkommen."
Prävention und die "auffangende Begleitung von Menschen, die sich zum Suizid entschlossen haben", seien nicht "zum Nulltarif" zu haben, mahnte Lilie. "Wenn wir die Freiheit, die uns das Grundgesetz garantiert, ernst nehmen, dann ist der Staat gefordert, die Schutzbedürftigen besonders zu schützen."
Der Paritätische Gesamtverband bezeichnete beide vorliegende Gesetzentwürfe in einem Brief an die Bundestagsabgeordneten für die notwendige umfassende Neuregelung der Sterbehilfe als "ungeeignet". Menschen mit Suizidabsicht würden durch die Vorschläge nicht ausreichend vor "privatwirtschaftlichen Profitinteressen Einzelner" geschützt, beklagte der Verband demnach.
Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020, das ein seit 2015 bestehendes Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt hatte, da es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletzte. Dabei hat "geschäftsmäßig" nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet "auf Wiederholung angelegt". Das Urteil stößt eine Tür für organisierte Angebote auf - ausdrücklich auch mit Regulierungsmöglichkeiten wie Beratungspflichten oder Wartefristen.
Quelle: ntv.de, sba/dpa
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