Erstmals lebende Verwandte zu Schädeln aus Ostafrika gefunden

  05 September 2023    Gelesen: 729
  Erstmals lebende Verwandte zu Schädeln aus Ostafrika gefunden

Wissenschaftler eines Berliner Projekts gelingt Erstaunliches: Mittels DNA-Analysen decken sie die Verwandtschaft zwischen menschlichen Überresten aus Tansania und lebenden Menschen auf. Trotz sorgfältigster Provenienzforschung wird das wahrscheinlich eher ein seltener Fall bleiben.

Wissenschaftlern ist es gelungen, erstmals anhand von DNA-Analysen klare Verwandtschaftsverhältnisse zwischen menschlichen Überresten aus Tansania und lebenden Menschen nachzuweisen. Zu drei Schädeln einer anthropologischen Sammlung in Deutschland seien lebende Verwandte gefunden worden, wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) in Berlin berichtete.

Hintergrund ist ein 2017 gestartetes Großprojekt, bei dem mehr als tausend namenlose menschliche Schädel aus dem früheren deutschen Kolonialgebiet Deutsch-Ostafrika untersucht wurden. Mehr als 900 Schädel konnten den heutigen Gebieten von Ruanda, Tansania und Kenia zugeordnet werden.

Zu acht dieser Schädel wurden demnach "ausreichend Informationen" zusammengetragen, sodass eine Suche nach konkreten Nachfahren aussichtsreich erschien. Die genetischen Daten der Schädel wurden daraufhin mit der DNA aus Speichelproben möglicher Nachfahren verglichen. Dazu seien Proben von zehn lebenden Menschen aus Tansania beschafft worden.

Schädel liefert Hinweis

Für einen Schädel wurde eine vollständige Übereinstimmung mit einem heute noch lebenden Mann festgestellt. Hilfreich sei für die Forscher der auf dem Schädel überlieferte Titel "Akida" gewesen. Dieser deutete darauf hin, dass der Verstorbene ein ranghoher Berater Mangi Melis (1866-1900), ein Anführer des Volks der Chagga, gewesen sein könnte. Die Übereinstimmung bestätigte diese Annahme.

Für eine andere Familie - ebenfalls aus dem Volk der Chagga im heutigen Tansania - wurde bei zwei weiteren der acht untersuchten Schädel eine fast vollständige Übereinstimmung der väterlichen Linien identifiziert. Eine direkte biologische Verwandtschaft in ununterbrochener väterlicher Linie sei in diesen Fällen zumindest "wahrscheinlich", hieß es.

"So eine Übereinstimmung zu finden ist ein kleines Wunder und wird auch trotz sorgfältigster Provenienzforschung wahrscheinlich eher ein seltener Fall bleiben", erklärte SPK-Präsident Hermann Parzinger. Angehörige und die Regierung von Tansania sollten zeitnah informiert werden.

Während des deutschen Kaiserreichs gesammelt

Die Schädel waren während der Zeit des Deutschen Kaiserreichs von 1871 bis 1918 von Forschern zusammengetragen und nach Deutschland gebracht worden. Untersuchungen an ihnen dienten damals dazu, rassistisches Gedankengut zu untermauern.

Die zunächst in der Berliner Charité gelagerten Schädel wurden der SPK 2011 übergeben und in langwieriger Arbeit gereinigt und konserviert. An der folgenden Identifizierung beteiligten sich Forscher der verschiedensten Fachrichtungen.

Das Deutsche Reich hatte bis zu seinem Ende Kolonien unterhalten. Die größten waren Deutsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika sowie Kamerun in Westafrika. Dazu kamen weitere Gebiete, etwa im Pazifik. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg mussten laut Bestimmungen des Versailler Vertrags alle Kolonien abgetreten werden.

Quelle: ntv.de, msc/AFP


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