Kürzlich stellten Forschende von Google DeepMind in einer im Journal "Science" veröffentlichten Studie eine neue Wetter-KI namens GraphCast vor. Sie kann ihnen zufolge sehr hochwertige 10-Tage-Prognosen berechnen und das mit einer bemerkenswerten Effizienz. Selbst nach Bewertung von Experten des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) kann GraphCast in bis zu 90 Prozent der Fälle Variablen wie Temperatur und Niederschlag besser prognostizieren als das beste Wettermodell des ECMWF (IFS HRES). Auch die Prognose der Zugbahnen tropischer Wirbelstürme gelingt bereits oft mehrere Tage länger im Voraus als mit klassischen Wettermodellen.
Dabei erzielt GraphCast obendrein eine um mehrere Größenordnungen bessere Effizienz, denn die Google-KI benötigt wesentlich weniger Rechenpower und läuft laut Google sogar auf nur einem einzigen Prozessor. Und dennoch liefert sie die Ergebnisse dabei tausendfach schneller ab - eine bemerkenswerte Verbesserung. Die Forschenden bezeichnen dies als einen Wendepunkt für die Wettervorhersage.
Bisherige Verfahren extrem aufwändig
Klassische, numerische Wettermodelle laufen meist in riesigen Rechenzentren auf teuren und energiefressenden Supercomputern und benötigen aufgrund ihrer großen Komplexität dennoch häufig mehrere Stunden pro Rechenlauf. Eine derartige Verbesserung mithilfe der KI wie durch GraphCast kann folglich eine enorme Kosteneinsparung bedeuten.
Auch die Verbesserung der numerischen Modelle selbst schluckt gigantische Ressourcen und beschäftigt viele verschiedene Forschungsfelder in der Meteorologie und in anderen Naturwissenschaften. Zwar ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Grundlagenforschung selbst dadurch an Bedeutung verliert, da sie auch für die Interpretation und das Verständnis von Modellen und Prognosen entscheidend ist. Der Einsatz von KI-Modellen kann aber wohl auch im Hinblick auf den komplexen und teuren Optimierungsprozess der klassischen Wettermodelle zu einer besseren Nutzung der verfügbaren Ressourcen führen.
Wie funktioniert KI überhaupt?
Als Künstliche Intelligenz werden meist Algorithmen bezeichnet, die sogenannte neuronale Netzwerke verwenden. Die bestehen aus vielen sogenannten Knoten, die ähnlich wie Nervenzellen im menschlichen Gehirn ein weit verzweigtes Netzwerk bilden. Die Verbindungen dieser Knoten sind zu Anfang noch alle gleichwertig, werden aber durch Training anhand von Beispieldatensätzen verändert oder gewichtet. So wird ein neuronales Netzwerk darauf trainiert, Muster in großen Datensätzen zu erkennen und anschließend beispielsweise Eingabedaten zu klassifizieren oder daraus Prognosen abzuleiten. Nach dem Training kann die KI dann auf andere Daten losgelassen werden und je nach Zielsetzung aus diesen Daten die gewünschten Erkenntnisse gewinnen. Auf die gleiche Weise ist das prinzipiell auch mit Wetterdaten möglich.
Die klassische Wettervorhersage basiert dagegen auf über Jahrzehnte verbesserten mathematisch-physikalischen Modellen, die aus einem Anfangsdatensatz mittels hochkomplexer Rechenformeln einen Prognoselauf errechnen. Aus physikalischen Gründen können viele dieser Formeln allerdings nur näherungsweise bestimmt und angewendet werden. Je genauer und höher aufgelöst (räumlich wie zeitlich) ein Modell beziehungsweise eine Prognose sein soll, desto größer auch die nötigen Ressourcen in den jeweiligen Rechenzentren. Der KI gelingt es durch ihre völlig andere Herangehensweise, dieses Problem teilweise zu umschiffen.
Schwächen des KI-Ansatzes
Der völlig andere Ansatz der KI-Technologie bringt jedoch auch Probleme mit sich. Und nicht in allen Fällen ist die KI den bisherigen Wettermodellen überlegen. Beispielsweise bei dem kürzlich sehr plötzlich und überraschend vor der Küste Mexikos aufgetretenen Hurrikan "Otis", der eine extreme Intensivierung erfuhr, bevor er mit unvorhergesehen zerstörerischer Kraft die mexikanische Küste bei Acapulco traf. Hier konnte GraphCast keine Überlegenheit gegenüber den herkömmlichen Wettermodellen demonstrieren, ähnlich wie bei einzelnen Stürmen der letzten Zeit in Mitteleuropa.
Dies könnte damit zusammenhängen, dass die KI naturgemäß nur mit historischen Wetterdaten trainiert werden kann. In Zeiten des immer schneller voranschreitenden Klimawandels und bevorstehenden oder bereits in Gang gesetzten grundlegenden Veränderungen des Klimasystems könnte das eine entscheidende Schwäche sein. Neue Entwicklungen durch den Klimawandel könnten so durch die KI unterschätzt oder gänzlich falsch eingeschätzt werden.
Kann die KI die klassische Wettervorhersage ersetzen?
Forschende des Jülich Supercomputing Centre hielten es in einer von ihnen veröffentlichten Studie schon 2021 für theoretisch denkbar, dass die klassische Wetterprognose durch numerische Wettermodelle eines Tages vollständig von KI-Ansätzen abgelöst wird. Dafür seien jedoch noch größere technologische Durchbrüche notwendig, insbesondere das Einflechten der entscheidenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten in die KI-Algorithmen. So könnten die Stärken der klassischen Wetterprognose mit denen der KI kombiniert werden und die bisherigen Schwächen der KI behoben werden.
Bisher kann die KI die klassischen numerischen Modelle jedenfalls nur ergänzen oder Teile des klassischen Workflows ersetzen. Bis die KI bei der Wettervorhersage vollständig das Ruder übernehmen kann, muss zunächst noch die menschliche Intelligenz einige Leistungen auf dem Gebiet vollbringen. Auch die Google-Forschenden selbst sehen ihre Arbeit bisher nur als Ergänzung zu den bestehenden Modellen. Ein Allheilmittel für die bestehenden Probleme bei der Wettervorhersage ist die KI also noch nicht, die Geschwindigkeit der Entwicklung ist allerdings beachtlich.
Quelle: ntv.de
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