Ausbruch hat wenig mit dem Eyjafjallajökull gemeinsam

  19 Dezember 2023    Gelesen: 658
  Ausbruch hat wenig mit dem Eyjafjallajökull gemeinsam

Nach Wochen des Bangens und Wartens wegen teils heftiger Erdbebentätigkeit auf der Reykjanes-Halbinsel auf Island schießen seit der Nacht aus einer bis zu vier Kilometer langen Spalte riesige Lavafontänen. Ein Vulkan-Desaster wie 2010 ist trotzdem nicht zu erwarten.

Schon Anfang November deutete sich das jetzt begonnene Vulkan-Spektakel auf Island an, als zuerst die Bodenhebung und kurz darauf auch die Erdbebentätigkeit im Südwesten Islands plötzlich in die Höhe schnellten. Zum Teil gab es tausende Erdbeben pro Tag. Sorge bereitete dabei vor allem, dass die Aktivität sehr nah an dem Fischerdörfchen Grindavík lag und sich tiefe Risse, Spalten und Erdlöcher mitten im Ort auftaten. Selbst auf Island war das alles andere als ein normales Ereignis. Manche befürchteten, dass ein Vulkanausbruch mitten im Ort stattfinden oder ihn von außen mit Lava fluten könnte. So ähnlich war es 1973 auf der Insel Heimaey im Süden Islands geschehen.

Bis Ende November schien sich die Lage aber erst einmal wieder zu beruhigen. Die Erdbebentätigkeit und Bodenbewegung nahmen deutlich ab und es wurde spekuliert, dass eine Eruption auch ausbleiben könnte. Doch der Boden hob sich an der berühmten Blauen Lagune wenige Kilometer nördlich von Grindavík weiter um etwa einen Zentimeter pro Tag und erreichte nun erneut einen kritischen Punkt. Der Untergrund gab dem stetig steigenden Druck aus der etwa fünf Kilometer tiefen Magmakammer endgültig nach und eine etwa vier Kilometer lange Spalte öffnete sich. Aus ihr schießen seit der Nacht die Lavafontänen teils über 100 Meter hoch in die Luft.

Der Vulkanismus auf der isländischen Reykjanes-Halbinsel unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt von den meisten anderen bekannten Vulkanen. Es handelt sich hier um eine aktive Plattengrenze, bei der die Nordamerikanische und die Eurasische Kontinentalplatte auseinanderdriften. Dabei wird durch den Vulkanismus neue Erdkruste gebildet. Die Lava, die dort an die Oberfläche tritt, ist sehr dünnflüssig und die darin gelösten Gase können wie aus einer Sprudelflasche leicht austreten. So entstehen die beeindruckenden Lavafontänen - aber keine explosiven Phasen mit großen Aschewolken. Dies wird auch als effusive Eruption bezeichnet.

Gefahr noch nicht gebannt

Weil die Lava so dünnflüssig ist, fließt sie schnell zu den Seiten ab und bildet keinen großen Vulkankegel. So entstanden dort schon in der Vergangenheit große Lavaplateaus und auch die beeindruckenden Bilder der wie in einem Fluss fließenden, glühenden Lavaströme am benachbarten Fagradalsfjall. Die jetzige Eruption ist aber deutlich größer und viel näher an dem Dorf Grindavík. Sie könnte deshalb Teile des Ortes sowie das nahegelegene Geothermalkraftwerk in Mitleidenschaft ziehen. Isländische Vulkanologen sprechen deshalb von einem "Worst-Case-Szenario".

Zwar wurde in den vergangenen Wochen ein großer Deich um die berühmte Blaue Lagune und das Geothermalkraftwerk gebaut, um sie vor Lavaströmen aus einer möglichen Eruption zu schützen. Doch die genaue Position einer Eruption war nur bedingt absehbar und könnte nun so ungünstig sein, dass dennoch erhebliche Schäden entstehen. Die Eruption ist außerdem bedeutend größer als die Eruptionen der letzten drei Jahre am Fagradalsfjall und hat laut der Nachrichtenseite ruv.is bereits mehrere Quadratkilometer Land mit Lava bedeckt. Der Großteil der Lava wird voraussichtlich nach Nordwesten in unbewohntes Gebiet fließen, könnte aber eine wichtige Straße nach Grindavík zerstören.

Zwar hat die Intensität der Eruption bereits abgenommen, sie könnte jedoch noch lange andauern, deshalb ein großes Gebiet betreffen und auch noch den Ort Grindavík erreichen. Die Behörden bitten die Menschen zum jetzigen Zeitpunkt, nicht zum Ort der Eruption zu fahren oder extra anzureisen: "Wir haben es hier nicht mit einer Touristenattraktion zu tun."

Der Flugverkehr am nahegelegenen Flughafen Keflavík ist bisher kaum durch die Eruption beeinträchtigt, zwar gibt es derzeit teilweise größere Verspätungen, jedoch mit unklarer Ursache. Einige Flüge sollen auf jeden Fall pünktlich abgewickelt werden. Für das europäische Festland seien keinerlei Beeinträchtigungen zu erwarten, wie etwa beim Ausbruch des Eyjafjallajökull 2010, heißt es von den Behörden.

Der Grund dafür ist, dass es auf Island mehrere Faktoren gibt, die die Art und Intensität von Eruptionen beeinflussen. Zum einen die erwähnte Plattentektonik, die hauptsächlich zu effusiven Spaltenausbrüchen führt. Nur wenn die Lava in den Ozean fließt oder im flachen Wasser ausbricht, kann es zu kleineren Explosionen kommen, die aber kaum in der Lage sind, in weiterem Umkreis für Probleme zu sorgen.

Explosive Vulkanausbrüche haben andere Ursachen

Explosive Eruptionen wie die des Eyjafjallajökull dagegen stehen im Zusammenhang mit dem Hotspot, auf dem sich Island befindet, sowie den isländischen Gletschern. Island liegt über einem sogenannten Mantelplume, in dem heißes Material tausende Kilometer aus dem Erdinnern bis zur Oberfläche strömt. Dort wird mehr Magma, eine dickere Erdkruste und auch dickflüssigere Lava gebildet, aus der die Gase weniger leicht entweichen können. Schon dadurch kann die Explosivität der Eruptionen ansteigen.

Durch die Bildung von höheren Vulkanbergen liegen im Zentrum von Island zudem noch heute große Gletscher auf deren Gipfeln. Trifft die mehr als eintausend Grad heiße Lava auf das Gletschereis, können Eruptionen in eine explosive Phase übergehen, bei der die Lava durch Kontakt mit dem Gletscherwasser in feinste Stücke gerissen und hoch in die Luft geschleudert wird.

Dann können riesige Aschewolken aus feinen Partikeln vulkanischen Gesteins gebildet werden, die in große Höhen gelangen und den Flugverkehr zum Erliegen bringen können. Denn gelangen die feinen Gesteinspartikel in die Triebwerke von Flugzeugen, können sie sich dort festsetzen und großen Schaden anrichten. Flugzeuge dürfen in solche Aschewolken deshalb auf keinen Fall hineinfliegen.

Quelle: ntv.de


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