Jahr für Jahr steigt der Meeresspiegel und erhöht weltweit für Küstenregionen und ihre Bewohner die Gefährdung durch Überschwemmungen. Nun zeigt eine Studie, dass gleichzeitig entlang der US-amerikanischen Ostküste große Landstriche absinken - zum Teil deutlich. Betroffen sind auch dicht besiedelte Städte wie etwa New York, Baltimore und Norfolk. Dort steigert die Bodenbewegung nicht nur die Überflutungsgefahr, sondern sie bedroht auch die teils marode Infrastruktur - Gebäude, Rohrleitungen, Straßen, Gleisanlagen und sogar Start- und Landebahnen großer Flughäfen.
"Das Problem ist nicht allein, dass das Land absinkt", erläutert Erstautor Leonard Ohenhen von der Universität Virginia Tech in Blacksburg. "Das Problem ist, dass die Hotspots des absinkenden Lands sich direkt überschneiden mit Zentren von Bevölkerung und Infrastruktur." Als Beispiele nennen der Geowissenschaftler und seine Kollegen im Fachblatt "PNAS Nexus" die großen New Yorker Flughäfen JFK und LaGuardia, wo die jährliche Absenkrate mehr als zwei Millimeter betrage.
Für die gesamte US-Ostküste hatte das Team entlang eines 100 Kilometer breiten Streifens anhand von Radarmessungen durch Satelliten die Bodenbewegungen für den Zeitraum von 2007 bis 2020 ausgewertet. Resultate: Große Teile des Areals sinken um mehr als zwei Millimeter pro Jahr, manche - immerhin bis zu 3700 Quadratkilometer - um mehr als 5 Millimeter, stellenweise sogar um mehr als 10 Millimeter. In New York, Baltimore und Norfolk liegt die Rate überwiegend bei ein bis zwei Millimetern pro Jahr. Ursachen sind hauptsächlich die Verdichtung des Untergrunds, die Entnahme von Grundwasser und Bergbau.
Überflutungen auch ohne Meeresspiegelanstieg
Das Absinken könnte in Kombination mit dem steigenden Meeresspiegel - immerhin zurzeit rund 4 Millimeter pro Jahr - das Überflutungsrisiko für manche Areale binnen weniger Jahrzehnte verdreifachen, schreibt die Gruppe. Auch wenn es keinen steigenden Meeresspiegel gäbe, könne eine andauernde Absenkung des Bodens in manchen Küstenregionen zu irreversiblen Überflutungen und regelmäßigeren Überschwemmungen führen.
Für die Schädigung der Infrastruktur sei die Absenkungsrate jedoch nicht unbedingt ausschlaggebend, heißt es weiter. Problematisch sei etwa, wenn benachbarte Gegenden mit unterschiedlicher Geschwindigkeit absinken, was zu Schieflagen führt. Hier kommt erschwerend hinzu, dass sich in manchen Arealen der Ostküste die Oberfläche hebt - etwa an der bei Baltimore gelegenen Chesapeake Bay. Dies gilt als Spätfolge der vor rund 10.000 Jahren verschwundenen Gletscher.
Auch in deutschen Küstenregionen sinken einige Gebiete deutlich ab, wie Thomas Lege von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) in Hannover erläutert. Betroffen sind hauptsächlich die Marschland-Areale - also Gebiete mit angeschwemmten, meist sehr feuchten und unverfestigten Sedimentablagerungen - etwa in den Mündungsgebieten von Elbe und Weser.
Noch größere Absenkungen von jährlich zehn Millimetern oder mehr gebe es über Gasfeldern etwa westlich an der Emsmündung, sagt der Leiter des BGR-Fachbereichs Gefährdungsanalysen und Fernerkundung. Mit der Absenkung steige zwar die Gefährdung durch Überschwemmungen, sagt Lege, insbesondere wenn man in längeren Zeiträumen über mehrere Jahrzehnte denke. "Doch der Zusammenhang zwischen Meeresspiegelanstieg und Absenkung der Böden wird beim Deichbau berücksichtigt", betont der Experte. Und auch beim Bau von Straßen oder Industriegebieten über Marschland werde häufig vorgeplant: Dort würden Areale mitunter schon Jahre vor dem eigentlichen Baubeginn meterdick mit Sand bedeckt - "um den unbefestigten Boden vorzubelasten, ihn wie einen unterirdischen Schwamm etwas auszupressen und künftige Absenkungen so vorwegzunehmen".
Quelle: ntv.de, sba/dpa
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