Der E-Auto-Hype ist vorbei

  08 März 2024    Gelesen: 705
  Der E-Auto-Hype ist vorbei

Erst das Förder-Aus, dann die Rücknahme des Verbrenner-Aus? Es hagelt Negativmeldungen aus der Branche. Politik, Industrie und Kunden verlieren die Lust an der E-Mobilität. Geht ihr der Saft aus? "Wir werden um Jahre zurückgeworfen", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer.

Der Elektromobilität ging es schon einmal besser. Die nackten Zahlen zeigen es: Laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) sank der Anteil neu zugelassener E-Autos mit reinem Batterieantrieb (BEV) in Deutschland diesen Februar von einem ohnehin niedrigen Niveau um 15 Prozent zum Vorjahresmonat. Zulegen konnten dagegen Verbrenner und Dieselfahrzeuge. Fahrzeuge mit Dieselantrieb sogar um annähernd zehn Prozent.

Auch der Marktanteil von E-Autos schrumpft. Im Februar lag er bei 12,6 Prozent - ein Jahr zuvor noch bei 13,5 Prozent. Politik, Wirtschaft, aber auch die Konsumenten bekommen kalte Füße. Sukzessive schleichen sie sich aus dem Elektro-Projekt gegen den Klimawandel hinaus. Und Deutschland ist kein Einzelfall. Sechs Fakten, die zeigen, wie es um die E-Mobilität bestellt ist:

1. Apple kapituliert - Zukunftsvisionen, die nicht wahr werden

Ja, Apple ist kein Autokonzern, sondern ein Techkonzern. Aber dass die Galionsfigur der Tech-Szene ihrem E-Autoprojekt, in das Milliardensummen geflossen sind, den Stecker zieht, hat Symbolkraft. Es spiegelt die Stimmung in der E-Autobranche. Der Hype um die Zukunftstechnologie ist vorbei. Seit Jahren hatte es immer wieder Spekulationen zum i-Car gegeben. Nach etlichen Verschiebungen war die Markteinführung für 2028 geplant. Der Kommentar dazu von Ferdinand Dudenhöffer vom Bochumer Center Automotive Research (CAR) fiel vernichtend aus: "Apple hat kapituliert", sagte er ntv.de. Apples Ziel war ein vollvernetztes E-Auto. Die Nachfolger von Konzern-Mitbegründer Steve Jobs hätten sich daran probiert und seien gescheitert. Die digitale Euphorie ist verpufft.

Die traditionellen Autobauer sind bei ihren eigenen E-Autozielen zu diesem Zeitpunkt längst zurückgerudert. Im Februar trennte sich Volvo Cars von seinen Anteilen am E-Autobauer Polestar. Der durch die James-Bond-Marke bekannte britische Autobauer Aston Martin kündigte an, seinen ersten Sportflitzer auf Elektrobasis nun statt 2025 erst 2026 in die Autohäuser zu bringen. Auch Mercedes-Benz dampfte seine Elektro-Ausbauziele ein. Der Stuttgarter Autobauer will sich später vom Verbrennungsmotor verabschieden. Mercedes-Chef Ola Källenius formulierte es so: "Ob wir 2030, 2033 oder 2035 unseren letzten Verbrenner verkaufen, lässt sich nicht genau vorhersagen, denn das entscheiden unsere Kunden." Auch wenn dem Stromer die Zukunft gehören mag, will man vorher die Verbrenner-Fans bedienen. Denn das bringt Geld. So hat auch die Stellantis-Tochter Jeep entschieden.

2. US-Präsident Biden gibt E-Autoziele auf

Auch die Politik verliert die Lust. US-Präsident Joe Biden will den Zeitplan für die Transformation zur E-Mobilität in den USA offenbar strecken. Geplant war, den Verkauf von reinen E-Autos in den USA von derzeit knapp 8 Prozent bis 2030 auf 60 Prozent zu steigern. Für ein Land, dessen Straßenbild von schweren Pickups und SUVs dominiert wird, ist das ein ambitioniertes Ziel. Der zweitgrößte CO2-Emittent nach China hinkt bei der E-Mobilität fatal hinterher. Während in China im Januar knapp 30 Prozent der verkauften Fahrzeuge E-Autos oder Plug-in-Hybride waren, waren es beim US-Autobauer Ford vier Prozent, bei GM lediglich drei Prozent. Die großen US-Hersteller GM, Ford und Stellantis (Chrysler, Dodge, Jeep) hatten gewarnt, sie könnten ihre Flotten nicht schnell rentabel umstellen.

Die US-Regierung hat "die Wende hin zum Realismus" vollzogen, sagt Dudenhöffer. Im Wahlkampf vor der Präsidentschaftswahl im November sei in Washington die Erkenntnis gereift, dass es keinen Sinn habe, "Ziele aufzustellen, von denen man ausgehen kann, dass sie nicht erreicht werden". Und es könnte noch schlimmer kommen: Bei einem möglichen nächsten US-Präsidenten Donald Trump könnte das Elektroauto bis zur Unkenntlichkeit zusammengestrichen werden.

3. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen will Verbrenner-Aus 2026 prüfen

Auch die EU, die beschlossen hat, dass ab 2035 keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr neu zugelassen werden, scheint in dieser neuen Realität angekommen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erinnerte kürzlich daran, dass das Verbrenner-Verbot 2026 überprüft werde. Eine Prüfung war ohnehin vorgesehen, warum dann dieser explizite Hinweis? Autoexperte Dudenhöffer sieht es als Zeichen: "Das ist die Rolle rückwärts der EU-Kommission." Der Widerstand der Europäer sei zu groß. Die Subventionen ins Elektroauto fließen nicht mehr, deshalb gehe den Autobauern die Puste aus.

Diese Woche hat das EU-Parlament wieder neue Fakten geschaffen: E-Autos sind nicht mehr automatisch klimaneutral. Unternehmen müssen reale Werte für den CO2-Gehalt der verwendeten Elektrizität einkalkulieren. Nach den neuen Referenzdaten hat nur grauer Wasserstoff eine noch schlechtere CO2-Bilanz als Elektrizität. "Mit diesem Gesetz lässt sich das Verbrennerverbot 2026 nun ohne Probleme kippen", kommentiert Dudenhöffer.

4. Scheibchenweise Förder-Aus drückt E-Autoquote

Das Einkassieren der E-Autoförderung war nur der Anfang. Ab dem 1. Januar 2023 wurden nur noch batterie- und brennstoffzellenbetriebene Fahrzeuge gefördert, aber keine Hybridfahrzeuge mehr. Ab dem 1. September konnten nur noch Privatpersonen den Umweltbonus beantragen. Und zum 1. Januar 2024 dann wurde der Umweltbonus komplett für alle beerdigt. Die Folgen sind absehbar: Für dieses Jahr sagt der VDA für Elektro-Fahrzeuge ein Minus von 14 Prozent voraus - das wäre der allererste Rückgang, seit das KBA die E-Auto-Neuzulassungen überhaupt erfasst.

5. Preiskrieg: E-Autos in der Abwärtsspirale

Die hohen Preise für E-Autos, die hohe Zinsen, die einen Kauf erschweren, dazu die hohen Investitionskosten für die Industrie - die Transformation vom Verbrenner zum E-Auto ist ein einziger Hindernislauf. Es gibt aber auch hausgemachte Probleme. Vor rund einem Jahr entfachte Tesla in China einen Preiskrieg, der einen Großteil der Konkurrenz erfasste. Das halb ausgelastete VW-Werk in Zwickau zeige, wie der Markt kippe, sagt Dudenhöffer. Preisnachlässe, um die Nachfrage anzufeuern, entwickelten sich zu einem "gefährlichen Teufelskreis", einer sich schnell abwärts drehenden Preisspirale. Leasinggesellschaften lassen die Finger vom Elektroauto, weil der Restwert der Gebrauchtautos dramatisch gesunken ist. Vermieter wie Hertz und Sixt haben den Verlustbringer Tesla-Rental aus ihrem Angebot gestrichen. Weil sich so erst reicht keine Gewinne mit E-Autos machen lassen, schwenkt die Industrie zurück auf die Verbrennertechnologie. Angesichts des Klimawandels eine kurzsichtige Entscheidung. "Die Technologie wird wohl nur noch vier oder fünf Jahre zu halten sein", prognostiziert Dudenhöffer.

6. Profiteure sind Hybrid-Modelle

Die Käuferschaft erweist sich als flexibel. Der Trend geht zum Hybrid-Fahrzeug. Klarer Profiteur ist der japanische Autobauer Toyota. Der größte Autobauer der Welt setzt auf Modelle, bei denen eine integrierte oder eine extern aufladbare Batterie durch einen Verbrennungsmotor ergänzt wird. Erst vor wenigen Tagen kündigte er Investitionen von gut 2 Milliarden US-Dollar in seine brasilianischen Betriebe zwischen 2023 und 2030 an. Bei einem reinen Elektroauto für die Massen zögert Toyota immer noch. Für Hybridautos spricht, dass sie erschwinglicher sind als rein batteriebetriebene Autos. Zudem garantieren sie Reichweite.

Auch im Elektroparadies China, das den Weltmarkt mit seinen E-Modellen fluten will, wächst der Zuspruch für Plug-in-Hybride. BYD, der größte E-Autobauer der Welt, hat 2023 drei Millionen Fahrzeuge verkauft, knapp die Hälfte davon waren Hybridfahrzeuge. Nach Angaben des staatlichen Instituts China Automotive Technology and Research Center (CATARC) werden in der Elektro-Hochburg China zwar immer noch doppelt so viele reine E-Autos verkauft wie Plug-in-Hybride. Aber die Verkäufe der Technologie-Zwitter stiegen 2023 um 83 Prozent, während die von rein batteriebetriebenen E-Fahrzeugen lediglich um 21 Prozent zunahmen. Auch andere chinesische Konzerne wie Chery setzen auf einen Antriebsmix von elektrischen und nicht-elektrischen Konzepten. Der französische Autobauer Renault gemeinsam mit dem chinesischen Auto-Giganten Geely neue Benzin- und Hybridantriebe entwickeln.

Für China bleibt Branchenkenner Dudenhöffer dennoch optimistisch: "China wird seine Elektromobilität weiter forcieren, denn das ist einer der großen Technologievorteile, die das Land hat. Peking hat viel Ausdauer. Die Kommunistische Partei kippt einen Plan nicht, wenn sich kurzfristig etwas ändert." Der Westen dagegen werde auf dem jetzigen Kurs fünf Jahre zurückfallen.

Quelle: ntv.de


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