Diese Regierung plündert die Jungen aus
Die Älteren stimmt Nahles` Ankündigung dagegen hoffnungsfroh. Schließlich hat die große Koalition den Senioren bereits die Mütterrente, die Rente mit 63 sowie Verbesserungen bei den Pflegeleistungen beschert und für dieses Jahr die größte Rentenerhöhung seit 20 Jahren angekündigt.
Geht es nach den Parteivorsitzenden Horst Seehofer und Sigmar Gabriel, soll diese seniorenfreundliche Sozialpolitik nun in großem Stil weitergehen.
Getrieben von den schlechten Umfrageergebnissen und dem Erfolg der AfD-Populisten sehen viele in der SPD und in der Union mit Blick auf die Bundestagswahl 2017 in der Rente ein Gewinnerthema.
Rückbau der Schröder-Agenda
Plötzlich scheint – vor dem Hintergrund von Rekordbeschäftigung und entsprechend hohen Einnahmen der Sozialversicherungen – sogar eine Rückabwicklung der Riester-Rentenreform von 2001 möglich, mit der damals eine schrittweise Absenkung des Rentenniveaus eingeleitet wurde. Dies wäre ein später Sieg für Gewerkschaften, Sozialverbände und SPD-Linke, die von Beginn an Schröders Agenda 2010 bekämpft hatten.
Dass der Umbau der Altersvorsorge neben den Arbeitsmarktreformen entscheidend dazu beitrug, dass Deutschland zum Wirtschaftsstar der EU avancierte, hat die Kritiker nie interessiert. Umso ärgerlicher ist es, dass die Koalition in der Rente den Rückwärtsgang einlegt, anstatt staatstragend die Zukunftsfähigkeit im Auge zu behalten.
Die Entscheidung, die Alterssicherung auf mehrere Säulen zu stellen, war 2001 richtig, und sie bleibt auch in Zeiten extremer Niedrigzinsen richtig. Denn die Behauptung der Arbeitsministerin, die gesetzliche Rente sei wesentlich robuster und wetterfester als die private Konkurrenz, blendet die absehbaren Probleme der staatlichen Rente einfach aus.
Das Rentenniveau muss runter
Unbestritten ist es heutzutage nicht besonders attraktiv, für das Alter zu sparen, weil die Rendite momentan gering ist und niemand weiß, wie lange die künstlich herbeigeführte Niedrigzinsphase anhält. Doch soll man sich stattdessen wirklich ausschließlich auf ein System verlassen, das von der Hand in den Mund lebt?
In der gesetzlichen Rentenversicherung fließen die Beitragszahlungen direkt an die jeweiligen Ruheständler. Derzeit geht es dem System blendend, denn es gibt mehr Finanziers als jemals zuvor. Doch in kaum einem anderen Land der Welt altert die Gesellschaft so rasant wie in Deutschland.
Die kapitalgedeckte Alterssicherung ist weit weniger abhängig von der Demografie, denn hier spart jeder für sein eigenes Alter an. Risiken gibt es also sowohl für das Umlageverfahren der gesetzlichen Rente als auch für die kapitalgedeckte Altersvorsorge. Erfahrungsgemäß fährt man am besten mit einer Mischung aus beiden Systemen.
Wer wie Gabriel und Seehofer mehr Leistungen aus dem staatlichen System in Aussicht stellt, indem er die laut Gesetz vorgesehene weitere moderate Absenkung des Rentenniveaus verhindert, versündigt sich an den Jüngeren.
Schon jetzt haben deutsche Arbeitnehmer weltweit eine der höchsten Steuer- und Abgabenbelastungen zu tragen. Für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen schlagen dabei vor allem die Sozialabgaben zu Buche. Je mehr man den Älteren gibt, desto mehr muss man den Beitragszahlern abnehmen und desto mehr erhöht sich künftig der demografiebedingte Beitragsdruck.
Eine solche Rentenpolitik verletzt nicht nur das Gebot der Generationengerechtigkeit. Sie ist auch eine absurde Reaktion auf die Armutsverteilung in Deutschland. Denn derzeit sind lediglich drei Prozent der Rentner auf Grundsicherung im Alter angewiesen, während 15 Prozent der Kinder von Hartz IV leben.
Keine Generation ist hierzulande sozial so gut abgesichert wie die über 65-Jährigen. Zwar wird die Altersarmut künftig zunehmen, aber keineswegs Durchschnittsverdiener betreffen, wie jetzt von Panikmachern behauptet wird.
Ausweg Schwarzarbeit
Allen heutigen und künftigen Rentnern pauschal ein höheres Rentenniveau zu gewähren, mag kurzfristig populär sein. Doch die damit verbundenen Lasten für die junge Generation sind unzumutbar. Die 20- bis 40-Jährigen stimmen im Regelfall an der Urne nicht über ihre Präferenzen in der Rentenpolitik ab. Es scheint für sie Dringenderes als die Absicherung im Alter zu geben.
Doch eine immer weiter steigende Steuer- und Abgabenbelastung wird sich keine Generation auf Dauer gefallen lassen. Die Jüngeren werden Mittel und Wege finden, sich einem als unfair empfundenen Generationenvertrag zu entziehen.
Die einen werden ins Ausland gehen, schließlich steht den gut Ausgebildeten heutzutage ein globaler Arbeitsmarkt offen. Die anderen flüchten möglicherweise in die Schwarzarbeit oder legen sich in die soziale Hängematte. Denn wer will schon arbeiten, wenn der Großteil des Einkommens von Vater Staat beansprucht wird?
Fauler Wahlkampfzauber
Die größte Schwachstelle des staatlichen Rentensystems liegt in seiner Anfälligkeit für politische Eingriffe. Umlageverfahren wie die Rente und die Pflege bieten Volksvertretern die Möglichkeit, sich heute für Wohltaten feiern zu lassen und die Rechnung an künftige Beitragszahler zu reichen, die heute oft noch gar nicht wahlberechtigt sind.
Denn neue Sozialleistungen sind nichts anderes als neue Schulden. In Griechenland lässt sich studieren, was Ruheständlern blühen kann, wenn Rentenversprechen nicht solide finanziert sind. In dem südeuropäischen Schuldenstaat wurden die Altersbezüge auf einen Schlag um ein Fünftel gekürzt. So sehen schlechte Zeiten in einem Umlageverfahren aus.
Statt die Rentenpolitik für faulen Wahlkampfzauber zu missbrauchen, sollte sich die große Koalition besser Gedanken darüber machen, wie sich das erstarrte System auf den gewaltigen Wandel in einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft einstellen kann. Schon heute gibt es neue Formen der Arbeit, die sich nicht in das enge Korsett der gesetzlichen Rentenversicherung pressen lassen.
Statt auf staatliche Rundumversicherung zu bauen, ist die Eigenverantwortung zu stärken. Sowohl die Riesterrente als auch die betriebliche Altersvorsorge müssen weiterentwickelt werden. Vor allem aber muss Arbeiten im Alter zum Massenphänomen werden. Es ist fatal, dass die Koalitionäre bislang genau in die entgegengesetzte Richtung marschieren.
Quelle : welt.de