Google droht neuer Ärger wegen Android

  20 April 2016    Gelesen: 445
Google droht neuer Ärger wegen Android
Microsoft hat es schon erwischt, nun hat die EU-Kommission Google im Visier, und zwar auf mehreren Ebenen. Jetzt verschärft sie das Wettbewerbsverfahren um Android.
Matt Brittin fasst die Situation in Europa so zusammen: "Es gibt einige Orte, an denen der Reflex ist, die Vergangenheit vor der Zukunft zu verteidigen." So sagte es der Europamanager von Google vor Kurzem im Gespräch mit der Financial Times. Ein solcher Ort sei die EU-Kommission in Brüssel. In deren Amtsstuben säßen zwar prinzipiell "gute Leute, die versuchen, sich über die Welt zu informieren". Aber sie könnten immer noch ein bisschen besser informiert sein.

Um es weniger passiv-aggressiv zu sagen: Brittin und sein Arbeitgeber Google sind von der EU-Kommission genervt. Die hat nämlich gleich mehrere Beschwerden und Untersuchungen gegen Google am Laufen, die sich alle auf den gleichen Nenner herunterbrechen lassen: Google nutzt seine Marktdominanz in verschiedenen Bereichen aus, um sich Vorteile zu verschaffen, glauben die Wettbewerbshüter. Das US-Unternehmen sieht das freilich anders und argumentiert, die EU schränke mit ihrer rückwärtsgewandten Politik die Entwicklung ganzer Branchen ein.

Im aktuellen Fall geht es gegen das mobile Betriebssystem Android. Am Mittwoch verschärfte die EU-Kommission das entsprechende Wettbewerbsverfahren gegen Google. Bereits vor einem Jahr kündigte die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager eine entsprechende Untersuchung an. Erste Initiativen, unter anderen von einer Lobbygruppe, deren Mitglieder Nokia und Microsoft waren, hatte es bereits im Jahr 2013 gegeben.

Welche Dienste müssen vorinstalliert sein?

Konkret geht es um vorinstallierte Dienste in Android. Das System wird von Google im Rahmen der Open Handset Alliance entwickelt. Über 80 Prozent aller weltweit verkauften Smartphones laufen mit Android, in Europa sind es knapp zwei Drittel. Gerätehersteller können Android zwar prinzipiell kostenfrei nutzen und nach Belieben anpassen, denn es handelt sich um freie Software. Apps wie der Google Play Store, Gmail, die Google-Suche oder Google Maps aber sind nicht quelloffen. Wer diese Dienste auf einem Gerät vorab installiert mitliefern möchte – und das wollen praktisch alle großen Hersteller – muss einen Lizenzvertrag mit Google abschließen.

Wie Politico schreibt, sieht so ein Vertrag vor, dass neben dem Play Store auch andere Dienste installiert und prominent platziert werden müssen. Da der Play Store quasi unumgänglich für den durchschnittlichen Android-Nutzer ist, kommen die Hersteller deshalb nicht um die anderen Dienste wie Chrome, Maps oder Gmail herum. Insiderberichten zufolge soll die EU-Kommission bereits einzelne Hersteller gebeten haben, ihre Verträge mit Google den Ermittlern bereitzustellen.

"Unsere bisherigen Ermittlungen lassen darauf schließen, dass Google durch sein Verhalten den Verbrauchern eine größere Auswahl an mobilen Anwendungen und Dienstleistungen vorenthält", sagte Vestager am Mittwoch. Wie es in der Pressemitteilung der Kommission heißt, verstoße Google in drei Punkten gegen das EU-Kartellrecht: Erstens sei es eine unrechtmäßige Vorbedingung, die Google-Suche und den Chrome-Browser als Standardsoftware auf Android-Smartphones einzurichten. Dies führe zweitens dazu, dass Geräte mit alternativen Android-Versionen am Verkauf gehindert werden. Drittens gebe Google den Geräteherstellern und den Betreibern von Mobilfunknetzen "finanzielle Anreize", ausschließlich die Google-Suche vorzuinstallieren.

Die Kommission verschickte jetzt in diesem Fall offizielle Beschwerdepunkte an das Unternehmen. Dieses kann sich ausführlich zu den Bedenken äußern. In einem Blogbeitrag schreiben die Verantwortlichen von Google, kein Hersteller würde zu irgendetwas gezwungen werden und jeder könne entscheiden, welche Apps er mitliefere oder welche Kooperationen er mit wem einginge. Am Ende entschieden ohnehin die Nutzer, was sie nutzen. Trotzdem wolle Google eng mit der Kommission zusammenarbeiten, um eine Lösung zu finden.

Und offenbar stellt in der EU-Kommission niemand die Frage, ob die Android-Nutzer tatsächlich die vorinstallierten Google-Dienste oder nicht doch vielmehr die ebenfalls mitgelieferten Apps der Hersteller und ihrer Partner stören. Oder ob Millionen Nutzer wirklich einen anderen Kartendienst installieren, wenn ihr Android-Smartphone nicht von Werk aus mit Google Maps daherkommt.

Google droht eine Strafe in Milliardenhöhe

Unter dem Gesichtspunkt des Kartellrechts sind solche Fragen für die EU-Kommission unerheblich. 2001 bereits leitete sie ein Verfahren gegen Microsoft ein, weil das Unternehmen seinen Mediaplayer an Windows koppelte. 2009 drängte sie den Softwarehersteller, eine freie Browserwahl in Windows anzubieten. Weil Microsoft später dagegen verstieß, musste es 2013 eine Strafe in Höhe von 561 Millionen an die EU zahlen.

Eine noch höhere Strafe könnte Google drohen. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet von einer Höhe von zehn Prozent des letztjährigen Umsatzes, was rund 6,5 Milliarden Euro entspräche. Schwerwiegender könnte für Google sein, die Praxis rund um die Android-Verträge ändern zu müssen. Schätzungsweise 9,6 Milliarden Euro verdiente das Unternehmen vergangenes Jahr mit Anzeigen auf Android, die unter anderem über die offiziellen, vorinstallierten Dienste wie die Suche oder den Chrome-Browser ausgespielt werden. Schon deshalb dürfte Google alles dafür tun, dass diese Dienste prominent sichtbar auf den Geräten von Herstellern wie Samsung, Sony oder HTC bleiben.

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