Der Hochseekapitän und Leiter der Seefahrt-Risikoabteilung des Industrieversicherers Allianz Commercial, Rahul Khanna, hat erklärt, dass das Brückenunglück in Baltimore wahrscheinlich hätte verhindert werden können, wenn das Schiff geschleppt worden wäre. "Insbesondere bei starkem Wind wäre das die richtige Entscheidung gewesen", sagte Khanna dem "Handelsblatt". "Aber ob Schlepper dabei sind, entscheidet der Hafen, nicht der Kapitän. Eine solche Entscheidung ist das Ergebnis einer Risikoabwägung."
Aus seiner Sicht ist auch kein Mangel an Wissen über die örtlichen Gegebenheiten für die Kollision verantwortlich. "An Bord des Schiffs waren zwei Lotsen", so der Hochseekapitän. "Die Lotsen wissen, wie viel Geschwindigkeit das Schiff aufnehmen soll, wo es sichere Fahrrinnen gibt, und sie kommunizieren mit dem Hafen. Lotsen sind für große Schiffe unverzichtbar. Sie steigen noch am Kai zu, helfen dabei, das Schiff aus dem Hafen zu navigieren und gehen dann wieder von Bord."
Das fast 300 Meter lange Containerschiff kollidierte nach dem Verlassen des Hafens in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland mit einem Stützpfeiler der rund drei Kilometer langen Francis-Scott-Key-Bridge, die dadurch größtenteils zum Einsturz gebracht wurde. Auf dem Schiff war wohl mehrfach der Strom ausgefallen, sodass weder Antrieb noch das Ruder zur Steuerung funktionierten.
Laut Khanna wurde der Frachter dadurch zur Gefahr. "Ein solches Schiff hat einen kilometerlangen Bremsweg. Außerdem muss es eine Mindestgeschwindigkeit einhalten, um in der Fahrrinne zu verbleiben. Wird es zu langsam, bietet es eine große Angriffsfläche gegenüber dem Wind und driftet ab, wie hier geschehen", sagt der Leiter der Seefahrt-Risikoabteilung von Allianz Commercial. Grundsätzlich kommen solche Unfälle sehr selten vor. Doch ihre Wahrscheinlichkeit wachse, so Khanna.
Quelle: ntv.de, lme
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