Wenn heute jugendlich-adrette Nachrichtensprecherinnen die Meldung von Princes Tod mit den Worten kommentieren, "der Mann hat ein paar echt gute Songs geschrieben", zeigt das zweierlei: Sie haben - was nicht schlimm ist und wofür sie nichts können - den Aufstieg des Musikers zur herausragenden Ikone in den 80ern nicht bewusst miterlebt. Und sie haben die popkulturelle Bedeutung dieses Ausnahmestars, die weit über "ein paar echt gute Songs" hinausgeht, nicht begriffen.
Die Speerspitze des MTV-Zeitalters
Als Prince 1982 sein Album "1999" veröffentlichte, erschien fast genau einen Monat später Michael Jacksons Jahrhundertseller "Thriller". Auch beim Alter trennten die Musiker, beide Jahrgang 1958, lediglich knapp drei Monate. Beide hatten keine leichte Kindheit. Princes Familie war zerrüttet, Jackson litt unter seinem herrischen Vater, der ihn schon im Kindesalter ins Rampenlicht zerrte. Doch auch Prince begann bereits als Jugendlicher mit dem Musizieren, ehe er als 19-Jähriger sein Debütalbum herausbrachte. Ein unbeschriebenes Blatt waren deshalb 1982 beide nicht mehr, wenngleich Jackson nicht zuletzt aufgrund seiner Zeit in der Familienband "The Jackson 5" ein paar Jahre mehr im Musikgeschäft auf dem Buckel hatte. Aber der Startschuss zu ihrer Superstar-Karriere fiel erst jetzt.
Und das Rennen zwischen beiden war vollkommen offen. Klar, Jackson katapultierte sich mit insgesamt sieben Single-Auskopplungen aus "Thriller" immer wieder in die Charts. Prince jedoch legte bereits 1984 mit dem Film "Purple Rain" und dem zugehörigen Soundtrack nach, der den Erfolg von "1999" noch einmal in den Schatten stellen sollte. Jahr für Jahr erschien daraufhin ein Erfolgsalbum nach dem anderen von ihm - "Around The World In A Day", "Parade", "Sign o` the Times" -, ehe Jackson mit "Bad" 1987 seinen "Thriller"-Nachfolger präsentierte. In der Wahrnehmung des Publikums rangen hier zwei Musiker praktisch im Gleichschritt um die Speerspitze des MTV-Zeitalters. Und ähnlich, wie man sich zwischen "Dallas" und dem "Denver-Clan" irgendwann entscheiden musste, stellte sich alsbald die Frage: Bist du Team Prince oder Team Jackson?
Ein bisschen größenwahnsinnig
Was den Glamour-Faktor und Sex-Appeal angeht, war die ziemlich einfach zu beantworten. 1,58 Meter maß das Princelein lediglich - und schien doch jeder Frau spielend mehr als nur den von ihm besungenen "Kiss" abzuringen. Mit Kajal, High Heels und wallenden Gewändern hüllte er sich in den Mantel der Androgynität - und doch wusste jeder, was es bei ihm geschlagen hatte. Anders als bei Jackson, den auch der Hauch der Geschlechtslosigkeit umwehte, in seinem Fall aber, weil seine Sexualität - auch abseits der Kindesmissbrauchsvorwürfe - tatsächlich stets diffus blieb.
Dass Prince sich Prince nannte, mag einem ein bisschen größenwahnsinnig erscheinen. Doch in Wahrheit war das gar kein wirklicher Künstlername. Der Name Prince Rogers Nelson wurde ihm von seinen Eltern in die Wiege gelegt. Michael Jackson hingegen legte sich den Beinamen "King of Pop" ganz bewusst selbst zu. 1991 schickte er an MTV eine Nachricht, in der er anlässlich der Veröffentlichung seines Videos zum Song "Black or White" darum bat, fortan entsprechend genannt zu werden. Der Musiksender, dankbar für die Erfolge, die er nicht zuletzt Jackson zu verdanken hatte, entsprach seiner Bitte. Es war ein brillanter PR-Coup.
Unabhängigkeit versus Anerkennung
Dabei hatten beide, Jackson wie Prince, in den 90er-Jahren den Zenit ihrer Karriere bereits überschritten. Allerdings aus unterschiedlichen Gründen: Jackson hechelte dem Wahnsinnserfolg von "Thriller" hinterher. Prince indes überwarf sich mit seiner Plattenfirma, wandelte seinen Namen im Streit mit ihr in ein unaussprechliches Symbol um, schrieb sich "Sklave" auf die Wange und lieferte für den Massengeschmack nur noch wenig verdauliche Alben ab - vermutlich auch, um die Bosse des Labels zu ärgern, an das er vertraglich über Jahre gebunden war. Der Freigeist Prince strebte nach Authentizität und musikalischer Unabhängigkeit. Auf den kommerziellen Erfolg schien er zu pfeifen. Der in seinem imaginären Königreich gefangene Jackson aber suchte nach immerwährender Anerkennung. Doch an seine glorreichen Zeiten in den 80er-Jahren konnte er de facto nie mehr anknüpfen.
Als Jackson 2009 starb, hatte er acht Jahre lang kein Studioalbum mehr veröffentlicht. Der nimmermüde Prince hingegen brachte Aufnahmen wie wild heraus, bediente sich dabei auch neuer Verbreitungswege im Internet und lieferte etwa mit "Musicology" von 2004, "3121" von 2006 und "Planet Earth" von 2007 noch einmal drei äußerst erfolgreiche und von den Kritikern hochgelobte Alben ab. Seit seinem Aufstieg zum Superstar 1982 nahm Prince weit mehr als 30 Alben auf, Jackson gerade mal vier. Von den zahlreichen Songs, die Prince im Laufe seiner Karriere für andere Künstler schrieb - von Sinéad O`Connor über Madonna bis No Doubt - mal ganz zu schweigen.
Dennoch: Noch heute schwärmen Jugendliche, die zu Zeiten von "Thriller" oder "Bad" nicht einmal gezeugt waren, vom "King of Pop" - und meinen damit Michael Jackson. Der PR-Coup, den Jackson seinerzeit mit MTV einfädelte, hat seine Wirkung bis heute nicht verfehlt. Keine Frage: Jackson war ein Gigant - und niemand sollte seine musikalischen Verdienste schmälern. Aber König des Pop? Den Titel hätte eher einer verdient gehabt, der sich Prince nannte.
Tags: