Pläne zu US-Langstreckenwaffen: Grüne werfen Scholz Versäumnis vor

  11 Juli 2024    Gelesen: 543
  Pläne zu US-Langstreckenwaffen: Grüne werfen Scholz Versäumnis vor

Die Vereinbarung, ab 2026 wieder US-Waffensysteme in Deutschland zu stationieren, trifft in Deutschland auf ein geteiltes Echo. Während Verteidigungsminister Pistorius die Pläne begrüßt, sorgen sich viele vor einem Wettrüsten. Die Grünen kritisieren vor allem die Art und Weise der Verkündung.

Die deutsch-amerikanische Vereinbarung zur Stationierung von US-Langstreckenraketen hat in Deutschland Sorgen vor einem neuen Wettrüsten geweckt. Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner kritisierte die Entwicklung als gefährlich. Die Grünen warfen Bundeskanzler Olaf Scholz vor, die Entscheidung nicht ausreichend verständlich zu erklären. Verteidigungsminister Boris Pistorius begrüßte die Stationierungspläne: Die USA-Waffen könnten eine "ernstzunehmende Fähigkeitslücke in Europa" schließen.

Deutschland und die USA hatten am Mittwochabend gemeinsam verkündet, dass die US-Armee - nach mehr als 20 Jahren Pause - ab 2026 wieder Langstreckenwaffen in Deutschland stationieren will, zur besseren Abschreckung gegen Russland. Diese Waffen "werden über deutlich größere Reichweite als die derzeitigen landgestützten Systeme in Europa verfügen", hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Stegner reagierte in den Funke-Zeitungen mit Sorge auf die Ankündigung: "Das alles führt wieder zu einem Wettrüsten", sagte Stegner. "Die Welt wird davon nicht sicherer. Im Gegenteil: Wir kommen in eine Spirale, in der die Welt immer gefährlicher wird." Verteidigungsexpertinnen der Grünen kritisierten, dass Kanzler Scholz eine so weitreichende Entscheidung wie die Raketenstationierung nicht öffentlich begründet habe. Die fehlende Klarheit "kann Ängste verstärken und lässt Raum für Desinformation und Verhetzung", sagte die Grünen-Abgeordnete Sara Nanni der "Rheinischen Post". "Der Kanzler sollte sich rasch dazu erklären."

Strack-Zimmermann: "Strategisch von enormer Bedeutung"

Die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger sagte den Funke-Zeitungen: "Einmal mehr kann ich die Sprachlosigkeit des Kanzlers nicht verstehen." Sie fügte hinzu: "Wer so eine gewichtige Entscheidung trifft, muss sie auch erklären und einordnen." Inhaltlich unterstützte Brugger die Entscheidung: "Den Drohungen und der Brutalität von Wladimir Putin begegnet man am besten mit Stärke Zusammenhalt und Schutz."

Die Stationierung der US-Raketen soll nach Regierungsangaben nur vorübergehend erfolgen - bis Deutschland und die europäischen Verbündeten selbst derartige Waffen herstellen und stationieren. Deutschland und Frankreich haben bereits die Entwicklung einer gemeinsamen Langstreckenrakete vereinbart, andere europäische Länder sollen sich daran beteiligen.

Minister Pistorius sagte im Deutschlandfunk, mit der Stationierung der US-Raketen sei "ganz klar die Erwartung der USA verbunden, dass wir selber investieren in die Entwicklung und Beschaffung von derartigen Abstandswaffen". Die US-Raketen seien als eine Art Überbrückung gedacht bis zur Entwicklung eigener Fähigkeiten: "Diese temporäre Stationierung ab nächstes Jahr wird uns genau die Zeit dafür geben, die wir dafür brauchen."

Die FDP-Europapolitikerin und Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann begrüßte die Stationierungsentscheidung: "Das ist strategisch für das Bündnis von enormer Bedeutung", sagte sie der "Rheinischen Post". "Denn Deutschland ist die zentrale Drehscheibe Europas auch und besonders, wenn es um das Verlegen von Truppen aus dem Westen Richtung Osten geht" - daher mache die Entscheidung "großen Sinn". Zustimmung kam auch von der Union. "Die Langstreckenwaffen werden einen wichtigen Beitrag zur langfristigen und glaubhaften Abschreckung leisten", erklärte deren Außenexperte Johann Wadephul.

Ramelow: "Nein zu noch mehr Waffen"

Scharfe Kritik und drastische Warnungen kamen von den Oppositionsparteien AfD, BSW und Linke. "Die Stationierung macht Deutschland zur Zielscheibe", erklärte AfD-Chef Tino Chrupalla. Scholz lasse zu, "dass Deutschlands Verhältnis zu Russland dauerhaft beschädigt wird und wir in Muster des Ost-West-Konflikts zurückfallen".

Ähnliche Kritik äußerte auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow. "Wir brauchen keine weitere Stationierung von reichweitenstarken Waffen in der Bundesrepublik", sagte der Linke-Politiker dem stern. "Ja zu Landesverteidigung. Aber Nein zu noch mehr Waffen, die zum Angriff weit ins Gebiet anderer Staaten taugen. Wir brauchen eine Friedensoffensive, nicht immer mehr und immer schwerere Waffen."

Auch BSW-Chefin Sahra Wagenknecht äußerte Kritik. "Die Stationierung weitreichender Angriffswaffen dient nicht unserem Schutz, sondern macht unser Land zum potenziellen Angriffsziel feindlicher Raketen und bringt uns damit in große Gefahr", sagte sie dem Magazin. "Wir brauchen kein neues Wettrüsten, schon heute gibt die NATO zwölfmal so viel Geld für Waffen aus wie Russland." Ein großer europäischer Krieg möge aus der sicheren Entfernung der USA kalkulierbar sein, doch für die Menschen in Deutschland und Europa wäre er verheerend, erklärte Wagenknecht. "Im Atomzeitalter kann man nicht kriegstüchtig werden, sondern alle Seiten müssen endlich wieder friedensfähig werden."

Quelle: ntv.de, spl/AFP


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