Biden erklärt Verzicht und warum er Harris das Feld überlässt

  25 Juli 2024    Gelesen: 503
  Biden erklärt Verzicht und warum er Harris das Feld überlässt

Eine Woche ist von US-Präsident Biden nichts zu sehen. In einer Fernsehansprache an die Nation führt er nun die Gründe für seinen Verzicht auf die Kandidatur aus: "Die Demokratie steht auf dem Spiel." Mehrfach warnt er indirekt vor einem Wahlsieg Trumps.

Viermal in dreieinhalb Jahren. US-Präsident Joe Biden nutzt Fernsehansprachen an die Nation nicht häufig. Sondern dann, wenn es besonders wichtig ist. An diesem Mittwochabend ist es die folgenreichste seiner mehr als 50-jährigen politischen Karriere. Das ganze Land sieht und hört, wie Biden diese Karriere beendet, die als Senator begann, die er acht Jahre lang als Vizepräsident von Barack Obama weiterführte. Und mit seinen vier eigenen Jahren als Präsident beschließen wird. Seine Ansprache ist die erste öffentliche Äußerung seit seinem Verzicht.

Noch sichtlich geschwächt von den Folgen seiner Covid-Infektion und ein wenig heiser sitzt er an seinem Schreibtisch im Oval Office des Weißen Hauses. Vor aufgereihten Familienfotos erklärt er, warum er auf seine Kandidatur verzichtet und stattdessen seine Vize Kamala Harris für die Präsidentschaftswahl im November unterstützt. "Es war die Ehre meines Lebens", sagt er. "Ich verehre dieses Amt, aber die Verteidigung der Demokratie, die auf dem Spiel steht, ist wichtiger als jeder Titel."

Biden erwähnt große, frühere Staatschefs der Vereinigten Staaten und spannt sie indirekt ein; Präsidenten seien keine Könige, habe etwa George Washington gelehrt. Der Fingerzeig ist deutlich, auch wenn er den Ex-Präsidenten Donald Trump nicht erwähnt. Der Supreme Court hatte dem Republikaner in einem Urteil weitreichende Immunität gegen Strafverfolgung zugesprochen. Später wird Biden ankündigen, das Oberste Gericht in seinen restlichen sechs Monaten im Weißen Haus reformieren zu wollen, da es "entscheidend für unsere Demokratie ist".

In den zwölf Minuten der Ansprache wird deutlich, warum die Demokraten ihren 81-jährigen Präsidenten immer intensiver zum Verzicht gedrängt hatten. An mancher Stelle verhaspelt Biden sich auffällig ausgedehnt, nuschelt vereinzelt Satzteile weg. In den vergangenen Wochen hatte Biden wegen seines Zustandes das Vertrauen der Demokraten verloren und war in Umfragen zurückgefallen.

Rasanter Stimmungsumschwung

In der Woche, in der Joe Biden von der Bildfläche verschwunden war, hat sich die politische Welt in den USA in atemberaubender Geschwindigkeit weitergedreht. Am vergangenen Donnerstag nahm Donald Trump offiziell die Nominierung der Republikaner an. Der erkrankte Biden ging in seinem Strandhaus in sich. Am Sonntag erklärte er per Brief seinen Verzicht auf die Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei, seine Vize Kamala Harris auf dem Fuße ihre eigene Bewerbung.

Bidens Wahlkampfteam ist nun geschlossen in Harris' Diensten. Bei ihrem Begrüßungsbesuch in dessen Zentrale schaltete sich der Präsident telefonisch zu. Die Delegierten werden voraussichtlich bereits Anfang August zur virtuellen Nominierung zusammengerufen. Die nötigen Stimmen sind Harris wohl sicher. Innerhalb von 48 Stunden hat sich die Partei nahezu geschlossen hinter sie gestellt. Als hätte ihr die 59-Jährige den grauen Schleier weggerissen und neue Energie eingehaucht. Und Biden? Der hat das Ganze, davon ist auszugehen, aus der Ferne beobachtet.

Während die Demokraten mit ihrem Hauruckwechsel die US-Medien dominierten, hat Donald Trump unter anderem in seiner Echokammer alias sozialem Netzwerk "Truth Social" gewütet. "WER FÜHRT DAS LAND?", schrie er unter anderem seinen Anhängern entgegen. Biden sei "wie ein Hund" von der Macht verdrängt worden, tönt er. Trump stellt absurde Schadenersatzforderungen, weil die Republikaner "viel Zeit und Geld" verschwendet hätten auf Biden, sie seien über dessen Gesundheitszustand in die Irre geführt worden. "Die Fake News tun ihr Bestes, um aus (Biden) einen 'brillanten und heldenhaften Führer' zu machen (er war heldenhaft, weil er zurückgetreten ist!)"

So nah an Wahlkampf, wie es nur geht

Wenn man sich vor Augen führen will, was Bidens Verzicht bedeutet, kann man einen Blick auf die Liste seiner Vorgänger werfen. Vor 56 Jahren gab es das letzte Mal einen Staatschef, der nicht für eine zweite Amtszeit antrat. Lyndon B. Johnson, ebenfalls Demokrat und für seine Bürgerrechts- und Sozialpolitik geachtet, geriet 1968 wegen des Vietnamkrieges unter Druck. Seine Wiederwahlchancen waren schlecht, und dann sagte ihm sein Arzt, er würde wegen seines schlechten Gesundheitszustandes weitere vier Jahre im Weißen Haus nicht überleben. Also zog er seine Bewerbung um die erneute Kandidatur zurück.

Biden versucht in seiner Ansprache, sein eigenes Vermächtnis zu zementieren. Er erwähnt eine Rekordzahl geschaffener Jobs, lobt sich für Erfolge im Kampf gegen die Inflation, größere Gleichheit bei Einkommen, sein Subventionsprogramm für Industrie in erneuerbaren Energien und Chipherstellung, gesenkte Preise horrend teurer Medikamente, mehr Krankenversicherte; und das "wichtigste Klimagesetz in der Geschichte der Welt." Die Zahl der registrierten Gewaltverbrechen sei auf einem 30-Jahres-Tief, und selbst die illegale Einwanderung sei nun geringer als zum Ende der vorherigen Regierung.

Er sagt, er habe sich zu seinem Schritt entschieden, um die Partei zu einen. Harris lobt er: Sie sei "erfahren" und "zäh" und "fähig". Es sei an der Zeit, die Fackel an eine neue Generation weiterzugeben, an "neue Stimmen". Biden kommt so nah an eine Wahlkampfrede, wie es in einer solchen Ansprache nur geht. "Könige und Diktatoren regieren hier nicht, die Menschen tun es", ruft Biden die US-Amerikaner mit einem Zitat indirekt dazu auf, im November nicht Trump zu wählen. "Ob wir weiter eine Republik sein werden, liegt jetzt in Ihren Händen."

Quelle: ntv.de


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