Vance kämpft gegen Gummihandschuh und das Umfrageloch

  30 Juli 2024    Gelesen: 584
  Vance kämpft gegen Gummihandschuh und das Umfrageloch

Hat sich Donald Trump mit seinem Vizekandidaten Vance einen Gefallen getan? Frühere Äußerungen kommen zurück wie ein Bumerang, die Umfragewerte sind desaströs, er in der Defensive.

"Faktencheck: J.D. Vance hatte keinen Sex mit einer Couch", hat eine US-amerikanische Nachrichtenagentur zuletzt gemeldet. Interessant, oder? Warum eine solche Nichtmeldung über Donald Trumps Vize-Präsidentschaftskandidat? Deshalb: Während die Republikaner Vance beim Parteitag vor rund zwei Wochen noch feierten, behauptete ein Nutzer ebendies. "Vance könnte der erste Vizekandidat sein, der in einem Bestseller zugegeben hat, einen auf links gedrehten Gummihandschuh, eingeklemmt zwischen zwei Sofakissen gef*ckt zu haben", schrieb er in einem Tweet, den er sogar mit einer seitengenauen Quellenangabe verzierte.

Ganz schön schmutzig, nur: Die Geschichte ist frei erfunden. Sie soll sich in seiner Studienzeit an der Eliteuniversität Yale zugetragen haben und in seinem autobiografischen Buch "Hillbilly Elegy" zu finden sein. Die Agentur prüfte die Behauptung, konnte zwar zehnmal das Wort Couch in dem Werk entdecken. Aber stellte nüchtern fest: "Zu keinem Zeitpunkt sind die Möbel im Koitus." Da hatte sich die Lüge aber schon in den sozialen Netzwerken verbreitet, es entwickelte sich ein Sturm der Memes. Beispiele? Ein Foto mit Sofas im Oval Office: "Wir können Vance nicht in die Nähe lassen." Eine Couch, die kopfüber auf der Treppe liegt, nur ein halber Arm guckt heraus: "Vance, wenn sie nach oben will". Der Vizekandidat mit seiner Frau auf einer Couch: "Mein liebster Dreier".

Der Spott über Vance und diese Geschichte, die schon nach wenigen Tagen zum Wahlkampftratsch gehört, ist nur eines der Probleme für den Trump Vize. Seit er triumphal beim Republikaner-Parteitag einzog, erwischen ihn im Netz manche seiner früheren Äußerungen wie ein Bumerang. Sollten für Vance die gleichen Standards wie für Trump gelten, werden sie einfach an ihm abperlen. Doch bei denen, die er anlocken soll, weil Trump damit Probleme hat, dürfte das nicht der Fall sein: Frauen, jüngere, unentschlossene und Wechselwähler in den umkämpften Bundesstaaten. Dies legen erste Umfragen nahe, bei denen er abseits von Trumps MAGA-Basis wesentlich schlechter abschneidet. Schon eine Woche nach Vance' Nominierung waren seine Beliebtheitswerte im Keller. Laut Yougov sind es die schlechtesten eines Vizes seit 1980.

Alte Aufnahmen neu veröffentlicht

Besser geworden ist es für ihn in den vergangenen Tagen nicht. So macht etwa eine Aufnahme von ihm die Runde, in der er häusliche Gewalt nicht als Scheidungsgrund oder Hindernis für eine glückliche Ehe akzeptiert. In einem drei Jahre alten Clip klingt er schon fast totalitär, als er sagt, die Lehre für Konservative aus den vergangenen zehn Jahre müsse sein, "sehr rücksichtslos in ihrer Machtausübung zu sein". Sie hätten "jede Institution" außer "vielleicht die Kirchen" verloren. Für einen Wandel "müssen wir die komplette herrschende Schicht mit einer anderen ersetzen." Es klinge hart, gibt er zu, aber er halte Kompromisse für unmöglich.

Der Chef der renommierten Meinungsforscher an der Monmouth Universität meint, Vance könnte Trump mit seiner Vergangenheit und seinen Positionen eher schaden als nützen. "Die oberste Regel für einen Vize ist, er darf keinen Schaden anrichten", wird er im "Guardian" zitiert. Vance unterstreiche die negativen Aspekte von Trump eher. Der Senator ist ein entschiedener Abtreibungsgegner und könnte Frauen eher abschrecken als überzeugen.

Etwa, falls sie den Ausschnitt von Vance und der konservativen TV-Ikone Tucker Carlson von 2021 sehen, der im Umlauf ist. Darin bezeichnet er die Vizepräsidentin Kamala Harris als eine der "kinderlosen Katzen-Ladies, die mit ihrem Leben unglücklich sind", das Land führten und "auch den Rest des Landes unglücklich machen wollen". Die "gesamte Zukunft der Demokraten" werde von Menschen ohne Kinder bestimmt. Vance ist auch deshalb in der Defensive, muss sich erklären. Die Demokraten seien eben antifamiliär, verteidigte er sich kürzlich, und überhaupt, er habe ja nichts gegen Katzen. Das ist mindestens ungeschickt und auf keinen Fall eine Entschuldigung gegenüber Frauen ohne eigene Kinder.

Frei erfunden kann trotzdem schaden

Inzwischen ist Harris, die zwei Stiefkinder hat, die designierte Kandidatin der Demokraten, die gegen Trump antreten soll. In einem Video in den sozialen Medien demonstrieren "Straßenkatzen gegen Trump" auf Sofas fahrend in Kolonne: "Katzen für Kamala", ist auf einem ihrer Schilder zu lesen. "Bitte rettet uns" oder "JD hat uns begrabscht" auf anderen. "Macht mit beim Millionenmarsch der Couches", steht unter dem Video. US-Präsident Joe Biden hatte Trump in der ersten Fernsehdebatte die "Moral einer Straßenkatze" ("alley cat") bescheinigt, was auch bedeutet kann: Eine käufliche Person mit fragwürdigen Prinzipien.

Die Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl nahm die Memes zum Anlass, um darauf hinzuweisen, wie sich der US-Wahlkampf gewandelt hat. Sie schrieb beim sozialen Netzwerk Bluesky: "Es ist sehr rar, dass man die extreme Rechte mit eigenen Mitteln schlagen kann und es funktioniert." Das eigene Mittel ist: Etwas frei erfinden, es auf jegliche Weise verbreiten, sodass es zum realen Problem wird. Solche Behauptungen haben insbesondere Trumps Basis unter Strom gehalten; von angeblicher Käuflichkeit Bidens über Reptilien in der Regierung bis zu einer pädophilen Politikerkaste der Demokraten.

Jung, glaubwürdig, konservativ: Als Trump den Senator J.D. Vance als seinen Vizekandidaten ankündigte, war das etwas überraschend. Ein wenig frech und wegen seines Werdegangs ein authentisches Gesicht einer neuen Generation, von den Globalisierungsfolgen gezeichnet. Einer, der Trump kritisch gesehen hatte, sich aber angesichts der Zeichen der Zeit mit ihm versöhnte und nun auf seiner Seite steht. Trumps Basis hält Vance für eine gute Wahl. Die anderen, die der Ex-Präsident für einen Sieg im November ebenfalls benötigt, weniger.

Quelle: ntv.de


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