Was passiert, wenn ein US-Präsidentschaftskandidat stirbt?

  09 Auqust 2024    Gelesen: 389
  Was passiert, wenn ein US-Präsidentschaftskandidat stirbt?

Kamala Harris gegen Donald Trump - das Duell um die Präsidentschaft in den USA ist seit dieser Woche endgültig in Stein gemeißelt. Aber was passiert, wenn einem der beiden Kandidaten in den drei Monaten bis zur Wahl etwas zustößt und er oder sie doch nicht antreten kann?

Dieser Moment hätte fast die Welt verändert. Donald Trump schrammt am 13. Juli nur Zentimeter am Tod vorbei. Der Mordanschlag auf den Ex-Präsidenten und jetzigen Präsidentschaftskandidaten hat gezeigt, dass im US-Wahlkampf alles passieren kann. Trump hätte den 13. Juli um ein Haar nicht überlebt. Doch weil er seinen Kopf im entscheidenden Moment ein wenig zur Seite drehte, wurde "nur" Trumps Ohr von den Schüssen gestreift.

Der Wahlkampf um das mächtigste Amt der Welt geht seitdem mit einem quicklebendigen Trump weiter. Der Kandidat der Republikaner und die aktuelle Vizepräsidentin Kamala Harris für die Demokraten duellieren sich noch gut drei Monate lang um das Weiße Haus. Was aber passiert, wenn es ein weiteres Attentat auf Trump oder eines auf Harris gibt? Was passiert, wenn einer der beiden Kandidaten vor der Wahl stirbt oder aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr antreten kann oder darf?

Szenario 1: Präsidentschaftskandidat stirbt vor der Wahl am 5. November. Sollte tatsächlich ein Präsidentschaftskandidat vor der Wahl am 5. November sterben, ist der weitere Ablauf einigermaßen simpel: Die betroffene Partei müsste schnellstmöglich einen Nachfolger küren. Bei den Demokraten würde der Parteivorsitzende Jaime Harrison mit den demokratischen Gouverneuren und der demokratischen Kongressführung über die Nachfolge beraten und danach eine Empfehlung an das Democratic National Committee (DNC) abgeben. Dieses würde final über den oder die Ersatzkandidatin entscheiden.

Bei den Republikanern gibt es zwei mögliche Optionen. Entweder entscheidet das Parteikomitee mit Trump-Tochter Lara als Co-Chefin an der Spitze, wer statt Donald Trump ins Rennen geht. Oder, das ist Möglichkeit zwei, die Republikaner berufen einen Sonderparteitag ein, auf dem die Delegierten über einen Ersatzkandidaten abstimmen. Das hängt auch davon ab, ob ein Parteitag zeitlich und logistisch abgehalten werden kann.

Klar ist: Sobald der neue Kandidat gewählt ist, müssen die Stimmzettel in den 50 Bundesstaaten angepasst werden. Das könnte theoretisch zu rechtlichen Streitigkeiten führen, weil in einigen Staaten die Frist für den Druck der Wahlzettel vermutlich längst verstrichen sein dürfte und einige Wähler oft weit vor dem eigentlichen Wahltag per Brief abstimmen.

Szenario 2: Wahlsieger stirbt nach dem Wahltag, aber vor dem Electoral College. Wenn der Sieger erst nach dem Wahltag am 5. November stirbt, aber vor dem formellen Wahlakt des Electoral College, wird es komplizierter. Das Gremium mit seinen 538 Wahlleuten bestimmt erst am 17. Dezember offiziell den nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten. Die Wahlleute sind im Normalfall an das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in ihrem Bundesstaat gebunden. Das heißt, sie müssen den Kandidaten wählen, der in ihrem Bundesstaat die meisten Stimmen bekommen hat.

Wenn der siegreiche Kandidat aber gar nicht mehr wählbar ist, wäre das Chaos perfekt. In der Geschichte der Vereinigten Staaten gibt es für das Szenario sogar einen Präzedenzfall. Im November 1872 starb der demokratische Präsidentschaftskandidat Horace Greeley vor der Auszählung der Wahlmänner-Stimmen im Electoral College. Greeley hatte die Wahl gegen den amtierenden Präsidenten Ulysses S. Grant zwar verloren, im Electoral College hätten aber 66 Wahlleute für ihn stimmen müssen. Die meisten Wahlleute gaben stattdessen vier anderen Politikern der Demokratischen Partei ihre Stimme. Der verstorbene Greeley bekam drei Stimmen, diese erklärte der Kongress später für ungültig.

Stimmen für tote Kandidaten zählen also nicht. Die Wahlleute können in diesem Szenario frei entscheiden, wem sie ihre Stimme geben, also auch jemandem, der gar nicht zur Wahl stand. Oder sie entscheiden sich für den Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten.

Sollte im Electoral College jedoch kein Präsidentschaftskandidat die magische Hürde von 270 Stimmen erreichen, entscheidet das neu gewählte Repräsentantenhaus über den nächsten US-Präsidenten. Das besagt der 12. Verfassungszusatz der USA. Das Prozedere ist kompliziert: 435 Abgeordnete sitzen im Repräsentantenhaus, aber nicht jeder hat eine Stimme. "Das Repräsentantenhaus stimmt in dem Fall nicht nach Abgeordneten ab, sondern nach Staatenblöcken", erklärt Politikwissenschaftler und US-Experte Christian Lammert im ntv-Podcast "Wieder was gelernt".

Das heißt, jeder Bundesstaat hat eine Stimme. Insgesamt sind die Republikaner aktuell in 26 der 50 bundesstaatlichen Delegationen in der Überzahl. Das könnte laut aktueller Prognosen auch nach dem 5. November so bleiben. Um es aber noch komplizierter zu machen: Das Repräsentantenhaus wählt in diesem Szenario ausschließlich den Präsidenten, der Senat wählt den Vizepräsidenten.

Szenario 3: Wahlsieger stirbt nach Wahl des Electoral College, aber vor der Auszählung. Wenn der Sieger der Präsidentschaftswahl stirbt, nachdem das Electoral College abgestimmt hat, aber bevor die Stimmen der Wahlleute ausgezählt wurden, ist ebenfalls der Kongress am Zug. Die Abgeordneten entscheiden, ob die Stimmen des Electoral College trotzdem ausgezählt werden. Wenn das passiert, rückt der Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten nach. Im aktuellen Fall würde also J.D. Vance oder Tim Walz US-Präsident werden. Der Kongress könnte aber auch das Repräsentantenhaus über den Präsidenten abstimmen lassen.

Szenario 4: Der gewählte Präsident stirbt nach der offiziellen Verkündung des Wahlsieges am 6. Januar, aber vor der Vereidigung. Für diesen Fall gibt es eine klare Regelung im 20. Verfassungszusatz der USA. Der gewählte Vizepräsident rückt nach und wird am Mittag des 20. Januar als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt. Diese Regelung greift auch während der Amtszeit eines Präsidenten: Stirbt der amtierende Präsident, rückt der Vize nach. So ist es zuletzt 1963 passiert, als John F. Kennedy erschossen wurde, Lyndon B. Johnson den Eid auf die US-Verfassung schwor und ins Weiße Haus einzog.

Quelle: ntv.de


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