Ein paar Stunden vor seinem ersten Auftritt ist Barack Obama alles andere als begeistert. "Ihr kommt mit allen möglichen Gründen und Ausreden, damit habe ich ein Problem", sagt der Ex-Präsident in einem Wahlkampfbüro der Demokraten in Pittsburgh. "Denn ein Teil davon lässt mich denken, und ich spreche Männer an, dass ihr einfach keine Präsidentin haben wollt, und euch fallen andere Gründe dafür ein."
Das muss man sacken lassen: Statt nur um die Menschen zu werben, sich deren Stimme zu "verdienen", wie die Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris sagt, unterstellt Obama den männlichen schwarzen Wählern, dass sie frauenfeindlich seien. "Ihr denkt darüber nach, jemanden auszusitzen oder sogar zu unterstützen, der euch in der Vergangenheit erniedrigt hat?", fragt der Ex-Präsident in Bezug auf Trump weiter: "Weil ihr glaubt, dass das ein Zeichen von Stärke ist? Weil es das ist, was es heißt, ein Mann zu sein und Frauen herabzuwürdigen?" Nein, dies sei inakzeptabel, sagt Obama. Bei seiner anschließenden Wahlkampfrede wird der Ex-Präsident seine Worte über schwarze Männer nicht wiederholen. Das braucht er auch gar nicht, sie sind in der Welt.
Die Gründe für den Unmut des Ex-Staatschefs sind schlechte Umfrageergebnisse und die gefühlt fehlende Begeisterung im Vergleich zu seinem eigenen Präsidentschaftswahlkampf 2008. Harris startete nach Bidens Verzicht mit fliegenden Fahnen und positiven Signalen aus der Wählerschaft. Doch drei Wochen vor der Wahl sieht es nicht mehr so gut aus für sie. Ihr Kontrahent Donald Trump zeigt sich zäh und liegt in sechs der sieben entscheidenden battleground states hauchdünn in Führung. Der Trend spricht derzeit für den Republikaner. Eine Wählergruppe, die dabei mehr an Harris zweifelt, als es die Demokraten erwartet hätten, sind schwarze Männer.
Charmeoffensive von Harris
Obama wurde 2008 der erste schwarze Präsident im Weißen Haus und löste damit gigantische Erwartungen aus, die er in seinen acht Jahren größtenteils nicht erfüllte. Er hielt 2012 Hillary Clinton für die bessere Kandidatin als Joe Biden, doch die verlor gegen Donald Trump. Biden ging stattdessen 2020 ins Rennen und ließ seinem Erfolg gegen den Republikaner eine denkwürdige Amtszeit folgen. Nach Vorstellung der Demokraten soll seine Vizepräsidentin Harris darauf aufbauen.
Harris geht nun in die Charmeoffensive. Sie beantwortet Fragen zu ihren Vorstellungen für schwarze Wähler, geht in ihren Reden darauf ein und macht entsprechende Versprechungen. Da geht es etwa um Kleinkredite für Unternehmensgründer, spezielle Weiterbildungsangebote und eine "Nationale Gleichheitsinitiative" im Gesundheitsbereich. Schwarze US-Amerikaner sind wegen nachteiliger Lebensumstände deutlich häufiger von Diabetes, Krebs und psychischen Krankheiten betroffen als andere Bevölkerungsgruppen. Haushalte schwarzer Familien haben die niedrigsten mittleren Einkommen in den USA. Schwarze machen aber auch rund 14 Prozent aller Wahlberechtigten aus.
Viele Umfragen, viele Erklärungen
Die Kandidatin zielt mit ihren Vorschlägen wohl auf solche Wählerinnen und Wähler, die sich fragen, was ihnen vier Jahre unter demokratischer Regierung gebracht haben. Und auf jene, die sie wieder an die Wahlurne bewegen möchte.
Vor vier Jahren hat Joe Biden die Wahl gewonnen, weil sich viele verschiedene Bevölkerungsgruppen für ihn entschieden haben. Darunter waren auch 90 Prozent der Schwarzen. Seit in der vergangenen Woche die "New York Times" eine Umfrage veröffentlicht hat, laut der sich "nur" 78 Prozent der Schwarzen am 5. November für Harris entscheiden würden, aber 15 Prozent Trump unterstützten (unter Männern: 70 zu 20 Prozent), diskutieren viele US-Medien, was bei den Demokraten schiefläuft.
Mögliche Erklärungen für diese Umfragewerte unter Schwarzen gibt es viele, von Frust über Geldsorgen bis zum Amüsement über Trumps Volten. Womöglich bedeuten die Prozentpunkte für Trump auch weniger, als manches US-Medium daraus macht. Solche Umfrageergebnisse unter Schwarzen seien zu diesem Zeitpunkt des Wahlkampfes üblich, die Ergebnisse am Ende aber wesentlich besser für die Demokraten, sagt die Chefin der Wahlkampforganisation BlackPAC zu RTL/ntv. Dazu passt das aktuelle Meinungsbild eines anderen Instituts. Das dürfte die Demokraten aber nur bedingt beruhigen. Denn Harris' Umfrageergebnisse zu diesem Zeitpunkt sind wesentlich schlechter als jene von Hillary Clinton 2016 oder Joe Biden 2020.
Quelle: ntv.de
Tags: