1993 schlossen sich indigene Gruppen in Ecuador zusammen, um von dem Unternehmen Texaco eine Entschädigung für die mutmaßliche Verseuchung ihres Landes zu erhalten. Chevron hatte Texaco 2011 übernommen und war deshalb der Verantwortliche vor Gericht. 2011 wurde der Konzern zu einer Strafe von 19 Milliarden Dollar verurteilt. Chevron wehrte sich, doch der Oberste Gerichtshof Ecuadors bestätigte das Urteil, senkte aber die Strafe auf 9,5 Milliarden Dollar. Daraufhin hat Chevron Ecuador vor einem internationalen Schiedsgericht geklagt. Hier schaffte es Chevron, dass Ecuador gezwungen wurde, das einstige Urteil gegen den Konzern nicht zu vollstrecken.
Ausgerechnet mit Chevron hatten sich den Guardian Protokollen zufolge mit EU-Beamten getroffen, um über den Investitionsschutz zu sprechen. Chevron argumentiere, „bereits die bloße Existenz des ISDS im TTIP-Abkommen sei entscheidend, da es als Abschreckung wirke“, so die Protokolle. Weiter heißt es, „Chevrons Fall wird oft als Beispiel, warum das ISDS nicht aufgenommen werden sollte, angeführt“. Dann wird ein EU-Beamter zitiert: „Das ist eine falsche Wahrnehmung, da der Fall exakt das Gegenteil beweise. Das Unternehmen bringe diesen Punkt in Brüssel auf den Tisch und habe eine detailliertere Analyse des Falls ausgehändigt.“
Auch beim US-Handelsministerium hatte Chevron sich für den Investitionsschutz stark gemacht. 2013 hieß es in einem Schreiben von Chevron an das Ministerium, „dass allein die Existenz der ISDS-Passage die Wahrscheinlichkeit erhöhe, dass Streitigkeiten außerhalb der Schiedsgerichte“ geregelt würden.
Zu den Protokollen, die dem Guardian vorliegen, sagte ein Chevron-Sprecher dem Guardian: „Es sollte nicht überraschen, dass Gegner und Befürworter des ISDS ihre Perspektiven direkt mit der EU-Kommission teilen.“ Der ISDS-Mechanismus biete ein gut getestetes, notwendiges und nicht politisiertes Forum für Schiedsverfahren. In ungewöhnlichen Fällen könnte es der letzte Ausweg sein. Dann nämlich, wenn Regierungen und Investoren nicht imstande sind, ihre Differenzen zu lösen.
In den vergangenen Jahren hat die Lobbyarbeit vieler Unternehmer, Organisationen und Vereine weiter deutlich zugenommen. Gerade in Sachen Regulierungen und TTIP-Abkommen werden hier die Weichen für die kommenden 25 Jahre gestellt. „Die Schiedsgerichte eignen sich ja auch als Lobbyinstrument – Konzerne nutzen schon heute Klagedrohungen, um Politik zu bekämpfen“, sagte Pia Eberhardt den Deutschen Wirtschafts Nachrichten. „Und TTIP enthält mit der regulatorischen Kooperation noch weitere Kapitel, die Unternehmen mehr Waffen in der politischen Auseinandersetzung an die Hand geben.“ TTIP stärke die Macht von Unternehmen in politischen Auseinandersetzungen um Regulierungen, die letztendlich alle betreffen.
Pia Eberhardt hatte bereits 2013 auf die Lobbyarbeit von Chevron aufmerksam gemacht. Damals schrieb sie:
Chevron „hat seinen kompletten Beitrag für die US-Konsultation bei den Verhandlungen dem Investitionsschutz gewidmet – ‚einem der global wichtigsten Themen für uns‘. Chevron möchte ‚den größtmöglichen Schutz‘ vor regulatorischen Eingriffen um ‚die Risiken von groß angelegten, kapitalintensiven und langfristigen Energieprojekten zu mindern‘, z. B. bei der Gewinnung von Schiefergas durch ‘fracking’. Aufgrund der Gefahren für Mensch und Umwelt und des wachsenden Widerstands von BürgerInnen haben zahlreiche EU-Regierungen Moratorien bzw. strikte Regulierungen für die umstrittene Technologie erlassen. Genau diese Moratorien und Regulierungen könnten Chevron & Co. über weitreichende Investitionsschutzklauseln in einem zukünftigen EU-US-Freihandelsabkommen jedoch angreifen. Die Erfolge der vielen ‚No-Fracking‘- BürgerInnen-Initiativen in ganz Europa könnten so durch die Hintertür zunichte gemacht werden.“
Die London School of Economics hat in einem Gutachten festgestellt, dass der Inverstorenschutz in Freihandelsabkommen ein hohes Risiko für die britischen Steuerzahler darstellt.
Die Vorsitzende der Linkspartei, Sahra Wagenknecht, fordert eine Volksabstimmung über TTIP in Deutschland.
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