In einem 200-Seiten-Report schlägt sich das Royal College of Physicians aus London nun klar auf die Seite der E-Zigaretten-Befürworter. E-Zigaretten böten die Chance, die Schäden des Rauchens für die Gesellschaft "radikal zu reduzieren", erklärt die britische Ärzteorganisation. "Diese Gelegenheit sollte man nutzen."
Der Epidemiologe John Britton und seine Kollegen verweisen vor allem auf die deutlich geringeren Risiken, die vom Dampfen ausgehen sollen. Zwar seien E-Zigaretten gesundheitlich nicht unbedenklich. Doch die Folgen eines Langzeitkonsums dürften kaum fünf Prozent jener Schäden erreichen, die das Rauchen von Tabak mit sich bringe.
Brauchbare Alternative
Mediziner haben speziell die Situation in Großbritannien untersucht. 2,6 Millionen Menschen dort würden E-Zigaretten konsumieren, die Zahl der Raucher liege bei knapp neun Millionen. Die Untersuchung habe ergeben, dass E-Zigaretten nahezu ausschließlich von aktiven oder ehemaligen Rauchern verwendet würden.
Auch Umfragen unter britischen Teenagern hätten ergeben, dass E-Zigaretten fast ausschließlich von jenen konsumiert würden, die bereits mit Tabak experimentiert hätten. Es gebe keine Indizien dafür, dass dadurch das Rauchen zunehme.
Fazit der Forscher: E-Zigaretten nützten eindeutig sowohl dem Einzelnen als auch der Gesellschaft insgesamt. Sie seien eine brauchbare Alternative zu Tabak, schreiben die Forscher in einer Analyse im Fachblatt "British Medical Journal".
E-Zigaretten enthalten eine flüssige Mischung aus Propylenglykol und Glycerin, die mit Nikotin und Aromen versetzt ist. Das Liquid wird elektrisch aufgeheizt und verdampft. Die in E-Zigaretten wie normalen Zigaretten enthaltene Droge Nikotin verursache selbst kaum Schäden, argumentieren die Forscher.
Weniger giftige Nikotinquelle
Das Problem sei der Tabakrauch mit den Karzinogenen, dem Kohlenmonoxid und den Tausenden weiteren bei der Verbrennung entstehenden Giften. Diese machten Rauchen so gesundheitsschädlich. Schon 1976 hatte der Mediziner Mike Russel konstatiert: "Die Leute rauchen wegen des Nikotins, und sie sterben wegen des Teers."
Zumindest für alle, die stark nikotinabhängig sind, empfehlen die britischen Forscher die E-Zigarette als eine nahezu gesunde Alternative. Gesundheitsschäden des Rauchens könnten deutlich reduziert werden, wenn man Zigaretten mit einer weniger giftigen Nikotinquelle ersetze.
Während die älteren E-Zigaretten nur relativ geringe Nikotindosen abgaben, seien neuere Geräte in der Lage, die Droge in ähnlicher Geschwindigkeit zu liefern wie Zigaretten. In Großbritannien seien E-Zigaretten bereits das am häufigsten genutzte Mittel, um vom Rauchen loszukommen.
Gefährliches Lifestyleprodukt?
Peter Hajek, einer der führenden britischen Experten für Tabakabhängigkeit und Entwöhnung, glaubt sogar, dass eines Tages Raucher in Scharen zur elektronischen Zigarette wechseln werden: "Wir hatten noch nie etwas, das auch nur annähernd so vielversprechend im Kampf gegen den Tabakkonsum gewesen wäre."
Die klare Positionierung des britischen Ärzteverbands steht im Widerspruch zu Äußerungen etwa vom Deutschen Krebsforschungszentrum Heidelberg (DKFZ). Dort warnt man vor dem Dampfen und hält es für ein neues Lifestyleprodukt, das möglicherweise junge Menschen dem Rauchen näherbringt.
"Wir mahnen zur Vorsicht", sagt Katrin Schaller, Tabakexpertin am DKFZ. Man wisse nicht, ob die angeblich harmlosen E-Zigaretten über kurz oder lang doch zum Tabakkonsum führten. Für Raucher könnten elektronische Zigaretten möglicherweise eine sinnvolle Alternative darstellen. "Aber für Nichtraucher und Jugendliche sind sie nicht geeignet."
Mangelnde Evidenz
Problematisch ist laut Schaller auch die Tatsache, dass viele Betroffene neben der E-Zigarette weiterhin auch normale Zigaretten konsumierten. Solange man seinen Tabakkonsum nicht auf Null reduziere, sei der gesundheitliche Effekt marginal. Beispielsweise sinke die Sterblichkeit erst, wenn man ganz mit dem Rauchen aufhöre.
Obendrein mangle es an Evidenz, etwa bei der Frage, ob E-Zigaretten tatsächlich dabei helfen, vom Rauchen loszukommen. Auch die medizinische Unbedenklichkeit des Nikotin-Dampfens sei nicht klar erwiesen. Daher lehnt Schaller es nach jetzigem Wissensstand auch ab, E-Zigaretten als harmlos zu erklären.
Explizite Warnungen gab es übrigens schon vor den Aromastoffen, die den Flüssigkeiten für E-Zigaretten beigemischt werden. Diese waren in Geschmacksrichtungen wie Menthol, Vanille, Kirsche oder Zuckerwatte - ohne Nikotin - gezielt an Kinder und Jugendliche verkauft worden. Selbst bei normalem Gebrauch würden die empfohlenen Grenzwerte für die Aromastoffe teils deutlich überschritten, hatten Forscher der Portland State University gewarnt. Atemwegsreizungen seien die Folge.
In Deutschland hat der Gesetzgeber inzwischen gehandelt: Seit dem 1. April 2016 ist der Verkauf von E-Shishas und E-Zigaretten an Kinder und Jugendliche generell verboten. Das Familienministerium hatte unter anderem damit argumentiert, man müsse den Nachwuchs vor schädlichen Stoffen schützen.
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