Vor etwa 66 Millionen Jahren traf der riesige Chicxulub-Asteroid vor der Küste des heutigen Mexiko die Erde und besiegelte das Schicksal der Dinosaurier sowie vieler anderer Lebensformen. Ein früher Vorfahr heutiger Wasservögel überlebte allerdings - und zwar in der Antarktis, wie der Fund eines fossilen Schädels zeigt. Dieser gehörte zu einem Vogel namens Vegavis, berichtet ein Forschungsteam im Fachblatt "Nature". Über die Zugehörigkeit des Vogels zur Familie der modernen Vögel war zuvor lange debattiert worden.
"Nur wenige Vögel haben unter Paläontologen so viele Diskussionen ausgelöst wie Vegavis", wird Hauptautor Christopher Torres zitiert, der zum Zeitpunkt der Studie an der Ohio University in den USA forschte. "Dieses neue Fossil wird dazu beitragen, viele dieser Streitfragen zu klären - vor allem die Frage, wo Vegavis im Stammbaum der Vögel einzuordnen ist."
Bislang waren Fossilien von Vegavis entweder unvollständige Skelette ohne Schädel oder nur Fragmente wie ein Unterkiefer. Entsprechend unsicher fiel das paläontologische Urteil über die Verortung des Vogels aus.
Kräftiger Kiefer, spitzer Schnabel
Das nun vorgestellte, rund 68 Millionen Jahre alte Fossil umfasst einen fast vollständigen Schädel der Art Vegavis iaai mit langem, spitzem Schnabel, der - typisch für Vögel - zahnlos und mit reduziertem Oberkiefer ausgestattet ist. Gefunden wurde es auf Vega Island, einer Insel südlich der Spitze der Antarktischen Halbinsel.
Eine dreidimensionale Rekonstruktion des Schädels zeigt, dass die Gehirnform jener von modernen Vögeln, insbesondere Wasservögeln, ähnelt. Anders als die meisten heutigen Wasservögel, zu denen etwa Enten und Gänse gehören, weist der Schädel jedoch Anzeichen einer kräftigen Kiefermuskulatur auf. Diese könnte geholfen haben, Fische zu erbeuten.
Zusammen mit der Analyse früherer Vegavis-Fossilien ergibt sich so das Bild eines urzeitlichen Räubers, der seine Füße zum Antrieb unter Wasser nutzte, um Fische und andere Beutetiere zu jagen - ähnlich wie heutige Haubentaucher oder Seetaucher.
Gemäßigte Wälder statt eisiger Ödnis
Mit einem Alter von etwa 68 Millionen Jahren lebte Vegavis iaai in den letzten Jahren der Oberkreide - zur gleichen Zeit, als Tyrannosaurus rex und Triceratops Nordamerika bevölkerten, bis der Chicxulub-Asteroid ihr Ende besiegelte. Die Gattung Vegavis überlebte den Einschlag jedoch, wie jüngere Fossilien belegen - möglicherweise könnte die Antarktis ihnen Schutz geboten haben. Mit der heutigen südpolaren Welt hatte die urzeitliche Antarktis allerdings wohl wenig gemein, so die Studie: Statt eisiger Ödnis gab es dort gemäßigte Wälder mit einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt, zu der auch Vegavis iaai gehörte.
"Dieses Fossil unterstreicht, dass die Antarktis uns viel über die frühesten Stadien der Evolution moderner Vögel zu erzählen hat", erklärt Mitautor Patrick O'Connor. Vögel aus anderen Teilen der Welt aus derselben Zeit würden nach heutigen Maßstäben kaum noch als solche erkennbar sein. Der Wissenschaftler fährt fort: "An den wenigen Orten, an denen es nennenswerte Vogelfossilien aus der späten Kreidezeit gab, wie etwa auf Madagaskar, finden wir bizarre frühe Vögel mit Zähnen und langen Knochenschwänzen, die nur entfernt mit heutigen Vögeln verwandt sind ... im äußersten Süden der Antarktis geschah etwas ganz anderes."
Quelle: ntv.de, Alice Lanzke, dpa
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