Warum Hitler und Eva Braun zehn Mal begraben wurden

  30 April 2016    Gelesen: 5087
Warum Hitler und Eva Braun zehn Mal begraben wurden
Nach seinem Selbstmord am 30. April 1945 ging Hitlers Leiche auf eine Odyssee. Beteiligt waren Rote Armee, Smersch, KGB. Endpunkt nach 25 Jahren: die Schweinebrücke bei Biederitz in Sachsen-Anhalt.
Gewissheit gab es ein paar Minuten nach halb vier Uhr nachmittags. Um diese Zeit am 30. April 1945 betraten Heinz Linge und Otto Günsche, Adolf Hitlers Leibdiener und sein letzter verbliebener Adjutant, das winzige Wohnzimmer im Berliner Führerbunker.

Sie sahen den Diktator und Eva Hitler, geborene Braun, beide tot in der Sitzgruppe. Über die Details verbreiteten Linge und Günsche sowie weitere Zeugen im Laufe der folgenden Jahrzehnte mehr als ein Dutzend verschiedene Versionen; wichtig aber war ohnehin nur: Hitler war tot.

Was aber sollte mit seinem Leichnam geschehen? Der "Führer" hatte befohlen, dass seine sterblichen Überreste zu verbrennen seien – nicht einmal tot wollte er seinem Gegner Josef Stalin in die Hände fallen.

Das verstorbene Ehepaar Hitler wurde mit Benzin aus der Notreserve der Reichskanzlei übergossen und in Brand gesetzt. Mehr als zwei Stunden lang brannten die beiden Körper, unter ständigem Granatbeschuss – die Front zwischen Wehrmacht und Roter Armee lag nur hundert Meter südlich des Bunkers.

Doch war die provisorische Einäscherung von Hitlers sterblichen Überresten nur der Beginn einer Odyssee, die zweieinhalb Jahrzehnte dauerte – und nach Ansicht mancher bis heute nicht beendet ist. Harald Sandner, Autor des gewaltigen "Itinerars" Adolf Hitlers, der teilweise minutiösen Rekonstruktion des gesamten Lebens des Diktators Tag für Tag, hat den Weg im Anhang seines vierbändigen Werkes nachgezeichnet.

Am Nachmittag des 30. April 1945 gegen 18.30 Uhr fand die erste "Beisetzung" Hitlers statt. Seine Überreste waren aus dem Bombentrichter geholt worden, in dem sie gebrannt hatten, wurden auf Holzbretter geschoben und in der Nähe knapp einen Meter tief begraben. Das Loch hatten zwei Männer vom Reichssicherheitsdienst ausgehoben, der persönlichen Leibwache Hitlers.

Am nächsten Morgen um fünf Uhr wurde Stalin in Moskau geweckt. Zwei deutsche Generäle hatten in Berlin mitgeteilt, Hitler sei tot. Daraufhin sagte der sowjetische Machthaber angeblich: "Hat er es also getan, der Schweinehund. Zu dumm, dass wir ihn nicht lebend in die Finger gekriegt haben." Um so wichtiger war es nun, des Leichnams habhaft zu werden.

Das gelang aber erst vier Tage später, am 4. Mai 1945. Soldaten der 3. Sowjetischen Stoßarmee fanden im Garten der Reichskanzlei zwei bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Körper, einen Mann und eine Frau. Da die Rotarmisten aber gehört hatten, Hitlers Leiche sei bereits gefunden worden (ein Gerücht), wickelten sie die Überreste in Decken ein und vergruben sie an derselben Stelle wieder. Es war die erste Exhumierung Hitlers und sein zweites Begräbnis.

Am folgenden Morgen buddelten mehrere Männer der Spionageabwehr "Smersch" die Leiche wieder aus – die zweite Exhumierung. Sie legten die in eine Decke gewickelten menschlichen Überreste in eine Munitionskiste und fuhren sie in das sowjetische Feldlazarett Nr. 496 auf dem Areal des Krankenhauses Berlin-Buch. Im dortigen Institut für Pathologie, dem Haus 132 des Klinikgeländes, wurde Hitlers Leiche erst einmal auf Eis gelegt.

Am letzten Tag des Zweiten Weltkriegs obduzierten dann der Chefpathologe der Roten Armee und mehrere weitere Experten den Leichnam – Stalin wollte eine sichere Identifikation. Der Kiefer wurde als Asservat gesichert und zu weiteren Untersuchungen nach Moskau geschickt. Den Rest des Körpers vergruben Soldaten "in der Gegend der Stadt Buch" auf dem Gelände des Krankenhauses. Das dritte Begräbnis.

Noch im Mai allerdings fand man Hinweise, dass jemand an der Stelle der "Beisetzung" gegraben hatte. Ob auf der Suche nach Hitlers Überresten oder nicht blieb offen; es kursierten auch Gerüchte von einem angeblichen "Nazischatz". Daher exhumierten Soldaten den Leichnam und brachten ihn auf das Gebiet einer sowjetischen Garnison in Finow. Die dritte Exhumierung, der gleich die vierte folgte, weil erneut ein Zeuge den Toten ansehen und identifizieren sollte.

Am 3. Juni 1945 wollte dann ein General aus Moskau den Leichnam Hitlers sehen – der nun zum fünften Mal ausgegraben wurde. Die Wiederbestattung erfolgte nicht in Finow, sondern am Rande des Ortes Rathenow. Dort wurde Hitler in einem Wald abermals begraben. Zur Tarnung pflanzte man Kiefern auf das Grab.

Während Stalin seine Partner der Anti-Hitler-Koalition weiter über den Verbleib des "Führers" im Ungewissen ließ und das FBI die Fahndung nach ihm aufnahm, wurde die Leiche im Juli 1945 zum sechsten Male ausgegraben, in "halbverfaultem Zustand" nach Stendal gebracht und dort in einem Waldstück verscharrt. Das siebte Begräbnis.

Im Dezember 1945 wurde die Leiche wieder exhumiert und nach Magdeburg geschafft. Der Grund könnte gewesen sein, dass ein sowjetischer General eine erneute Untersuchung durch Experten verhindern wollte, weil er keinen Beweis für die Behauptung akzeptieren wollte, Hitler habe sich "ehrenvoll" erschossen statt "feige" Gift genommen zu haben.

In Magdeburg wurde der Körper Hitlers wieder verscharrt und im Januar 1946 erneut ausgegraben, um erneut untersucht zu werden. Danach verscharrten Rotarmisten die sterblichen Überreste auf einem Militärgelände in Magdeburg-Sudenburg und asphaltierten das Grab. Das neunte Begräbnis.

Aber nicht das letzte. Denn Anfang 1970 stand fest: Die Garnison in Magdeburg sollte geräumt, die Liegenschaft der DDR übergeben werden. Aber nicht mit Hitlers Überresten! Also schrieb Juri Andropow persönlich, damals Direktor des KGB, der später noch zum Kreml-Chef aufsteigen sollte, am 13. März an Leonid Breschnew, den KP-Chef: "Vor dem Hintergrund möglicher Bau- und anderer Erdarbeiten auf diesem Territorium, die zur Entdeckung der Gräber führen könnten, hielte ich es für zweckmäßig, die Überreste zu beschlagnahmen und sie auf dem Weg der Verbrennung zu vernichten."

Übernehmen sollte diese Aufgabe eine Sondereinsatzgruppe des KGB – natürlich "streng konspirativ". Damit niemand etwas erfuhr, ergänzte vermutlich Andropow selbst den Namen Hitler handschriftlich in eine Lücke des Briefes. Der Auftrag bekam den Decknamen "Mythos".

Am 5. April 1970 exhumierten fünf KGB-Offiziere unter dem Schutz eines Zeltes insgesamt vier Munitionskisten, in denen die sterblichen Überreste von zehn Menschen lagen: Adolf und Eva Hitler, Joseph und Magda Goebbels sowie ihre sechs Kinder. In Fundbericht wurde vermerkt: "Schädel, Gebein, Rippen, Wirbel usw. in Kisten, diese zu Mulm verfault. Leichen waren mit Erde vermischt, der Zerstörungsgrad ist groß." Neben den Skelettresten fanden sich "auch ein paar goldene Zähne".

Die Reste wurden in einem sowjetischen Geländewagen zur Garnison der 10. sowjetischen Panzerdivision in Schönebeck gebracht, elf Kilometer von Magdeburg entfernt. Vor der Leichenhalle der Kaserne war ein Scheiterhaufen errichtet worden, auf den die Reste kamen. Angefeuert mit 20 Litern Benzin, verbrannten die Skelettteile in einer Stunde zu unidentifizierbaren Resten, die zusätzlich mit Kohlenasche vermischt und zerstampft wurden.

Obwohl die Elbe ganz in der Nähe von Schönebeck fließt, streute man die Asche aber nicht hier ins Wasser. Stattdessen fuhren drei Soldaten rund 20 Kilometer bis nach Biederitz; westlich dieses kleinen Ortes führt eine Brücke über die Ehle, einen kleinen Nebenfluss der Elbe. An dem Bauwerk mit dem markanten Namen Schweinebrücke wurden die Reste des Ehepaars Hitler und der Familie Goebbels ins Wasser gekippt.

Warum an dieser Brücke? Kannten die Rotarmisten oder ihr Offizier ihren Namen, wollten sie ein letztes Zeichen der Verachtung setzen? Niemand weiß es mit Sicherheit. Die Vollzugsmeldung, die noch am selben Sonntag nach Moskau abging, enthielt darüber kein Wort.




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