Könnte das neue Coronavirus eine Pandemie auslösen?

  26 Februar 2025    Gelesen: 81
  Könnte das neue Coronavirus eine Pandemie auslösen?

Wissenschaftler in Wuhan entdecken ein neues Coronavirus in Fledermäusen. Das Besorgniserregende: Der Errger nutzt das gleiche Zelloberflächenprotein wie SARS-CoV-2. Experten warnen vor Panikmache, betonen aber die Notwendigkeit zur Wachsamkeit. Wie gefährlich ist HKU5-CoV-2 wirklich?

Eine neue Studie aus China sorgt für Aufregung, denn sie weckt schlimme Erinnerungen: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Wuhan Institute of Virology entdecken ein neues Coronavirus namens HKU5-CoV-2 in Fledermäusen. Bedenklich ist vor allem, dass das Virus dasselbe Zelloberflächenprotein nutzt, um in menschliche Zellen einzudringen. Dieser ACE2-Rezeptor spielte in der Pandemie eine entscheidende Rolle bei der Virusausbreitung. Die Studienautoren fürchten nun, dass auch HKU5-CoV-2 eines Tages auf den Menschen überspringen könnte. Doch wie hoch ist die Gefahr tatsächlich? Könnte das Virus eine neue Pandemie auslösen?

Laboranalysen ergaben, dass HKU5-CoV-2 mit dem MERS-Virus (Middle East Respiratory Syndrome) verwandt ist - beide Erreger gehören der Untergattung der Merbecoviren an. Die schwere Atemwegserkrankung MERS trat erstmals 2012 in Saudi-Arabien auf und weist eine hohe Sterblichkeitsrate auf. Bis zu 36 Prozent der Fälle enden laut der Weltgesundheitsorganisation tödlich. Obwohl HKU5-CoV-2 genetisch mit MERS verwandt ist, ist noch unklar, ob es beim Menschen ebenfalls schwere Krankheiten auslösen kann.

Fest steht aber: "Fledermaus-Merbecoviren, die phylogenetisch mit MERS-CoV verwandt sind, stellen ein hohes Risiko dar, auf den Menschen überzuspringen, entweder durch direkte Übertragung oder durch Zwischenwirte", heißt es in der Studie. Trotz seines Potenzials, menschliche Zellen zu infizieren, betont das Forschungsteam aber auch, dass HKU5-CoV-2 bei der Übertragung auf den Menschen nicht so effizient zu sein scheint wie SARS-CoV-2. Daher kommen sie in ihrer Studie zu dem Schluss, dass HKU5-CoV-2 zwar "das menschliche ACE2 effizient nutzt", das tatsächliche Risiko für die menschliche Bevölkerung jedoch "nicht übertrieben werden sollte".

Kein Grund zur Panik

Auch Michael Osterholm ist der Meinung, dass die Gefahr durch HKU5-CoV-2 aktuell gering sei. Der Experte für Infektionskrankheiten an der University of Minnesota warnt vor Panikmache. Gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters sagte er, die Menschen wiesen im Vergleich zu 2019 eine hohe Immunität gegen ähnliche SARS-Viren auf.

David Heymann von der London School of Hygiene & Tropical Medicine (LSHTM) mahnte derweil zur Besonnenheit, aber auch Wachsamkeit. "Neu identifizierte Viren bei Tieren, wie HKU5-CoV-2, erinnern uns daran, dass wir wachsam bleiben und die Menschen über potenzielle Krankheitsgefahren informieren müssen, ohne zu suggerieren, dass jedes neue Virus zu einer neuen Pandemie beim Menschen führen könnte", sagt er laut einer Mitteilung. "Es ist nicht möglich vorherzusagen, wann und wo ein neues Virus oder eine Mutation eines bestehenden Virus auftreten wird oder wie schädlich es für den Menschen sein könnte."

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Wuhan wollen nun untersuchen, welche Rolle Zwischenwirte in der Übertragung von HKU5-CoV-2 auf den Menschen spielen könnten. Vor allem Fledermäuse waren bei früheren Coronaviren die entscheidende Verbindungsstelle. So sprang SARS-CoV-1, das 2003 den SARS-Ausbruch auslöste, wahrscheinlich von Fledermäusen auf Zibetkatzen über, bevor es Menschen infizierte. MERS-CoV sprang vermutlich von Fledermäusen auf Kamele und dann auf Menschen über.

Viren entwickeln sich ständig weiter

Auch wenn HKU5-CoV-2 derzeit noch keine große Bedrohung darstellt, betonen Expertinnen und Experten die Bedeutung einer kontinuierlichen Überwachung. Viren entwickeln sich ständig weiter - was heute noch relativ harmlos erscheint, könnte in Zukunft ansteckender und gefährlicher werden. Denn auch HKU5-CoV-2 sei an sich nicht "neu oder neu entdeckt", sagte Virologe Timo Ulrichs dem "Focus". Man wisse bereits seit 2006 von seiner Existenz. "Aber nun konnte nachgewiesen werden, dass sich das Virus verändert hat und mit seinen Oberflächenmolekülen auch menschliche Strukturen erkennen kann."

Sollten sich tatsächlich Menschen infizieren, gibt es dank der Corona-Pandemie bereits mögliche Behandlungsmethoden. Monoklonale Antikörper und antivirale Mittel, die zur Behandlung von Covid-19 eingesetzt wurden, könnten auch gegen HKU5-CoV-2 wirksam sein, heißt es in der Studie. So scheinen unter anderem Medikamente wie Remdesivir und Nirmatrelvir zumindest im Reagenzglas gegen das Virus zu wirken.

Dass irgendwann eine neue Pandemie kommen könnte, darin sind sich die meisten Experten einig. Vor allem Zoonosen, also von Tier zu Mensch übertragbare Infektionskrankheiten, zählen als potenzielle Auslöser. "Deshalb ist es wichtig, mehr in Zoonoseforschung zu investieren, damit wir uns besser auf eine mögliche neue Pandemie mit einem Erreger aus dem Tierreservoir vorbereiten können", sagt Virologe Ulrichs.

"Es ist auch wichtig, dass wir über sichere Labore mit strengen und gut kontrollierten Biosicherheitsmaßnahmen verfügen", betont Infektiologe Heymann. Das Wuhan Institute of Virology stand im Mittelpunkt einer Kontroverse über Theorien, wonach Covid-19 Folge eines Laborunfalls war. Eine Behauptung, die China bis heute konsequent bestreitet. Die meisten Experten gehen davon aus, dass das Virus auf einem Wildtiermarkt von Tieren auf den Menschen übersprang. Doch unabhängig von ihrem Ursprung hat die Pandemie gezeigt, wie wichtig eine frühzeitige Erkennung und Bekämpfung eines neuen Erregers ist.

Quelle: ntv.de


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