Regenmacher in der Wüste

  01 Mai 2016    Gelesen: 759
Regenmacher in der Wüste
Deutsche Meteorologen nehmen sich arabische Wolken vor
Das Dilemma seiner Arbeit erklärt Volker Wulfmeyer gern mit dem Witz von dem Mann, der an einer Straße steht und regelmäßig in die Hände klatscht. "Warum machen Sie das?", fragt ein Passant. "Um die Elefanten zu vertreiben", sagt der Mann. "Funktioniert das denn?", will der Passant wissen. "Aber sicher", antwortet der Mann, "oder sehen Sie hier irgendwo einen Elefanten?"

So ähnlich, meint der Meteorologe Wulfmeyer, sei es auch mit den Versuchen, künstlich Regen zu erzeugen. Seit gut 70 Jahren versuchen das Forscher zehntausendfach, etwa indem sie Wolken mit winzigen Kristallisationskeimen impfen. Wenn es aber am Ende tatsächlich regnet, ist nie klar, ob das an dem technischen Eingriff lag – oder ob der Regen sowieso gefallen wäre.

Es sei eben nicht möglich, ein sogenanntes Zwillingsexperiment durchzuführen, das zwei identische Wetterlagen einmal mit und einmal ohne Intervention vergleicht, erklärt der Leiter des Instituts für Physik und Meteorologie an der Universität Hohenheim. Denn die Abläufe in der Atmosphäre seien so komplex, dass sich Wetterlagen nie exakt wiederholten.

Wulfmeyers Spezialgebiet ist die Simulation der Atmosphäre. Mit einem Computermodell will er nun das Regenmacher-Dilemma lösen. Dieses soll die atmosphärischen Verhältnisse über dem Hadschar-Gebirge in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) simulieren. Dafür hat Wulfmeyer kürzlich einen der drei mit insgesamt fünf Millionen Dollar dotierten Preise gewonnen, die das Nationale Zentrum für Meteorologie des Wüstenstaats jedes Jahr für Forschungsarbeiten zur Steigerung des Niederschlags auslobt.

Die Arabischen Emirate sind eines der trockensten Länder der Welt, gleichzeitig halten sie den Weltrekord beim Wasserverbrauch. Der Grundwasserspiegel sinkt Jahr für Jahr um einen halben Zentimeter. Schon lange suchen die VAE deshalb nach neuen Wasserquellen, seit 1990 experimentieren sie mit der Wolkenimpfung. Man hoffe, dass in Zukunft "künstlich verstärkter Regen zu einem umfassenden Konzept sicherer Wasserversorgung" in dem Land beitragen soll, hieß es bei der Auslobung des Forschungspreises.

Schon heute steigen regelmäßig Flugzeuge vom Flughafen Al-Ain auf und sprühen aus kanonenartigen Düsen kleinste Partikel verschiedener Salze unter Wolken, die über der staubtrockenen Wüste heranziehen – immer in der Hoffnung, dass die Salzkristalle in den Wolken zum Nährboden für Tropfen werden, die dann als Regen zu Boden fallen. Ob und wie das funktioniert, soll nun systematisch untersucht werden.

Mit Radar- und Lidar-Messgeräten wollen Wulfmeyer und zwei Kollegen die Strömungen in der Wüstenluft unter die Lupe nehmen und mit den Daten ein Computermodell füttern, das das Wettergeschehen mit sehr hoher Auflösung simuliert. Es soll zeigen, unter welchen Voraussetzungen sich überhaupt Wolken bilden – und wann der beste Zeitpunkt ist, sie zum Abregnen zu bringen. Womöglich, so Wulfmeyers Verdacht, ist der nämlich bereits gekommen, bevor überhaupt eine Wolke zu sehen ist.

Weitere Preisträger sind der japanische Meteorologe Masataka Murakami – er arbeitet an einer Sensortechnik, die jene Wolken erkennen soll, die sich für eine Impfung eignen – sowie die einheimische Chemikerin Linda Zou aus Masdar. Sie will untersuchen, ob hygroskopisch optimierte Nanopartikel besser für das Wolkenimpfen geeignet sind als die bislang eingesetzten Kalium-, Natrium- oder Kalziumchloridsalze.

Einmal angenommen, die Forschung hätte Erfolg: Fühlen sich dann nicht die Nachbarländer der Emirate um ihren Niederschlag betrogen? Volker Wulfmeyer winkt ab. Ein künstlich ausgelöster Platzregen hätte nur minimale Auswirkungen auf andere Regionen. "Sogar ein 100 Kilometer langes und 20 Kilometer breites Regengebiet, das im Hadschar-Gebirge bereits zu Überschwemmungen führt, würde den gesamten Wassergehalt der Atmosphäre über den Emiraten nur um 1,2 Prozent senken", versichert der Physiker.

Doch zunächst einmal muss sich zeigen, ob das Regenmachen überhaupt funktioniert – oder ob Wulfmeyer am Ende doch wieder den Elefantenwitz erzählen muss.

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