Aleppo wird sturmreif geschossen

  02 Mai 2016    Gelesen: 898
Aleppo wird sturmreif geschossen
Weitere Krankenhäuser liegen in Schutt und Asche, neue Bomben fallen auf Aleppo. Die Diplomatie kann an der provokanten Offensive des Assad-Regimes wenig ändern.
Wieder fallen Bomben auf Aleppo, wieder sterben Hunderte Menschen. Allein in den vergangenen acht Tagen flog das Assad-Militär 30 Lufteinsätze, die Rebellen antworteten mit zahlreichen schweren Artillerieangriffen. 246 Menschen wurden getötet, 150 durch Regimebomben und 96 durch Rebellengranaten. Vier weitere Krankenhäuser liegen in Schutt und Asche – und wer von den Bewohnern kann, nutzt die Nächte zur Flucht in Richtung Türkei.

Zum ersten Mal seit Beginn des Bürgerkrieges sind alle Schulen und Moscheen geschlossen und fiel das Freitagsgebet aus. Viele orthodoxe Christen im Westen der Stadt wagten sich am Sonntag nicht in den Ostergottesdienst. "Die Lage ist unerträglich geworden. Es geht absolut nichts mehr", zitierte AFP einen Bewohner. Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen arbeiten jetzt nur noch 40 Mediziner im von Rebellen kontrollierten Ostteil.

US-Außenminister John Kerry telefonierte mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow und eilte am Sonntag nach Genf, um mit UN-Vermittler Staffan de Mistura sowie den Außenministern von Jordanien und Saudi-Arabien zu beraten. Die diplomatische Blitzaktion kann nicht verdecken, dass die Vereinigten Staaten gegen die provokante Offensive des Assad-Regimes in Aleppo wenig in der Hand haben.

Seit letztem Donnerstag versucht die syrische Luftwaffe, die von Rebellen gehaltenen Viertel sturmreif zu schießen, während sich Russland zunächst weigerte, anders als an den Fronten nahe Damaskus und in der Provinz Latakia, Assads Generälen in den Arm zu fallen. Erst am späten Sonntag gab ein Sprecher in Moskau bekannt, zu Aleppo würden nun doch intensive Gespräche geführt, um die Feuerpause wieder zu befestigen.

Aleppo ist für Assad strategisch wichtig

Das Regime dagegen will auf dem Schlachtfeld neue Fakten schaffen, ohne in Genf bisher ernsthaft zu verhandeln. Es sei an der Zeit, "die entscheidende Schlacht zur Befreiung von Aleppo zu beginnen", tönte letzte Woche die Zeitung Al-Watan. Der Angriff werde bald starten und nicht lange dauern, schrieb das Blatt. Der Fall des Ostteils wäre ein schwerer Schlag für die Opposition.

Dann wären mit Aleppo und Damaskus beide Metropolen wieder in der Hand des Diktators. Ein solcher strategischer Sieg könnte die Machtverhältnisse so weit in Richtung Regime verschieben, dass sich in Genf gegen Baschar al-Assad keine wirklich neue Übergangsregierung mit der Beteiligung aller Rebellengruppen mehr durchsetzen ließe.

Empört forderte Katar einen Krisengipfel der Arabischen Liga. Saudi-Arabien und die Golfstaaten könnten die neuerliche Eskalation der Assad-Seite, die gegen die Vereinbarung der Internationalen Syrien-Unterstützungsgruppe und gegen die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates verstößt, mit der Lieferung von Boden-Luft-Raketen gegen die syrischen und russischen Kampfjets beantworten – eine weitere gefährliche Eskalation.

Unterdessen gingen am Wochenende die Hilfstransporte der Vereinten Nationen, des Internationalen Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds in die von Regime oder Rebellen umzingelten Hungerenklaven weiter. Konvois mit Lebensmittelpaketen und Medikamenten für rund 60.000 Personen erreichten die Bergstädte Madaya und Zabadani nahe Damaskus sowie die Dörfer Foua und Kfarya südwestlich von Aleppo.

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