Schnell naht die Sepia im flachen Wasser. Kurz vor ihrer Beute, einer Krabbe, bremst sie ab - und schnappt dann das Krebstier blitzschnell mit ihren zwei langen Tentakeln. Unheimlich wirkt: Beim Nähern lässt der Räuber dunkle Bänder von oben nach unten über einen Teil seines Körpers laufen.
Dass die zu den Tintenfischen zählenden Sepien (Sepiida) Meister der Tarnung sind, ist bekannt. Das liegt insbesondere an ihren Chromatophoren - Pigmentzellen, mit denen die Meeresbewohner schnell ihre Farbe ändern oder sogar Farbbänder über den Körper laufen lassen. Wie jedoch die Breitarm-Sepia (Sepia latimanus) bei der Krabbenjagd vorgeht, sorgt selbst bei Meeresbiologen für Erstaunen.
Dunkle Bänder laufen von oben nach unten über Kopf und Arme
"Sepien können über die neuronale Feinkontrolle der Chromatophoren dynamisch zwischen verschiedenen Hautmustern wechseln", schreibt die Gruppe um Matteo Santon von der Universität Bristol im Fachjournal "Science Advances". Diese Fähigkeit könnten sie je nach Anforderung verändern. Demnach passt etwa der Gewöhnliche Tintenfisch (Sepia officinalis), der auch in der Nordsee und im Mittelmeer lebt, beim Schwimmen seine Farbmuster an den jeweiligen natürlichen Hintergrund an.
Die Tarnung der Breitarm-Sepia, die in Korallenriffen im Indischen und Pazifischen Ozean lebt, ist noch wesentlich ausgefeilter. "Während sie sich ihrer Krabbenbeute nähert, ändert diese Sepia-Art das Aussehen ihres Kopfes zu einer einheitlich weißen Farbe, streckt sechs ihrer Arme zu einem schmalen Kegel nach vorn, während sie die verbleibenden zwei Arme seitwärts ausstreckt, sodass ihre breiten, flachen Oberflächen vorwärts zeigen", schreibt die Forschungsgruppe.
Zudem lässt das Tier kontrastreiche dunkle Streifen schnell von oben nach unten über Kopf und Arme laufen. Damit sorgt sie bei Gemeinen Strandkrabben (Carcinus maenas), die ohnehin nicht über ein gutes Sehvermögen verfügen, offenbar für beträchtliche Verwirrung.
Jagd in zwei Phasen
Laborversuche bestätigten, dass diese Krabben auf sich derart bewegende Streifenmuster schwächer reagieren als auf andere Färbungen - etwa auf ein statisches Streifenmuster.
Damit nicht genug: Filmaufnahmen von 28 Jagdmanövern zeigten, dass die Sepien beim Annähern an ihre Beute zwischen zwei Phasen wechseln: Anfangs nähern sie sich schnell, aber vor dem letzten Meter bremsen sie deutlich ab - und wechseln die Färbung hin zu den abwärts laufenden Streifen. Und deren Bewegung hängt von der Geschwindigkeit ab: Je langsamer die Tiere werden, desto langsamer fließen die Streifenmuster über ihren Körper.
Als weiteres Element machen die Forscher eine Art Überraschungseffekt aus: Demnach überlagern die abwärts laufenden Streifenmuster die Bewegungen der sich nähernden Sepien. Zudem verdecken die beiden seitwärts ausgebreiteten Tentakel - aus der Perspektive der Beute - die Bewegungen des Flossensaums, der den Mantel der Tiere umgibt. Sind die Jäger einmal in Reichweite, ist es für die arglose Beute zu spät: Blitzschnell schießen die längeren Tentakel nach vorn und packen die Krabbe.
Eine solche Tarnstrategie sei noch nie zuvor im Tierreich beschrieben worden, schreibt die Gruppe. "Tarnung wurde vor allem als eine Anpassung von Beutetieren untersucht, um ihre Entdeckung durch Räuber zu erschweren", wird Santon in einer Mitteilung seiner Universität zitiert.
Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa
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