Finanzwissen der Europäer: Größtes Defizit bei Zinseszins

  02 Mai 2016    Gelesen: 530
Finanzwissen der Europäer: Größtes Defizit bei Zinseszins
Wie Risiko und Ertrag zusammenhängen, das weiß ein Großteil der europäischen Bevölkerung. Die Fitness der Europäer in Finanzfragen ist jedoch ausbaufähig.
Der Wohlfahrtsstaat erodiert, der Aufschwung lässt auf sich warten, und gleichzeitig werden die Sparer durch die Niedrigzinspolitik der Notenbanken enteignet. Sein Geld zu vermehren, ist in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden.

Um seine finanzielle Zukunft dennoch abzusichern, muss man das nötige Rüstzeug mit auf den Weg bekommen. Entsprechendes Know-how ist also gefragt, wie die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) findet. Sie hat sich kürzlich angesehen, wie es um die Finanzbildung der Europäer bestellt ist. Dabei kommt sie zu folgendem Ergebnis: Während die meisten Europäer zwar noch grundsätzlich verstehen, was Zinsen sind, tut sich ein überwiegender Teil ziemlich schwer damit, Zinseszinsrechnungen anzustellen. Was Inflation ist, wussten immerhin 79 Prozent. Das bedeutet aber auch: Jeder Fünfte konnte den Terminus nicht zuordnen.

Wer einem Freund bis zum nächsten Tag 25 Dollar borgt und dann exakt denselben Betrag zurückerhält, hat keine Zinsen bekommen. Das konnten immerhin 86 Prozent der Österreicher (87 Prozent der Europäer) richtig beantworten. Am besten schnitten die Franzosen (94 Prozent) ab, in Polen wusste das rund jeder Vierte nicht.

Deutlich schlechter sieht es aus, wenn es darum geht auszurechnen, welchen Betrag ein Sparer für 100 Dollar bei einem Zinssatz von zwei Prozent nach einem Jahr erhält (ohne Gebühren und Steuern). Nicht einmal zwei Drittel der Europäer konnten dies korrekt beantworten. Hierzulande wussten die Antwort immerhin 68 Prozent, in Russland war es nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung. Einzig Norwegen, Estland und die Niederlande erreichten hier einen Wert von über 76 Prozent.

Das größte Defizit gab es europaweit bei der Zinseszinsrechnung. Nur knapp ein Drittel schaffte es, bei dem oben genannten Beispiel den richtigen Endbetrag nach fünf Jahren anzukreuzen („mehr als 110 Dollar“) – berechnen musste man die Summe nicht. Österreich lag mit 36 Prozent etwas über dem Schnitt. In Albanien konnten die Aufgabe nur 16 Prozent lösen, damit landete das Land abgeschlagen auf dem letzten Rang. Norwegen und die Niederlande schafften es auch bei dieser Aufgabe wieder an die Spitze. Doch auch dort machten 40 Prozent ihr Häkchen an der falschen Stelle.

Den Zusammenhang zwischen Risiko und Ertrag (höhere Zinsen bedeuten auch mehr Risiko) konnte immerhin die Mehrheit in Europa herstellen, das Konzept der Risikostreuung verstand der Großteil ebenfalls. Aber mehr als 30 Prozent der Bürger in Albanien, Österreich, Belgien und vielen anderen Staaten hatten dennoch Probleme.

Österreicher setzen langfristige Ziele

Neben dem Wissen der Bevölkerung hat sich die OECD (auf Basis von Daten des Eurobarometers) auch angesehen, welche Art von Finanzprodukten die Europäer besitzen.

So haben zwar mehr als 90 Prozent der Österreicher ein Bankkonto (in Bulgarien sind es nur 28 Prozent), skeptisch ist man hierzulande allerdings gegenüber Kreditkarten eingestellt. Zum Zeitpunkt der Befragung besaß nur ein Drittel der Bevölkerung eine solche. Eine Lebensversicherung besitzt hingegen rund jeder zweite Österreicher. In Griechenland ist es beispielsweise nur jeder Sechzehnte. Die Verbreitung von Investmentfonds ist hierzulande (mit rund acht Prozent) dafür kaum ausgeprägt, in Schweden besitzt immerhin rund jeder Dritte einen solchen. Damit liegt der skandinavische Staat aber weit vor allen anderen.

Während sich in Europa im Schnitt 57Prozent der Befragten als aktive Sparer bezeichneten, waren es in Österreich 69 Prozent. 65 Prozent der Bürger setzen hierzulande langfristige Finanzziele, in Polen macht das nur ein Drittel, in Europa knapp die Hälfte. Dafür betrachtet der überwiegende Teil der heimischen Bevölkerung sein Einkommen als ausreichend an, um die Lebenshaltungskosten zu decken. Nur 16 Prozent gaben mehr aus, als sie einnahmen. Europaweit sind es rund doppelt so viele, in Albanien und der Türkei konnte die Hälfte der Bevölkerung ihre Ausgaben in den vorangegangenen Monaten nicht decken. [ iStockphoto ]

AUF EINEN BLICK

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat sich angesehen, wie es um das Finanzwissen der Europäer bestellt ist. Erste Ergebnisse wurden in der Vorwoche präsentiert. Dabei zeigte sich, dass die Bildungslücken in den jeweiligen Gebieten relativ ähnlich sind – wobei es freilich Länderausschläge nach oben wie unten gibt. Was Zinsen sind, wussten 87 Prozent der Europäer, eine einfache Zinsberechnung schafften 62 Prozent. Bei Zinseszinsen tat sich die Bevölkerung schon schwerer. Nur 32 Prozent der Befragten konnten hier die richtige Antwort geben. 81 Prozent kannten den Zusammenhang zwischen Risiko und Ertrag, 79 Prozent kannten die Bedeutung von Inflation, 63 Prozent hatten verstanden, dass die Streuung von Vermögen von Vorteil sein kann.

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