Migranten sind trotzdem zufriedener

  04 Mai 2016    Gelesen: 636
Migranten sind trotzdem zufriedener
Jeder Fünfte in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, Tendenz steigend. Eine Studie zeigt, wie sehr der Faktor Einwanderung noch immer über Erfolg und Einkommen entscheidet. Die wichtigsten Statistiken über Migranten in Deutschland.
Wie unterscheiden sich Migranten und Deutsche? Wie zufrieden sind sie, wie gebildet? Und wie geht es eigentlich den alten Gastarbeitern? Alle zwei Jahre veröffentlichen Bundeszentrale für politische Bildung, Statistisches Bundesamt, das Wissenschaftszentrum Berlin und das Sozioökonomische Panel den "Datenreport", einen Sozialbericht über Deutschland. In der neuen Ausgabe liegt der Schwerpunkt auf dem Thema "Migration und Integration". Die Forscher widmen sich in ihren Studien vor allem den älteren Migranten in Deutschland. Die Ergebnisse könnten Aufschluss darüber geben, was man bei den neuen Einwanderern anders machen könne, sagt Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin.

Migranten vs. Deutsche

2014 lebten 16,4 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland - ein Fünftel der Gesamtbevölkerung. Jedes dritte Neugeborene hatt ein Elternteil mit ausländischen Wurzeln. Migranten sind im Durchschnitt jünger als Deutsche (35,4 Jahre/46,8 Jahre), es gibt mehr Ledige unter ihnen, mehr Menschen in Ausbildung und weniger im Rentenalter. Zuwanderer sind aber auch schlechter gebildet, häufiger erwerbslos, verdienen weniger und sind häufiger von Armut bedroht. Im Übrigen ist der Männeranteil bei Menschen mit Migrationshintergrund höher (50,2 Prozent) als bei denen ohne (48,9 Prozent).

Migranten verdienen weniger

Eine Person mit Migrationshintergrund verdient im Schnitt 234 Euro - also zehn Prozent - weniger Nettogehalt (2001 Euro) als eine Person ohne (2235 Euro). Menschen mit Wurzeln in den neuen EU-Mitgliedsstaaten verdienen mit 1789 Euro noch weniger, jene aus den Staaten vor der EU-Osterweiterung (EU-15) mit 2860 Euro sogar deutlich überdurchschnittlich.

Migranten sind schlechter ausgebildet

80 Prozent der Menschen ohne Migrationshintergrund waren 2014 erwerbstätig, bei Migranten nur 71 Prozent. Besonders gravierend ist der Unterschied bei Frauen. 37 Prozent aller Migrantinnen stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, bei Frauen ohne Migrationshintergrund sind es nur 24 Prozent. Das liegt auch daran, dass Menschen mit Einwanderungshintergrund im Schnitt schlechter ausgebildet sind. Gut ein Drittel der Migranten haben keinen berufsqualifizierenden Abschluss, bei der übrigen Bevölkerung sind es 9 Prozent. Von den Menschen aus den EU-15-Mitgliedsstaaten hat jeder Sechste keinen Abschluss. Die Ursachen sehen die Forscher nicht nur an den teilweise schlechteren Bedingungen in den Herkunftsländern. Die Transparenz des deutschen Bildungssystems sei niedrig, Einwanderer würden "häufig nicht abgeholt". Bei vergleichbaren Leistungen mit Gleichaltrigen gelinge die Überweisung an weiterführende Schulen weniger gut. "Migranten werden im Zugang diskriminiert", sagt Soziologin Allmendinger. Bemerkenswert ist jedoch: Je später die Zuwanderung nach Deutschland erfolgt, umso höher ist der Anteil derjenigen mit Abitur oder Hochschulabschluss. Unter den Migranten, die nach 2000 gekommen sind, gibt es sogar mehr Hochqualifizierte als bei der Bevölkerung ohne Migrationsabschluss. Das liegt aber auch am niedrigeren Durchschnittsalter der Migranten.

Düstere Prognose für Flüchtlinge

Wie gut gelingt die Integration anerkannter Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt? In Deutschland kamen 2015 im Schnitt elf Beschäftigte auf einen Arbeitslosen. Bei den anerkannten Flüchtlingen aus den Hauptherkunftsländern war die Quote deutlich schlechter. Unter syrischen Zuwanderern gab es mehr Arbeitslose als Beschäftigte, bei Irakern war das Verhältnis in etwa ausgeglichen. Insgesamt hat sich die Quote für die wichtigen Flüchtlingsgruppen in Deutschland seit 2011 deutlich verschlechtert. Von dem positiven Trend auf dem Arbeitsmarkt profitierten die anerkannten Flüchtlinge nicht. Warum ist die berufliche Situation für Flüchtlinge häufig so schwierig? "Es gibt oft zu wenig Wissen über Flüchtlinge, Abschlüsse werden nicht erfasst. Durch Flucht und Antragsdauer waren die Menschen oft lange nicht erwerbstätig", sagt Mareike Bünning vom Wissenschaftszentrum Berlin. Sie empfiehlt: Die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen müsse leichter werden. Auch eine effektivere Weiterqualifizierung könne helfen, die Migranten schneller in Arbeit zu bringen.

Migranten sind zufriedener als Deutsche

Menschen mit Migrationshintergrund haben im Schnitt weniger Einkommen, einen niedrigeren Lebensstandard und sind häufiger von Armut bedroht. Dennoch sind sie zufriedener als die Bevölkerung ohne Migrationshintergrund und blicken deutlich optimistischer in die Zukunft. Die Forscher führen dies darauf zurück, dass die Zuwanderer ihre Situation stark mit der in ihrem Herkunftsland vergleichen. Die meisten Migranten (80 Prozent) wollen dauerhaft in Deutschland bleiben, bei türkischen Migranten sind es etwas weniger (66 Prozent). 8 Prozent der Menschen mit Migrationshintergrund geben an, häufig wegen ihrer Herkunft benachteiligt zu werden. Unter den türkischen Migranten berichten dies sogar 18 Prozent. Bei dieser Migrantengruppe ist die Sorge vor Ausländerfeindlichkeit höher (29 Prozent) als im Schnitt (18 Prozent).

Die Gastarbeiter-Generation hat Probleme

In Deutschland lebten 2013 mehr als vier Millionen Migranten, die 50 Jahre und älter sind, viele von ihnen sind frühere Gastarbeiter. Unter diesen haben fast zwei Drittel keinen berufsqualifizierenden Abschluss, nur 50 Prozent von ihnen arbeiten noch. Das liegt vor allem an hohen Frühverrentungsraten wegen Erwerbsunfähigkeit. Knapp ein Viertel der 50- bis 64-Jährigen und gut ein Drittel der über 65-Jährigen sind armutsgefährdet – wesentlich mehr als unter gleichaltrigen Menschen ohne Migrationshintergrund. Von den 50-bis 64-Jährigen ohne Migrationshintergrund sind 11 Prozent armutsgefährdet, von den über 65-Jährigen 12 Prozent. Auch der Gesundheitszustand älterer Migranten ist schlechterer. Menschen mit Migrationshintergrund im Alter ab 45 Jahren sind häufiger krank als die Durchschnittsbevölkerung, sie sorgen sich auch stärker um die eigene Gesundheit. 37 Prozent der ehemaligen Gastarbeiter berichten von großen gesundheitlichen Sorgen, aber nur 23 Prozent der Älteren ohne Migrationshintergrund.

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