Die Münchner dürften das gelassen nehmen. Dass sich die seit Jahren immer neuen Bestwerte nicht endlos übertreffen lassen, war klar. Außerdem zeigt BMW noch nicht die Ermüdungserscheinungen wie Dauerverfolger Audi. Und der Premiumhersteller hat gegenüber allen Rivalen einen Vorteil, den man derzeit gar nicht groß genug gewichten kann: BMW hat kein Abgasproblem – als einziger der großen Autobauer überhaupt.
"Stand heute kommt der BMW-Konzern bei den Abgas-Diskussionen der letzten Monate deutlich besser davon als die anderen deutschen (Premium-) Hersteller. Es scheint, als träfe der Slogan ,Vorsprung durch Technik` mittlerweile am besten auf BMW zu", spottet Frank Schwope, Autoanalyst der NordLB.
Hintergrund ist der vor wenigen Tagen vorgelegte Bericht der Untersuchungskommission "Volkswagen" durch das Bundesverkehrsministerium und das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). Als Reaktion auf Dieselgate waren in Deutschland 53 Pkw-Modelle mit Dieselmotoren auf ihren Stickoxid-Ausstoß überprüft worden. Fazit: Bei 22 der Testwagen wird bezweifelt, dass die Abgasreinigung richtig funktioniert.
Rückrufe bei Mercedes, Opel, Audi, Porsche, VW
"Nur BMW ist nicht auffällig", hatte Verkehrsminister Alexander Dobrinth (CSU) erklärt. Kein anderer Hersteller hatte es geschafft, dass alle seine überprüften Autos in Gruppe eins gelistet werden: der Gruppe der unbelasteten Fahrzeuge. Bei allen anderen Herstellern gibt es zumindest einzelne Modelle, die entweder unerklärbar hohe Stickoxidwerte (NOx) haben und eine Erklärung dafür nachliefern müssen. Oder die gleich dazu vergattert wurden, einen Rückruf anzuordnen.
Namhafte Autobauer, darunter Mercedes, Opel, Audi, Porsche und erneut VW, müssen insgesamt 630.000 Autos in die Werkstätten rufen. Nur BMW nicht. Da stellt sich die Frage, warum die Münchner so sauber sind – sauberer als alle anderen. Darauf gibt es zwei Antworten.
Aber um es vorweg zu nehmen: Auch die Autos von BMW verfügen über die berühmten Abschalteinrichtungen, sie haben ebenfalls die skeptisch beäugten "Thermofenster". Auch die Test-BMWs blasen mehr Stickoxid in die Luft, als sie sollten, sie überschreiten zum Teil deutlich die Grenzwerte.
"Im Grunde schummeln alle in der Branche, nur manche haben eine Erklärung dafür", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Im Fall BMW heißt es dazu im Untersuchungsbericht, die Autos hätten ein "unauffälliges Verhalten gezeigt" oder "gewisse Auffälligkeiten in der Höhe der NOx-Werte, die technisch plausibel und akzeptabel dargestellt" werden können. Fazit: In den Augen der Untersuchungskommission ist BMW kein Gesetzesbrecher.
BMW beruft sich auf den "Bauteilschutz"
Tatsächlich aber ist die Schadstoffbilanz der drei getesteten BMWs nicht gerade brillant. Der 320er mit 2,0-Liter-Maschine stieß bei der Fahrt auf der Straße mit einem mobilen Messgerät an Bord "Werte um den doppelten Grenzwert" aus.
Beim BMW 216 mit 1,6-Liter-Maschine wurde im Standardtest auf dem Prüfstand "eine deutliche Erhöhung" der Messwerte festgestellt. Der BMW 530 mit 3,0-Liter-Motor zeigte beim Standardtest auf der Rolle (warm) ebenfalls "deutliche Erhöhungen, der Messwert liegt beim 3-fachen des Grenzwertes".
Nur: All das ist legal. BMW kann die Werte durch den "Bauteilschutz" begründen. Die Abschaltung der Abgasreinigung kann erlaubt sein, wenn dadurch die Motoren vor Schäden bewahrt werden, zum Beispiel wenn es kalt ist. Und drittens: Mit den ergebenen Grenzwertüberschreitungen liegen die Münchner meilenweit besser als die anderen Hersteller.
Das liegt zum einen Teil an der Art der Motoren, die BMW einbaut. Die Münchner setzen stark auf sogenannte Längsmotoren. Dabei wird der Abgasstrom am Aggregat entlang geleitet. Dadurch wird das gesamte Abgasreinigungsanlage erwärmt. Die Abschalteinrichtungen, die die Arbeit der Abgasreinigung stoppen, lösen schneller ihre Blockade. Die Technik zur Filterung von Schadstoffen springt daher schnell an, als bei vielen Modellen mit Quermotoren. Aber die Motorart ist nur eine Erklärung.
Abgasreinigungsanlage ist wie ein kleines Chemiewerk
Entscheidend dürfte sein, dass BMW ein Premiumhersteller ist, der sich eine deutlich aufwendigere und leistungsstärkere Abgasreinigungsanlage leisten kann, als Massenhersteller – denn die Münchner können die Kosten dafür über höhere Preise an die Kunden weitergeben.
"Premiumhersteller können generell einen höheren Entwicklungsaufwand betreiben und innovativere Technologien entwickeln, auch bei den Abgasreinigungssystemen. Sie bekommen die Ausgabe über die höheren Margen im Geschäft mit Oberklassefahrzeugen schneller wieder rein, als Volumenhersteller", sagt Autoexperte Stefan Bratzel.
Die Abgasanlagen moderner Autos ähneln heute kleinen Chemiewerken. Wie gut sie arbeiten ist maßgeblich davon abhängig, mit welchem Aufwand sie entwickelt wurden. "Und davon, welche Materialen oder technischen Lösungen gewählt wurden", sagt Bratzel. "Premiumhersteller können da generell einen höheren Aufwand treiben und leistungsfähigere Technologien in die Fahrzeuge integrieren, denn die Kunden sind bei Autos in diese Segment dafür bereit, zu bezahlen."
Das könnte erklären, warum BMW besser ist als das Gros der Hersteller – ist aber keine Begründung für den Vorsprung gegenüber Mercedes. Audi ist bei der Entwicklung eng mit dem Mutterkonzern Volkswagen verzahnt, das ist der Grund dafür, warum die Ingolstädter nicht nur bei Dieselgate am Pranger stehen, sondern auch von KBA und Bundesverkehrsministerium zu einem Rückruf von Dieselfahrzeugen aufgefordert wurden.
Mercedes nutzt bei kleineren Wagen Renault-Motoren
Das im Vergleich zu BMW schwache Abschneiden von Mercedes ist dagegen ein Rätsel – allerdings nur auf den ersten Blick. "Mercedes verwendet gerade bei den kleineren Baureihen Motoren, die von Renault entwickelt wurden. Das kann eine Erklärung dafür sein, warum die Schwaben bei den Abgaswerten schlechtere Werte haben", sagt Dudenhöffer. Allerdings stand Mercedes zuletzt wegen der Stickoxid-Emissionen der C-Klasse in der Kritik. Und die Motoren für dieses wichtige Modell kommen nicht von den Franzosen.
BMW erklärt die vergleichsweise guten Werte bei der Abgasreinigung mit einer Kombination von Stickstoff-Speicherkatalysatoren und dem Einspritzen von Harnstofflösung in den Abgasstrom (Handelsname AdBlue; SCR-Technologie), die das Stickoxid umwandelt.
"Ebenso wichtig ist es aber, dass die Motoren insgesamt möglichst effizient arbeiten und wenig Schadstoffe ausstoßen. Und dabei haben wir ein sehr gutes Niveau", sagt ein BMW-Sprecher. Entscheidend dafür sei die Grundauslegung des Motors und mit welchem Aufwand die Einspritz- oder Turbotechnik entwickelt worden sei.
Bauteilschutz nach Artikel 3 EG-Vorordnung rechtens?
Grundsätzlich nutzen alle überprüften Hersteller die sogenannten Abschalteinrichtungen. Mit Ausnahme Volkswagens hat aber keiner der Autobauer eine Version programmiert, die Prüfsituationen erkennen und entsprechend die Abgasreinigung zu- oder abschalten kann, um den Schadstoffausstoß zu steuern.
Die Konkurrenten von Volkswagen berufen sich für ihre Abschalteinrichtungen auf den Bauteilschutz – und ob das rechtens ist, wird bei 22 Marken derzeit untersucht. "Ganz offensichtlich wird der entsprechende Artikel 3 der EG-Vorordnung sehr unterschiedlich ausgelegt. Das werden wir durch eine Änderungen korrigieren müssen", sagte Dobrindt.
Ihm ist der Artikel 3 der Brüsseler Verordnung auch ein Dorn im Auge, weil sich mit seiner Hilfe "jene Hersteller erfolgreich auf den Bauteilschutz berufen können, die die rückständigste Technik haben", so Dobrindt. Kurz gesagt: Je schlechter ein Motor ist, desto mehr muss man ihn in der Kaltphase schützen – und damit die Abgasreinigung abschalten. BMW beruft sich sehr erfolgreich auf den Bauteilschutz. Dass der Minister mit seiner Bemerkung auf den Münchener Hersteller angespielt hat, kann man getrost ausschließen.
Quelle : welt.de
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