Davutoglu hatte Erdogan am Mittwochabend getroffen und mehr als anderthalb Stunden mit ihm gesprochen. Türkische Kommentatoren rechneten damit, dass Davutoglu wegen eines verlorenen Machtkampfs mit dem Präsidenten zurücktritt. Erst vergangenen Woche hatte die Führung der islamisch-konservativen AKP Davutoglus Befugnisse eingeschränkt, was Kolumnisten und Oppositionspolitiker als Schlag gegen den Regierungschef und Parteivorsitzenden werteten.
Streit um Präsidialsystem
Laut dem Sender CNN Türk soll der außerordentliche Parteikongress voraussichtlich Ende Mai oder Anfang Juni stattfinden. Das genaue Datum werde noch bekanntgegeben. Türkischen Medien zufolge dürfte Davutoglu auf dem Kongress sowohl sein Amt als Ministerpräsident als auch das des Parteichefs niederlegen.
Der 57-Jährige hatte beide Posten von Erdogan übernommen, nachdem dieser im Sommer 2014 vom Volk zum Staatspräsident gewählt worden war. Die beiden Politiker liegen laut Medienberichten unter anderem wegen einer geplanten Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems im Clinch. Die Änderung würde Erdogan als Staatsoberhaupt mehr Macht verleihen. Um ein Verfassungsreferendum über das Präsidialsystem abzuhalten, benötigt die AKP eine 60-Prozent-Mehrheit im Parlament. Dazu fehlen der Partei zurzeit 13 Abgeordnetensitze.
"Bekräftigung der Diktatur in der Türkei"
Der türkische Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu befürchtet im Falle eines Wechsels im Amt des Regierungschefs eine Ausweitung der Macht von Erdogan. Davutoglus Rücktritt würde zu einer "Bekräftigung der Diktatur in der Türkei" führen, sagte Kilicdaroglu. "Erdogan möchte einen Ministerpräsidenten, der ihm zu hundert Prozent gehorcht."
Kilicdaroglu, Chef der Mitte-Links-Partei CHP, sagte weiter, Erdogan habe immer wieder Druck auf Davutoglu ausgeübt und nie gewollt, dass der Regierungschef "außerhalb des Willens des Staatspräsidenten agiert". Eine Zustimmung seiner Partei zu dem von Erdogan und der AKP angestrebten Präsidialsystem schloss Kilicdaroglu kategorisch aus. "Wir akzeptieren kein Präsidialsystem, unter keinen Bedingungen." Erdogan sei für ihn schon jetzt "ein Diktator".
Laut der Nachrichtenagentur Anadolu hatte Davutoglu bereits am Dienstag angedeutet, dass er nicht um jeden Preis an seinem Amt festhalten werde. Er werde eher sein "Ego mit Füßen treten", als dem Wohle der Partei zuwiderzuhandeln, sagte er demnach bei einer Rede in Ankara. Als mögliche Nachfolger werden laut der Zeitung "Cumhuriyet" Verkehrsminister Binali Yildirim und Erdogans Schwiegersohn - Energieminister Berat Albayrak - gehandelt.
Quelle: n-tv.de
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