Aus für 500-Euroschein: Bares bleibt Wahres

  05 Mai 2016    Gelesen: 503
Aus für 500-Euroschein: Bares bleibt Wahres
Der 500-Euroschein wird nicht weiter produziert. Sollte man jetzt Bargeld gleich ganz abschaffen? Drei Interessengruppen sind dafür. Doch ihre Argumente überzeugen nicht.
Der Gouverneursrat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat beschlossen, die Produktion des 500-Euroscheins einzustellen. Wer nun glaubt, dass die Eurozone sich vom Bargeld verabschiedet, irrt. Das belegen zum einen die Begleitmaßnahmen, die ebenfalls verabschiedet wurden. Zum anderen können die Argumente des Anti-Bargeld-Kartells einer genaueren Überprüfung nicht standhalten. Für den Euroraum gilt daher: Bares bleibt Wahres.

Aber der Reihe nach. Mit dem Beschluss vom 4. Mai trägt der EZB-Rat einer weit verbreiteten Meinung Rechnung, dass die höchste Stückelung der Euronoten rechtswidrige Aktivitäten begünstigt. Zugleich wurden aber auch Vorkehrungen getroffen, die Bargeldversorgung in gleichem Umfang über mehr kleinere Scheine sicherzustellen (100er und 200er). Außerdem wird die Ausgabe der bereits gedruckten Scheine erst gegen Ende 2018 eingestellt. Schließlich behalten die 500er-Scheine ihren Status als gesetzliches Zahlungsmittel und können auf ewig bei den Zentralbanken eingetauscht werden. Der Sparstrumpf des rechtschaffenen Bürgers wird also nicht wertlos, selbst wenn er ausschließlich mit 500-Euroscheinen gefüllt ist.
Die Entscheidung ist in einem Umfeld gefällt worden, in dem Bargeld per se kritisch hinterfragt wird. Die Argumente der Bargeldgegner können jedoch nicht überzeugen. Ich unterscheide hier drei Lager: das der Alchemisten, die Finanz-Tech-Allianz sowie das Recht-und-Ordnung-Lager.

Die Wirkung negativer Zinsen wird womöglich überschätzt

Für die Alchemisten stellt Bargeld eine störende Hürde dar, da es verhindert, die Leitzinsen tief in den negativen Bereich abzusenken, um die wirtschaftliche Aktivität anzukurbeln. Denn über die Flucht ins Bargeld können Haushalte und Firmen der nominalen Entwertung ihrer Bankeinlagen entgehen. Lieber halten sie eine endlos laufende Nullzinsanleihe der Zentralbank - und nichts anderes ist eine Banknote -, bevor sie selbst Zinsen auf ihr Giralgeld entrichten.

Dennoch können einige westliche Zentralbanken mit negativen Zinsen operieren. Das liegt daran, dass die Geschäftsbanken einen moderaten Negativzins ungern an ihre Privatkunden weitergeben und die Kosten für das Horten und Bearbeiten von Bargeld scheuen. Somit liegt die Zinsuntergrenze in bankfinanzierten Wirtschaftsräumen zwar nicht bei null. Aber ab einem bestimmten - unbekannten und nicht für alle Geschäftsbanken zwingend gleichen - Niveau im negativen Bereich würde es auch für die Geschäftsbanken günstiger, Bargeld zu horten, statt es bei der Notenbank anzulegen.

Ohne Bargeld - so die Alchemisten - könnte die Zentralbank mit immer niedrigeren negativen Zinsen die Wirtschaft zusätzlich stimulieren. Allerdings greift diese Logik zu kurz.

Sie ignoriert zum einen die Nebenwirkungen exzessiv negativer Zinsen: Bereits jetzt klagen Banken, Geldmarktfonds und Versicherer über den Druck auf Margen sowie ganze Geschäftsmodelle.

Zum zweiten wird die Effektivität negativer Zinsen womöglich überschätzt. Eine Wirkung im Sinne von "mehr hilft mehr" ist keinesfalls gegeben. Menschen reagieren nicht immer linear auf veränderte Rahmenbedingungen; sie können ihr Verhalten anpassen. Wenn etwa Sparer fürchten, ihr Geldvermögen wird immer mehr belastet, nimmt ihre Sparneigung womöglich zu statt ab, weil sie so das gleiche Niveau an Alterssicherung zu erreichen suchen.

Zum dritten sollte man den Erfindergeist der Bürger nicht unterschätzen. Selbst wenn die Zentralbank kein werthaltiges Bargeld bereitstellt, suchen die Leute Ersatz. In Nachkriegszeiten übernahmen etwa Zigaretten die Zahlungsmittel- und Edelmetalle die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes.

Die Kreditwirtschaft will Kosten sparen

Auch der Finanz-Tech-Allianz ist Bargeld ein unliebsamer Konkurrent. Für die Kreditwirtschaft stellen Lagerung, Bearbeitung, Transport, Ausgabe am Schalter oder Automaten vor allem immense Kostenblöcke dar. In Zeiten niedriger Margen würde sie gerne darauf verzichten. Für die sogenannte Fintech-Branche eröffnen sich profitable Chancen im elektronischen Zahlungsverkehr. Diese fallen natürlich umso lukrativer aus, je mehr Geschäft im unbaren Bereich abläuft.

Welch Wunder, dass Vorschläge, Bargeld komplett abzuschaffen, vor allem von Bankern oder bankfinanzierten Ökonomen stammen - wenn auch gerne in akademischer Garderobe gekleidet.

Bargeld ist für viele Bürger gedruckte Privatsphäre

Das Recht-und-Ordnung-Lager plädiert dafür, Bargeld abzuschaffen, um kriminelle und zwielichtige Aktivitäten finanziell auszutrocknen. Dabei geht es nicht nur um große Summen und Scheine sowie die Bargeldlager von Drogenbossen und Terroristen. Auch Drogen- und Waffenhandel, Prostitution sowie Steuervermeidung soll so der Garaus gemacht werden.

Dass Kriminelle sich über Mobiltelefone abstimmen, würde niemanden ernsthaft auf die Idee bringen, alle Handys zu verbieten.

Natürlich profitieren diese Aktivitäten von der Anonymität des Bargelds. Allerdings schätzen auch viele rechtschaffene Bürger ein gewisses Maß an Privatsphäre beim Bezahlen. Dabei geht es nicht nur darum, den privaten Bereich des Bürgers vor einer totalen Überwachung des Staates zu schützen. Auch der Datenhunger der Internetfirmen wird immer größer. Barzahlungen eignen sich hier in hervorragender Weise als Appetitzügler.

Insgesamt ist es wichtig, die Debatte um das Bargeld nicht auf die ökonomische Dimension zu beschränken. Die gesellschaftspolitische Bedeutung von Banknoten und Münzen könnte im obersten Geschoss des Elfenbeinturms unterschätzt werden.

Für viele Bürgerinnen und Bürger symbolisiert Bargeld nicht nur Kaufkraft, sondern stellt gedruckte Privatsphäre dar. In der Eurozone werden wir sicherlich auf den 500-Schein verzichten können. Bargeld per se abzuschaffen, steht jedoch nicht auf der Tagesordnung.

Quelle : spiegel.de

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