Nein heißt auch anderswo nicht immer nein

  05 Mai 2016    Gelesen: 555
Nein heißt auch anderswo nicht immer nein
In Deutschland wird über ein schärferes Sexualstrafrecht debattiert. In Ländern wie Schweden oder Frankreich sind die Gesetze besser - es hapert aber an der Umsetzung. Ein Überblick.
Das deutsche Sexualstrafrecht reiche nicht aus: Quer durch die Parteien drängen Parlamentarier Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD), seine Reform nachzubessern. Die Ereignisse der Kölner Silvesternacht beeinflussen die Debatte zusätzlich. In diesem Artikel stellen SZ-Korrespondenten und -Mitarbeiter die Lage in Staaten mit ähnlichen Rechtssystemen wie dem der Bundesrepublik vor. In weiten Teilen der Welt - etwa vielen Staaten Afrikas, Südamerikas und den islamisch geprägten Regionen - ist der Stand der Frauenrechte weiterhin katastrophal, sexuelle Gewalt wird zwar theoretisch bestraft, in der Praxis aber kaum. In vielen westlichen Staaten ist das Sexualstrafrecht stärker am Schutz des Opfers orientiert als in der Bundesrepublik, jedenfalls auf dem Papier.

In Deutschland ist eine Vergewaltigung nach dem Strafgesetzbuch eine Verletzung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung. Sie liegt vor, wenn der Täter eine andere Person durch Gewalt oder "Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben" zu einer sexuellen Handlung nötigt. Bundesjustizminister Maas will das nun mit einer Reform des Sexualstrafrechts ändern. Denn auf dieser Grundlage können, so der Einwand, zu wenige Täter bestraft werden.

Sexualstrafrecht Bundestag

Künftig soll auch als Vergewaltigung gelten, wenn ein Täter das Opfer überrumpelt und das Opfer sich als schutzlos empfindet. Das reicht aber nicht aus, meinen Kritiker. Nach wie vor müssten die Opfer vor Gericht belegen, dass sie sich gegen den Täter gewehrt haben. Schon ein erkennbares "Nein" allein aber müsse genügen. Es gehe nicht an, dass sexuelle Selbstbestimmung erst durch Gegenwehr erkämpft werden müsse. Auch der Schutz gegen Grapscher solle in einem neuen Sexualstrafrecht verbessert werden.

Ende 2015 berichtete das schwedische Radio SR von einer Warnung, die es auf der Internetseite des Auswärtigen Amts in Berlin gefunden hatte. Unter "Besondere strafrechtliche Vorschriften" stand dort, dass Sexualdelikte in Schweden "strenger geahndet" würden als in Deutschland. Schweden weise eine "hohe Rate angezeigter Vergewaltigungen und Gerichtsurteile" auf, mit teilweise hohen Strafen. Beim AA ist der Hinweis heute nicht mehr zu finden. Tatsächlich werden in Schweden laut UN-Statistik mehr Sexualverbrechen angezeigt als in anderen Ländern. 2014 waren es mehr als 20 000, etwa 6700 davon waren Vergewaltigungen - nur rund 600 weniger als in Deutschland, obwohl es fast neunmal so viele Deutsche wie Schweden gibt. Nirgendwo sonst wurden 2012 mehr Vergewaltigungen pro Einwohner angezeigt als dort.

Das bedeutet natürlich nicht, dass das Level an sexueller Gewalt in Schweden höher ist als anderswo. Der schwedische Rat für Verbrechensvorbeugung hat mehrere Erklärungen für den hohen Wert. Er beobachtete eine wachsende Bereitschaft, Sexualverbrechen anzuzeigen. Außerdem ist die schwedische Definition von Vergewaltigung breiter gefasst als in den meisten Ländern. Seit 2005 zählt darunter auch, wenn jemand den "hilflosen Zustand" eines anderen ausnutzt, dieser etwa schläft, bewusstlos ist oder unter Drogen steht. 2013 wurde das Gesetz verschärft. Seither gilt auch als Vergewaltigung, wenn das Opfer bei vollem Bewusstsein ist, sich aber etwa aus Angst nicht wehrt.

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