Das Finanzministerium hat zwei Szenarien für die kurzfristigen Folgen eines Brexit ausgemalt. Bei einem "milden Schock" wäre demnach die Wirtschaftsleistung nach zwei Jahren um 3,6 Prozent niedriger als bei einem Verbleib in der EU. Zugleich dürfte die Inflation steigen. Im schlimmsten Fall, einem "Szenario mit heftigem Schock", könne das Bruttoinlandsprodukt sogar um 6 Prozent niedriger ausfallen. Gravierende Konsequenzen müssen Osborne zufolge auch Immobilienbesitzer fürchten. Der Wert ihrer Häuser würde zwischen 10 und 18 Prozent fallen. Für Neukäufer würden Hypothekenkredite teurer und wären schwieriger zu bekommen.
Brexit-Befürworter warfen der britischen Regierung vor, kein realistisches Bild zu zeichnen. "Dieses Dokument des Finanzministeriums ist keine ehrliche Bewertung, sondern ein stark voreingenommener Blick auf die Zukunft" sagte Iain Duncan Smith, ein früherer Minister unter Premier David Cameron. Der Regierungschef hatte am Sonntag vor steigenden Lebensmittelpreisen bei einem Brexit gewarnt.
Die Befürworter eines Austritts argumentieren, dass die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen von kurzer Dauer sein werden, und dass das es dem Land letztlich besser außerhalb der EU gehe. Dann wäre Großbritannien unabhängig von EU-Verordnungen und könnte mehr Handel mit den schnell wachsenden Regionen auf der Welt treiben. Oder wie es Umweltministerin Andrea Leadsom ausdrückte: Die größte Bedrohung für die heimische Wirtschaft sei die riskante Verfassung der Eurozone, an die Großbritannien durch die EU-Mitgliedschaft festgekettet sei.
Mehrheit für Verbleib deutet sich an
Es gab bereits von mehreren Seiten Warnungen vor den wirtschaftlichen Folgen eines Brexit. Die Bank of England sagte eine "technische Rezession" voraus, der Internationale Währungsfonds (IWF) sprach von einem "bedeutenden Risiko" für die Weltwirtschaft. Osborne warnte in der BBC vor Erschütterungen an den Finanzmärkten.
Dem Minister zufolge drohen bei einem sogenannten Brexit auch langwierige und lähmende Neuverhandlungen über die Handelsbeziehungen zu zahlreichen Ländern. Für die Firmen bedeute dies Unsicherheit. Sie würden sich mit Neueinstellungen und Investitionen zurückhalten. Permier Cameron und Schatzkanzler Osborne werden die Ergebnisse der Analyse am Abend offiziell vorstellen.
Die Briten stimmen am 23. Juni in einem Referendum darüber ab, ob sie in der Europäischen Union bleiben oder nicht. Die meisten Meinungsumfragen deuten nach langem Kopf-an-Kopf-Rennen inzwischen darauf hin, dass sich die Befürworter eines Verbleibs Großbritanniens in der EU durchsetzen könnten.
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