Regeln für die Einwanderung: Das Wen-wir-wollen-Gesetz

  27 Mai 2016    Gelesen: 776
Regeln für die Einwanderung: Das Wen-wir-wollen-Gesetz
Deutschland braucht mehr als ein Integrationsgesetz: ein modernes Einwanderungsrecht. Das könnte nicht nur qualifizierte Ausländer locken, sondern auch gute Argumente gegen Populisten liefern.
Das Integrationsgesetz ist auf den Weg gebracht. Ein Grund für die Bundesregierung, sich auf die Schultern zu klopfen und zurückzulehnen, ist das nicht. Denn Deutschland braucht noch etwas anderes mindestens genauso dringend: ein modernes Einwanderungsgesetz.

Doch vor allem die Union hat es damit nicht eilig. Das ist fatal: Wenn wir wirtschaftlich zukunftsfähig bleiben wollen, müssen dringend mehr hochqualifizierte Migranten kommen. Ein klares Regelwerk dafür, welche Arbeitsmigranten Deutschland will, ist eine historische Aufgabe. Die Bundesregierung sollte sie schnell angehen, jetzt, da die Flüchtlingskrise ihr eine Atempause gibt.

Die bisherigen Regelungen, nach denen Ausländer einwandern dürfen, sind verwirrend. Es gibt insgesamt mehr als hundert Gründe, sich in Deutschland rechtmäßig aufzuhalten - festgeschrieben seit 2005 unter dem Titel "Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern".

Das Ergebnis dieses Bürokratiemonsters: Niemand versteht, wie Zuwanderung von Arbeitskräften nach Deutschland konkret funktioniert - weder Mitarbeiter in Konsulaten noch qualifizierte Ausländer, die die bestehenden Regelungen viel zu selten nutzen.

Eine neue Identität

Ein klares Einwanderungsgesetz, das etwa ähnlich wie in Kanada nach einem Punktesystem funktioniert, könnte nicht nur mehr dringend benötigte, qualifizierte Ausländer anlocken - es birgt noch andere Chancen. Rechtsextreme und Rechtspopulisten behaupten immer wieder, jeder dürfe es sich hierzulande ungehindert auf Kosten des Sozialstaats breit machen. In der Flüchtlingskrise glaubten viele Menschen das. Deshalb wäre schon die Übersichtlichkeit eines neuen Gesetzes ein Wert an sich. Wenn etwas besser erklärt ist, wappnet das auch gegen Populismus.

Ein Einwanderungsgesetz sendet außerdem das Signal: Wir bestimmen, wen wir als Zuwanderer wollen. Nachdem Deutschland in den vergangenen Monaten Hunderttausende Flüchtlinge aufgenommen hat, kann es jetzt wieder heißen: Wer passt eigentlich zu uns? Natürlich muss sich Deutschland weiter verpflichten, Menschen, die vor Krieg und Verfolgung fliehen, Schutz zu bieten - das Asylrecht bleibt selbstverständlich unberührt.

Eine politische Debatte, wozu wir uns in der Einwanderungspolitik bekennen, kann im besten Fall auch dabei helfen, dem modernen Deutschland eine neue gesellschaftliche Identität zu geben: Was ist uns wichtig? Wie wollen wir eigentlich sein?
Einfach wird das nicht. In der Union kommt vielen auch mehr als 60 Jahre nach der Ankunft der ersten Gastarbeiter der Satz "Deutschland ist ein Einwanderungsland" immer noch nicht über die Lippen. Und die SPD nutzt die Zögerlichkeit des Koalitionspartners lieber für parteipolitische Spielchen.

Quelle : spiegel.de

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