Die pinkfarbene Verführung

  08 Juni 2016    Gelesen: 529
Die pinkfarbene Verführung
Für Kunden sind Lieferdienste wie Foodora bequem, von Restaurants aber verlangen sie saftige Provisionen. Wie funktioniert das Geschäftsmodell mit dem Essen auf Rädern?
Es dauert nicht lange, bis die Empörung aus ihm herausbricht. Marcel Ribak führt ein kleines Delikatessen-Restaurant in Berlin, wenige Tische, modernes Design, Essen im mittleren Preissegment. Schon kurz nach der Eröffnung vor einigen Monaten wurde er angesprochen von dem Lieferdienst Foodora, ob er seine Speisen auch direkt zum Kunden bringen lassen möchte – per Fahrradkurier. Ribak war skeptisch, aber wollte es ausprobieren. Nach einigen Monaten der Zusammenarbeit sagt er: "Ich bin sehr unzufrieden. Ich werde kündigen."

In vielen deutschen Großstädten sind sie seit einigen Monaten unterwegs: junge Menschen auf Fahrrädern mit pinkfarbenen Kisten auf dem Rücken. Sie arbeiten für das Berliner Start-up Foodora, das sich als Dienstleister für die Gastronomiebranche versteht. Kunden können über die Plattform bei Restaurants bestellen, die bisher keinen Lieferservice angeboten haben. Foodora übernimmt die Zahlungsabwicklung und stellt das Essen innerhalb von 30 Minuten zu. Seit seiner Gründung vor etwa eineinhalb Jahren in München hat das Unternehmen ein rasantes Wachstum hingelegt: Es kooperiert allein in Deutschland mit mehr als 2.000 Restaurants und international mit etwa 7.500 Lokalen in zehn Ländern. Ein fast identisches Konzept verfolgt auch der britische Konkurrent Deliveroo, der in Deutschland mindestens ebenso präsent ist. Doch wie funktioniert das Geschäftsmodell der Dienste?

"Foodora hat 30 Prozent Provision von mir verlangt", sagt Ribak. "Die haben da nicht mit sich verhandeln lassen." Von jedem Essen, das über die Plattform des Unternehmens bestellt, von einem Fahrer abgeholt und an einen Kunden ausgeliefert wurde, wird dem Gastronom dieser Satz schon bei der Online-Zahlung abgezogen. "Was bleibt da für mich übrig?", sagt Ribak, der seinen echten Namen und den seines Restaurants nicht veröffentlicht sehen möchte.

"Wertschöpfungskette respektlos angegriffen"

Obendrein habe es immer wieder Probleme gegeben: "Wenn eine Bestellung für 90 Euro eine Stunde lang im Restaurant stehen bleibt, weil kein Fahrer kommt, fällt das bei meinen Kunden negativ auf mich als Gastronomen zurück, nicht so sehr auf Foodora." Die Kunden müssten dann zwar nicht zahlen und ihnen werde ein Gutschein ausgestellt, die Rückabwicklung mit seinem Restaurant funktioniere aber nicht reibungslos.

Auch der Lobbyverband der Gastronomie ist nicht besonders gut auf Lieferdienste dieser Art zu sprechen. Jahrespressekonferenz des Dehoga, des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes in Berlin: Auf den Tischen liegen Bilanzen über "steigende Umsätze", aber eine "durchwachsene Ertragslage", daneben Sahnetörtchen garniert mit Himbeeren. Vorne am Podium sitzt die Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges, eine elegante Dame mit Blazer und Halstuch. Nach dem offiziellen Teil findet sie klare Worte: "Wir müssen genau hinschauen, wo die etablierte Wertschöpfungskette ziemlich respektlos angegriffen und zulasten unserer Branche Geschäft gemacht wird ", sagt Hartges. "Für eine nachhaltige Zusammenarbeit ist es wichtig, dass beide Seiten profitieren."

Der Verband will unbedingt vermeiden, dass es zu einer ähnlichen Situation kommt wie in der Hotelbranche. Dort bestehe seit einigen Jahren eine starke Abhängigkeit von Buchungsportalen wie Booking oder HRS, sagt Ingrid Hartges. "Unsere Hoteliers sind alles andere als glücklich über die Provisionssätze, die von diesen Anbietern verlangt werden." Der besseren Erreichbarkeit neuer Zielgruppen und einer leichteren Buchbarkeit stünden damit erhebliche Kosten entgegen.

"Wir haben zuletzt gemeinsam mit dem Hotelverband geklagt und durchgesetzt, dass der Hotelier auf seiner eigenen Website oder zum Beispiel abends um 22 Uhr an der Rezeption das Zimmer günstiger verkaufen kann, als es bei den Portalen gelistet ist", sagt Hartges. Zuvor hatten die Online-Anbieter für sich eine Garantie über den besten Preis verlangt. Man müsse nun auch bei den Essenslieferdiensten aufpassen, dass es nicht zu einer Konzentration im Markt komme und monopolistische Strukturen entstünden, in denen dann die Konditionen für die Restaurants entsprechend hoch festgesetzt würden.

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