Ein Verkäufer, der seinen Namen nicht nennen will, hat nach eigenen Angaben für einen Getränke- und einen Grillstand 30.000 Euro an Pacht und anderen Ausgaben investiert. Bislang mache er nur Verluste, berichtete er. Er hofft, dass er das Geld bis zum Ende der EM wieder hereinholt - wenn Deutschland weit kommt.
Viel zu wenig Umsatz
Einer seiner Mitarbeiter am Getränkestand bemerkte am Dienstagabend: "Wir müssten 1500 Euro Umsatz am Tag machen, um unseren Einsatz wieder hereinzuholen. Heute haben wir bislang 70 Euro an Getränken umgesetzt." Jeden Tag kämen die Fanmeilen-Veranstalter, um die Händler zu beruhigen. "Aber besser wurde es nicht."
Zwei junge Männer an einem Getränkestand meinten sarkastisch: "Wir zahlen viel Geld fürs Fußballgucken." Der Stand war verwaist. Die Lage sei "gruselig". Jeder Tag bringe Verluste. Betreiber kritisieren auch die "Knebelverträge" des Veranstalters: Alle Getränke und Speisen müssten von einem Großhändler zu überhöhten Preisen bezogen werden. Am Riesenrad stellte eine Kartenverkäuferin fest: "Es ist sehr wenig los. Zu wenig." Manchmal fahre nur ein Mensch mit, oft niemand.
Bei den bisherigen drei Spielen der deutschen Mannschaft drängten sich zwar viele tausend Fans vor der großen Bühne und dem Bildschirm am Brandenburger Tor. Vor den weiteren sechs Bildschirmen auf der Straße des 17. Juni war es aber eher leer. Dennoch sprachen die Veranstalter am Dienstagabend von 100 000 Besuchern - über den gesamten Tag verteilt.
10.000 statt 100.000 Besucher
Die zugängliche Fläche der Fanmeile beträgt etwa 30 000 Quadratmeter; 100 000 Menschen könnten dort Platz finden, wenn es voll ist. Weil allerdings nur die ersten 100 Meter voller Menschen waren, gehen Beobachter eher von 10 000 bis 15 000 Fans während des Deutschlandspiels aus.
Zu den nächsten Spielen der Deutschen im Achtelfinale und in weiteren Ausscheidungsspielen könnten wegen der steigenden Spannung mehr Besucher kommen. Allerdings hat die Fanmeile an allen Spieltagen der K.o.-Runde geöffnet, also auch, wenn eher unbekannte Mannschaften aufeinandertreffen. Und bei einem eventuelle Aufeinandertreffen von Wales und Nordirland ist nicht unbedingt mit einem riesigen Andrang zu rechnen.
Nicht nur die Berliner Fanmeile leidet unter deutlichem Besucherschwund. Auch in anderen Städten stöhnen Betreiber und Verkäufer. Die großen Zeiten der Fanmeilen und Mega-Fanfeste scheinen vorbei.
Rückgang in der ganzen Republik
Alice Kilger von der Pressestelle des Olympiaparks in München beobachtet seit Jahren weniger Zuschauer. "Das Interesse geht zurück", sagt sie. Bei der Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land war der Ansturm noch enorm. Bis zu einer Million Besucher kamen insgesamt bei allen Spielen. Zur EM 2008 waren es bei nur drei Spielen im Schnitt 29.000 Besucher. 2010 zur WM kamen 24.000 Menschen pro Spiel, 2012 und 2014 verfolgten nur noch 16.000 Fans die Deutschland-Spiele. Für dieses Jahr sei es für eine erste Bilanz noch zu früh.
Beim Public Viewing am Nürnberger Flughafen ließen sich bislang jeweils 2500 bis 3000 Menschen blicken, in der Vergangenheit waren es auch in der Vorrunde 15.000 bis 20.000. Veranstalter Christopher Dietz sagt: "Wir hatten zweimal Mega-Landunter und wettertechnisch eigentlich noch nie die Voraussetzungen für ein vernünftiges Public Viewing." Er hofft nun auf die K.o.-Runde und Sonnenschein.
Quelle : welt.de
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