Dieses Bild entspricht einer Entwicklung, die Wahlbeobachter seit Tagen vorausgesagt haben. Am Tag der Abstimmung werde der Kopf entscheiden, nicht der Bauch, hatte es immer wieder geheißen. Eine Entwicklung also, die nicht mehr so stark von Emotionen getragen sein wird wie in den Wochen davor. Das tatsächliche Abstimmungsergebnis dürfte jedoch nicht vor Freitagmorgen 5.00 Uhr europäischer Zeit vorliegen.
Derweil strömen in England, Schottland, Wales und Nordirland die Menschen in die Wahllokale, die landesweit um 7.00 Uhr Ortszeit öffneten. Bis 22.00 Uhr (23.00 Uhr MESZ) können die 46,5 Millionen als Wähler registrierten Briten ihre Stimme abgeben. Wegen des erwarteten großen Andrangs wurden außer in Schulen und Pubs auch in Kirchen, Garagen, einem Waschsalon oder in einer Windmühle Wahlkabinen aufgestellt.
Gegner und Befürworter des Austritts hatten bis zuletzt eindringlich um Stimmen geworben. Der Wortführer der Austrittsbefürworter, Londons Ex-Bürgermeister Boris Johnson, sah noch am Mittwochabend einen Sieg in Reichweite. Der britische Premier David Cameron hingegen appellierte insbesondere an die Unentschlossenen und die Zweifler, sich einen Ruck zu geben und für den Verbleib zu stimmen. Bei seiner Stimmabgabe am Morgen in London gab Cameron keinen Kommentar mehr ab.
Das Interesse an der Abstimmung war groß, was bereits die hohe Zahl an Wählerregistrierungen zeigte. Viele Briten posteten Fotos ihres ausgefüllten Stimmzettels mit dem Hashtag #ivoted (ich habe gewählt) auf Twitter. In Cumbria im Nordwesten Englands bildete sich vor einem Wahllokal schon vor der Öffnung eine Warteschlange, wie Wähler Nick Turner auf Twitter berichtete. "So etwas habe ich an einem Wahltag noch nie gesehen", schrieb er.
Pfund und Euro im Höhenflug
Auch am Devisenmarkt erhält das britische Pfund durch die Umfrage einen zusätzlichen Schub und steigt zeitweise über 1,49 Dollar. Auch der Euro legt zu und überwindet vorübergehend die Marke von 1,14 Dollar. Aktuell kommen beide Währungen von ihren Tageshochs jedoch wieder zurück. Das Pfund kostet rund 1,4890 Dollar, für einen Euro werden etwa 1,14 Dollar gezahlt.
Spannend wird es an den Märkten vor allem am Freitag, wenn die Ergebnisse vorliegen. Ein britisches Ja zu Europa wäre ein "echter Befreiungsschlag" für die Anleger, sagte Thilo Müller von MB Fund Advisory. Experten sehen angesichts des jüngst starken Laufs allerdings nur noch wenig Luft nach oben im Dax. Ein Plus von rund 400 Punkten direkt nach Ergebnisbekanntgabe gilt aber als möglich.
Was passiert, wenn die Briten aber austreten, mag sich kaum ein Börsianer vorstellen. Während manche Beobachter nur mit einem Verlust von wenigen Prozentpunkten rechnen, hält Analyst Volker Sack von der NordLB einen Rückfall bis auf 8600 Punkte für möglich. Welche Branchen von einem Brexit besonders in Mitleidenschaft gezogen würden, liegt für die Börsianer auf der Hand: Hierzu gehören Exporteure wie Autobauer und der Investitionsgütersektor.
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