Manuel Neuer, von Natur aus Kapitän

  25 Juni 2016    Gelesen: 867
Manuel Neuer, von Natur aus Kapitän
An der Frage kommt er nicht vorbei. Was er denn vom Brexit halte, wird Manuel Neuer bei der Pressekonferenz am Tag der britischen Europaflucht gefragt. Seine Antwort? So souverän, reif und unaufgeregt, wie alles, was er derzeit tut.
Natürlich, es ist das Thema des Tages. Rauf und runter wird der Brexit, die Flucht der Briten aus Europa, durch alle medialen Ressorts durchexerziert. Jeder, ob berufen oder nicht, äußert sich zu dem Thema - und wird gehört. Begleitet wird das "Out" meist mit gewaltigem Getöse. Mit aller Aufgeregtheit, mit großen Emotionen und martialischer Wortwahl. Vieles kommt dabei affektiert, beinahe panisch daher. Was das Ganze nun mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft zu tun hat? Zunächst einmal nichts - bis ein englischer Journalist bei der Pressekonferenz drei Tage vor dem Achtelfinale gegen die Slowakei (ab 18 Uhr im Liveticker bei n-tv.de) im DFB-Basecamp in Évian genauer nachfragte.

Die Frage ging an Manuel Neuer, dem zeitlich befristeten Kapitän der DFB-Elf. Und der Torwart des FC Bayern München bewegte sich auf dem ressortfremden Terrain bemerkenswert souverän. "Ich bin in einer Zeit aufgewachsen, in der die Europäische Union zusammenstand. Man hatte immer ein Einheitsgefühl. Es ist schade, dass Großbritannien jetzt nicht mehr dabei ist." Ansonsten könne - oder vielleicht sogar wolle - er nichts zu politischen Themen sagen. Ehrlich, unaufgeregt - und vor allem sehr reif. Kein pseudodummes Gerede, keinen sinnfreien Floskeln. Klare Frage, klare Antwort. Er weicht nicht aus, er trägt aber auch nicht auf. Ein echter Kapitän halt.

Bundestrainer Joachim Löw hat Neuer zu seiner "rechten Hand" gemacht, wenn auch nur solange, bis der offiziell berufene Chef Bastian Schweinsteiger wieder von Beginn an mitspielen kann. Und Löw hat diese Entscheidung ganz sicher mit Bedacht gewählt. Anders, als er der Öffentlichkeit noch vor dem EM-Auftakt gegen die Ukraine, verkaufen wollte. Es spiele für ihn keine Rolle, sagte der Bundestrainer damals, wer Schweinsteiger vertritt. Es gebe schließlich eine Reihe von Kandidaten, zum Beispiel Jéròme Boateng, Mats Hummels, Toni Kroos, Sami Khedira - und eben Neuer. Doch das die Entscheidung so ausfiel, wie sie ausfiel, hat gleich mehrere Gründe. Und nur ein ganz unwesentlicher dürfte gewesen sein, dass er schon vor der EM achtmal die Binde der Nationalelf getragen hatte.

Auf Neuers Ruhe kann Löw nicht verzichten

Neuer verkörpert wie Schweinsteiger und Löw die neue, weltmeisterliche Unaufgeregtheit im DFB-Team. Wenn es etwas anzusprechen gilt, dann intern. Futter für mediales Aufbauschen liefert Neuer nicht. Das ist nicht seine Art. Und anders als beispielsweise ein Khedira ist er in der Öffentlichkeit über wirklich jeden sportlichen Zweifel erhaben. Bestimmter als ein Boateng kann Neuer anweisen und dirigieren. Auch wenn der Bundestrainer seinem Abwehrchef dieser Tage bescheinigte, sich in diesen Bereichen deutlich weiterentwickelt zu haben. Anders als ein Kroos, der oft zu introvertiert wirkt oder einem Hummels, der bisweilen zu abgeklärt, gar leicht überheblich daherkommt, ist der Keeper stets freundlich, verbindlich, souverän und gesprächsbereit.

Und so ist Neuer der unumstrittene Fixstern im deutschen Team. Ob Torwart oder nicht - Anfang der 2000er Jahre am Beispiel von Oliver Kahn Anlass für zum Teil hitzige Kapitänsdiskussionen - ist dem Bundestrainer egal. Niemals würde er auf die Idee kommen, den 30-Jährigen ohne ersichtlichen Grund nicht spielen zu lassen. Auf dessen Ruhe, Gelassenheit und (Welt)-Klasse kann und will Löw nicht verzichten. Und auch nicht auf dessen Demut und uneingeschränkte Loyalität: "Ich freue mich natürlich, wenn Basti wieder von Anfang an spielt und wenn er uns helfen kann. Das ist die Entscheidung des Bundestrainers. Ich bin absolut bereit, die Binde sofort abzugeben." Mehr Teamplayer geht nicht. Eine reife Leistung.

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