Diese Markenklamotten enthalten Giftstoffe

  05 Juli 2016    Gelesen: 949
Diese Markenklamotten enthalten Giftstoffe
Greenpeace hat 19 bekannte Modeketten auf Giftstoffe überprüft. Jetzt veröffentlicht die Organisation eine Liste mit den Gewinnern und Verlierern der Untersuchung. Die Ergebnisse überraschen.
Das schlechte Gewissen setzt zeitgleich mit dem beißenden Geruch nach Chemie und Plastik ein. Die Türen der Billigmodefiliale gleiten auf, der Kunde tritt ein und geht schnell zwischen zerwühlten Grabbeltischen verloren.

Die kleinen Preise locken die Kunden ins Ladeninnere und täuschen oft über die offenbar zweifelhafte Qualität hinweg. So ist der seit einigen Jahren andauernde Erfolg der in Deutschland relativ neuen Kette zu erklären. Unter welchen Umständen die Kleidung produziert wird, will man lieber gar nicht so genau wissen.

Bei traditionellen Modeketten ist das anders. Die T-Shirts sind teurer, die Qualität scheint solide. Alles hier ist einladend: der Geruch, die Musik, das Personal. Wer hier einkauft, wird den Kunden vermittelt, braucht kein schlechtes Gewissen zu haben.

19 Modeketten wurden untersucht

So ist es aber nicht, weiß man bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace. Dort haben Experten 19 Modeketten auf ihre Umweltstandards überprüft. Die Ketten haben sich freiwillig bereit erklärt, die Greenpeace-Kampagne "Detox" zu unterstützen und bis 2020 eine giftfreie Produktion zu gewährleisten. Wie realistisch das ist, hat Greenpeace jetzt eingeschätzt. Die Ergebnisse sind überraschend.

Zu den Umwelt-Siegern gehören die Modemarken Zara, H&M und Benetton. Diese Firmen vermeiden giftige Substanzen weitestgehend. Sie machen ihre Produktions- und Lieferwege transparent. Auch Abwasserdaten veröffentlichen sie.

Bis 2020 können sie eine vollständig giftfreie Produktion gewährleisten, prognostiziert Manfred Santen. Er ist Chemiker und Textilexperte bei Greenpeace. Zara, H&M und Benetton "beweisen, dass eine schadstofffreie Produktion für Unternehmen jeder Größe möglich ist."

Esprit und Nike verbessern ihre Standards nicht

Dennoch sind nicht alle Teilnehmer der Greenpeace-Kampagne gewillt, ihre Standards umweltfreundlicher zu gestalten. Zu den Verlierern gehören Esprit, Victoria`s Secret und Nike. Diese Firmen schränken die Verwendung von Giftstoffen bisher nur geringfügig ein.

Greenpeace-Experte Santen verurteilt das Vorgehen dieser Modeketten hart: "Die Hinhaltetaktik von Konzernen wie Nike und Esprit ist nicht hinnehmbar." Bis 2020 würden sie es nicht schaffen, giftfreie Mode zu garantieren.

Im großen Mittelfeld landen Unternehmen wie Primark oder C&A, aber auch Edelmarken wie Valentino oder Burberry. Diese Modefirmen bemühen sich laut der Greenpeace-Untersuchung ernsthaft um die Verbesserung ihrer Produktion. Bisher reichen die Standards aber noch nicht aus.

EU kann nur die Produktionsketten in Europa überwachen

Für Thomas Schupp ist die Greenpeace-Kampagne "der nächste logische Schritt". Er ist Toxikologe an der Universität für angewandte Wissenschaften in Münster. Europäische Gesetze können nämlich bisher nur Produktionsketten innerhalb der EU kontrollieren. Weil die Umweltstandards außerhalb der EU oft geringer sind, lagern Firmen ihre Herstellung aus, um kostengünstiger zu produzieren.

Nach europäischem Recht kann dann nur das Produkt kontrolliert werden, wenn es für den EU-internen Markt zugelassen werden soll. Über die Giftstoffe, die im EU-Ausland in die Umwelt gelangen, und die Gesundheitsgefahren für Menschen hat die Union keine Kontrolle.

Da setzt Greenpeace an. Sie versuchen, die Konzerne zu einem freiwilligen Umdenken zu bewegen. Vor allem will die Organisation, dass die Modefirmen auf umweltschädliche Stoffe wie per- oder polyfluorierte Chemikalien (PFC) verzichten.

Greenpeace kritisiert die Verwendung von PFC

Sie werden für die Oberflächenveredelung und Imprägnierung von Textilien verwendet, weil wie wasser-, fett- und schmutzabweisend sind. Auch kann man mit PFC Funktionsmembranen herstellen, die etwa für die Wetterfestigkeit von Outdoor- oder Sportbekleidung benötigt werden.

Für die Umwelt sind diese Chemikalien pures Gift, "eine tickende Zeitbombe", wie der Toxikologe Thomas Schupp sagt. Das größte Problem ist, dass sie sich nur sehr langsam abbauen. In Tierversuchen konnte zudem nachgewiesen werden, dass sich PFC im Körper anlagert und die Fortpflanzung erschwert.

Wenn diese Chemikalien bei der Textilproduktion ins Abwasser geraten, können sich Spuren im Trinkwasser wiederfinden – eine unmittelbare Gefahr für den Menschen. "In dem Moment, da wir die tatsächlichen Folgen von PFC ermessen können, ist es bereits zu spät. Dann sind die Chemikalien bereits in der Umwelt, und wir können sie nicht zurückholen", sagt Schupp.

Umweltbundsamt will EU-Verordnung verschärfen

Das Umweltbundesamt (UBA) bemüht sich deshalb um eine Verschärfung der EU-Verordnung. Das könne aber dauern, erklärt Christoph Schulte. Er ist Chemikalienexperte beim UBA. Der bürokratische Aufwand ist hoch. Deshalb begrüßt auch er die Bemühungen von Greenpeace.

Um Verbraucher vor schädlichen Stoffen in der Kleidung zu schützen, will das UBA eine App entwickeln. Wer mit seinem Smartphone den Barcode eines Produktes im Laden scannt, dem werden potenziell giftige Substanzen angezeigt. Noch in diesem Jahr soll die App für Verbraucher erhältlich sein, verspricht Schulte.

Wen also bei den Verlockungen von Primark das Gewissen beißt, der sollte zukünftig vielleicht auf die umweltfreundlicheren Alternativen H&M oder Zara ausweichen. Um die Gesundheit zu schützen, geben alle Experten einen Tipp: Neue Kleidungsstücke sollten vor dem ersten Tragen gewaschen werden. Das Wasser verdünnt die Gifte und macht sie so weniger schädlich. Für die Umwelt ist das aber keine Lösung.

Quelle : welt.de

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