Die Gaumenmandeln, medizinisch Tonsillen genannt, befinden sich am Eingang der Atem- und Speisewege. Gelangen Keime oder Viren in den Mund oder die Nase, werden sie von den Mandeln in der Regel abgefangen. "Insofern schützen die Mandeln den Körper vor Krankheiten und trainieren am Lebensanfang das Immunsystem", sagt Jochen Windfuhr, Chefarzt der Klinik für Hals-, Nasen-, Ohren-Heilkunde, Plastische Kopf- und Hals-Chirurgie und Allergologie am Krankenhaus Maria Hilf in Mönchengladbach.
Weiße Pünktchen verraten die Infektion
Ist der Körper geschwächt - etwa durch Erkältungskrankheiten, psychischen oder körperlichen Stress - besteht die Gefahr, dass die Abwehrmechanismen nicht optimal funktionieren. Dann kann es passieren, dass sich Krankheitserreger in dem weichen Gewebe der Rachenregion rasant vermehren.
"Am Anfang steht oft eine virale Infektion, der in vielen Fällen ein Bakterien-Befall folgt", sagt Windfuhr. Aber auch ohne vorherige Schwächung durch Viren können sich bakterielle Entzündungen entwickeln. Typische Auslöser sind Streptokokken. Kommt es zu einer bakteriellen Infektion, dann sind auf den geschwollenen Mandeln sogenannte Eiterstippchen zu sehen. Das sind weiß-gelbliche Ausscheidungsprodukte.
An einer akuten Mandelentzündung können Menschen in jedem Alter erkranken. Aber: "Am häufigsten sind Kinder bis zum Alter von fünf Jahren betroffen", sagt Windfuhr, der auch Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie ist. Grund ist, dass in diesem Lebensalter die Abwehrmechanismen noch nicht so ausgereift sind wie bei Älteren.
Nikotin fördert Entzündungen in Hals und Rachen
Aber auch Erwachsene können noch eine Tonsillitis bekommen. "Offensichtlich spielt das Rauchen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Abszessen in den Mandeln", erklärt Windfuhr. Abszesse sind abgekapselte, eitrige Entzündungen. Um Komplikationen zu vermeiden, sollte der Eiter zügig abgelassen werden. "Manchmal ist auch eine Mandelentfernung nötig."
In der Regel bekommt der Arzt eine Mandelentzündung aber problemlos in den Griff. "Verschrieben werden je nach Beschwerden und Verlauf entweder fieber- und schmerzsenkende Präparate oder auch Antibiotika", sagt die Apothekerin Ursula Sellerberg von der Bundesapothekerkammer in Berlin. Das Wohlbefinden stärken können auch Wickel um den Hals, die nach dem gleichen Prinzip Hitze ableiten wie Wadenwickel gegen Fieber.
Um die Halsregion nicht unnötig zu reizen, sollten Patienten zudem nur weiche Nahrung zu sich nehmen. Wichtig ist auch, viel zu trinken, damit die Krankheitserreger ausgeschieden werden. Dafür eignen sich bei Halsschmerzen besonders Tees aus Salbei und Thymian.
Achtung, Ansteckungsgefahr
Eine akute Mandelentzündung heilt in aller Regel ohne Komplikationen in einem Zeitraum von ein bis zwei Wochen aus. "Die Infektion ist allerdings für eine bestimmte Zeit ansteckend", sagt Windfuhr. Erkrankte sollten deswegen erst nach Rücksprache mit dem Arzt wieder in den Kindergarten, in die Schule oder zur Arbeit gehen.
Wird die Krankheit nicht behandelt oder verschleppt, droht eine chronische Mandelentzündung. Da ständig entzündete Mandeln ein Infektionsherd sind, kann dies schwerwiegende Folgeerkrankungen wie etwa Herz- oder Nierenentzündungen nach sich ziehen.
Mandel-OP für freie Atemwege
Ob eine operative Mandelentfernung nötig ist oder nicht, das hängt von der Zahl der Mandelentzündungen ab, die in den zurückliegenden zwölf Monaten aufgetreten sind und eine Antibiotika-Therapie erfordert haben. Haben sich bei Erwachsenen innerhalb eines Jahres mehr als drei Mal akute Mandelentzündungen entwickelt, kann ein Eingriff in Erwägung gezogen werden. "Bei einer Häufigkeit von sechs Mal in einem Jahr ist der Eingriff sicher effektiver als eine alleinige Antibiotikumtherapie", sagt Windfuhr.
Bei Kindern und Jugendlichen können auch andere Gegebenheiten für eine Operation sprechen: Bei ihnen sind häufig "riesige Mandeln zu finden", erklärt der Facharzt. "Ein eingeschränktes Schlucken und Atmen lässt sich bei derartigen Befunden sofort durch die Operation beseitigen." Gerade kleinere Kinder können nach einem solchen Eingriff nachts oft besser atmen.
Bei einer Teilentfernung sind im Vergleich zur Komplettentfernung die Schmerzen nach der Operation geringer. Und es kommt seltener zu Blutungskomplikationen. Blutungen nach einer Komplettentfernung sind gefürchtet - denn sie können mitunter lebensgefährlich sein, sagt Windfuhr. "Wegen dieses Risikos sind Mandelentfernungen keine Bagatelloperationen, was vielen Menschen so nicht klar ist."
Quelle : spiegel.de
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