Streit um Atomstreitmacht

  18 Juli 2016    Gelesen: 495
Streit um Atomstreitmacht
Sollen britische U-Boote weiter mit Atomwaffen ausgestattet sein? Die neue Premierministerin May sagt ja, doch Labour-Partei und Schottland sehen das anders. Dabei ist die Entscheidung angesichts der Parlamentsmehrheit klar.

Die britische Atommacht hat ihre Basis tief im Berg an einem Fjord in Schottland. Hier in Faslane sind die vier U-Boote der Vanguard-Klasse stationiert, dazu 58 in den USA entwickelte Trident-Raketen, ausgerüstet mit Hunderten von Nuklearsprengköpfen. Jedes U-Boot hat acht dieser Raketen mit maximal 40 Sprengköpfen an Bord. Eines der U-Boote ist ständig auf See unterwegs und abschussbereit.

Die neue Premierministerin Theresa May hat sofort nach der Amtsübernahme am vergangenen Mittwoch die üblichen handgeschriebenen Briefe an die vier U-Boot-Kommandanten geschickt, die die Instruktionen für den Fall des Abschusses der Atomraketen enthalten. Das älteste der U-Boote ist jetzt dreißig Jahre alt – gebaut am Ende des Kalten Krieges, als es noch darum ging, der Sowjetunion durch nukleare Abschreckung Einhalt zu gebieten.

Fallon: Atomwaffen nötiger denn je

Die konservative britische Regierung ist aber der Meinung, dass die nukleare Abschreckung auch heute noch nötig ist. Verteidigungsminister Michael Fallon: "Unsere Atomwaffen werden heute mehr als jemals zuvor gebraucht. Denn auch andere Staaten haben Nuklearwaffen, weitere Staaten sind dabei sie zu entwickeln. Und es gibt auch das Risiko, dass Atomstaaten diese Waffen an Terroristen weitergeben. Deshalb bedeutet das Ende des Kalten Krieges nicht etwa das Ende der Notwendigkeit einer nuklearen Abschreckung."

Die konservative Regierung will die Vanguard-Boote durch neue ersetzen und auch die Waffentechnik modernisieren. Das Verteidigungsministerium schätzt die Gesamtkosten auf 31 Milliarden Pfund, umgerechnet etwa 37 Milliarden Euro. Es gibt andere Schätzungen, die weit höher ausfallen. Das Ministerium veranschlagt für Entwicklung, Bau, Test und Inbetriebnahme einen Zeitraum von 35 Jahren.

Corbyn: U-Boote ja, Atomwaffen nein
Die Parlamentsentscheidung darüber wurde immer wieder vertagt - zuletzt wollte die Regierung noch den Ausgang des EU-Referendums abwarten. Heute aber ist es so weit. Heute soll das Unterhaus darüber entscheiden, ob Großbritannien auch in Zukunft Atommacht sein will. Klar ist: Die Konservativen, die über die absolute Mehrheit verfügen, werden dafür stimmen.

Die Labour-Opposition dagegen, ohnehin zerstritten und in Auflösung, ist auch in dieser Frage gespalten. Der Noch-Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn ist für ein atomwaffenfreies Großbritannien. Doch er ist unter anderem dem heftigen Druck der Gewerkschaften ausgesetzt, die den Verlust Tausender Arbeitsplätze im Schiffbau, in der Rüstungsindustrie und am Standort Faslane befürchten. Deshalb machte Corbyn den Vorschlag, die neuen U-Boote zu bauen, sie aber nicht mit Atomsprengköpfen zu bestücken.

Dieser Kompromissvorschlag löste allgemeine Heiterkeit aus, auch im eigenen Lager. John Woodcock, der Labour-Abgeordnete des Wahlkreises, in dem die Vanguard-Boote gebaut würden, erklärte: Eine Abschreckung, die nicht abschrecke, sei so wie eine Armee mit kaputten Gewehren und ohne Munition.

Schottland will NATO ohne Waffen

Klar dagegen sind die schottischen Nationalisten. Schon vor zwei Jahren, beim Referendum über die schottische Unabhängigkeit, spielte das Thema Atom-U-Boote eine große Rolle. Nicola Sturgeons Regierungspartei in Edinburgh will ein atomwaffenfreies Schottland. Brendan O´Hara, der SNP-Verteidigungsexperte im Unterhaus, stellte das jetzt noch einmal klar: "Norwegen und Kanada sind ja auch Mitglieder der NATO und erlauben keine Atomwaffen auf ihrem Boden. Diesen Status wollen wir auch erreichen. Wir wollen in der NATO bleiben - aber nur, wenn die anderen akzeptieren, dass wir keine Atomwaffen haben."

Dank der konservativen Übermacht im Unterhaus wird das Parlament heute aber grünes Licht für die Erneuerung der britischen Atomstreitmacht geben.

Quelle: tagesschau.de

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