Trump, der Unantastbare

  20 Juli 2016    Gelesen: 737
Trump, der Unantastbare
Nun ist es offiziell: Die Republikaner haben Donald Trump als Präsidentschaftskandidaten ihrer Partei nominiert. Trump ist derzeit unantastbar in den eigenen Reihen. Das hat einen einfachen Grund.

Kopfschüttelnd steht Dan Senor, erklärter Trump-Gegner aus New York, im Plenum der Q-Arena, während in alphabetischer Reihenfolge die Delegationen, beginnend mit Alabama, ihre Stimmen zu Protokoll geben und Donald J. Trump immer näher an die magische Grenze der 1237 Stimmen bringen. Mitch McConnell, der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, reckt hingegen die Rechte in die Luft, als seine Kentucky-Delegation etwas später Gleiches tut. Die National Convention, der Nominierungsparteitag der Republikaner, setzt den Auftrag der Basis aus den Vorwahlen um: Ein Mann wird als Präsidentschaftskandidat nominiert, der noch vor einem Jahr als gänzlich chancenlos galt und mutmaßlich nicht einmal selbst mit dem Sieg gerechnet hatte.

Als es zum Buchstaben "N" kommt, lässt New York anderen Staaten den Vortritt. Der Heimatstaat des Kandidaten schert erst beim Buchstaben "R" vor Rhode Island wieder ein, damit Donald Trump Junior, der Sohn, eloquent verkünden kann, dass sein Vater mit diesen 89 Stimmen die magische Marke überschreite. Da war es 19.11 Uhr, und nicht der Star-Spangled Banner erklang, sondern – wie passend – Frank Sinatras "New York, New York". Selbst die Delegierten aus Texas, die bis zuletzt im mutmaßlichen Auftrag ihres Senators Ted Cruz auf den Gängen der Arena einen Aufstand zu organisieren versucht hatten, schwenkten die hellen Cowboyhüte, mit denen sie sich einheitlich ausgestattet hatten. Und der Kongress tanzte.

Kasich, die Bushs, McCain und Romney sind nicht gekommen

Die Never-Trump-Bewegung innerhalb der Republikaner ist tot. Ja, es gab letzte Zeichen der Unbotmäßigkeit gegen den neuen Chef. Senator Mike Lee aus Utah klatschte nicht mit, wenn weitere Stimmen für Trump verkündet wurden. Ohio sprach mit provokanter Betonung sämtliche 66 Stimmen, entsprechend dem dortigen Winner-takes-all-Ergebnis der Vorwahlen vom 15. März, seinem Gouverneur John Kasich zu.

Der war, als zähester, aber chancenloser Herausforderer Trumps in den Primaries, der National Convention im eigenen Bundesstaat Ohio gar demonstrativ ferngeblieben und nur bei Randveranstaltungen aufgetaucht. Was Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort als "Beschämung der Republikaner" Ohios bezeichnete. Kasich beeindruckte das nicht. Außer ihm waren auch sämtliche Bushs nicht gekommen, also der 41. und der 43. US-Präsident und der Gouverneur, der in diesen Primaries vergeblich versucht hatte, der Familientradition des Vaters und des Bruders zu folgen. John McCain und Mitt Romney, die Präsidentschaftskandidaten der Jahre 2008 und 2012, glänzten ebenfalls durch Abwesenheit. Marco Rubio, der seiner Wiederwahl keineswegs sichere Senator aus Florida, hatte nur ein in der vorigen Woche aufgenommenes Video nach Cleveland übermittelt. Kollege Ted Cruz aus Texas scheint hingegen mit der Niederlage Trumps im November zu rechnen; er zieht hinter den Kulissen offenkundig bereits Fäden für eine erneute Kandidatur im Jahr 2020.

Rund um die Bühne kam es zu Streit, der gnädig von der Musikband überschallt wurde. Der Grund: Alaska hatte die Stimmen aufgeteilt auf zwölf für Cruz, elf für Trump und fünf für Rubio. Aber vom Tagungskomitee wurden alle 28 Stimmen Trump zugeschrieben. Paul Ryan erklärte später den Grund: Alaska habe spezielle Verfahrensregeln, nach denen Delegierte nur für Kandidaten stimmen, die sich auch bei der Convention noch bewerben. Die Damen und Herren aus dem hohen Norden schienen mit der Entscheidung nicht völlig einverstanden. Aber Reince Priebus, als Vorsitzender des RNC (Republican National Committee) eine Art Parteichef, beendete die Debatte: "Ich wünsche euch eine schöne Nacht."

Verlockung, an der Seite des Siegers zu stehen, ist groß

1725 Stimmen waren es am Ende für Trump. 1543 Wahlleute hatte der Milliardär vor Beginn der Convention beisammen. Fast 200 Superdelegierte, die in ihrer Entscheidung völlig frei sind, hatten sich also noch umentschieden. Das ist nicht unüblich, wenn der eigene Favorit gescheitert ist. Und die Verlockung, an der Seite des Siegers zu stehen, ist nun einmal groß.

Cruz war auf 475 Stimmen gekommen, Kasich auf 120, Rubio auf 114. Im einstelligen Bereich verhungerten Ben Carson mit sieben, Jeb Bush mit drei und Rand Paul mit zwei Delegierten.
"Trump! Trump!", riefen begeisterte Delegierte, als der Sieg offiziell war. Der Unternehmer war gar nicht im Gebäude. Aber er ließ ein Video mit einer Ansprache einspielen. Der nun nicht mehr "designierte" Kandidat vor der US-Fahne sitzend, recht präsidial, und echten Wandel versprechend. "Wir werden sichere Grenzen haben, wir werden ISIS besiegen, wir werden Law and Order wiederherstellen", gelobt er. "Und wir machen Amerika wieder groß."

Kurz zuvor hatte er bereits getwittert: "Was für eine große Ehre, Kandidat der Republikaner zu sein. Ich werde hart arbeiten und euch nie im Stich lassen. AMERIKA ZUERST."

Trump, der Unantastbare

Der Immobilienunternehmer bricht das bisherige Protokoll, das den Kandidat erst am allerletzten Tag auf der Bühne wissen will. Stattdessen wird Trump an jedem Tag auftauchen, wenn auch am Dienstag nur per Video. Bereits am Montag führte Trump seine Frau Melania ans Podium zu ihrer Rede, die abendlichen Jubel und nächtliche Debatten auslöste, ob die Autoren zu großzügig Anleihen gemacht hatten bei der Rede, die Michelle Obama 2008 auf der Convention der Demokraten hielt.

Aber wen kümmert das noch an diesem Abend? Trump ist derzeit unantastbar in den eigenen Reihen. Mit der Macht der Basis hat er die "Grand Old Party" durcheinandergewirbelt und jene Revolution gestartet, von der Bernie Sanders bei den Demokraten nur redete. Jetzt will Trump die USA insgesamt erobern. Das Establishment hat sich arrangiert mit den neuen Verhältnissen. Paul Ryan, Sprecher des Repräsentantenhauses und damit (nach Präsident und Vizepräsident) die protokollarische Nummer drei in der US-Politik, bezeichnet zwar Positionen von Trump als "rassistisch", aber er moderierte am Dienstagabend die Delegiertenzählung und bemühte sich von Beginn an, jeden Unmut wegzuharmonisieren. Als es zunächst schwer verständliche Zwischenrufe gab, machte er "Pssst"-Geräusche wie der Klassenlehrer bei den Bengels, die nicht so wollen, wie sie sollen.

Am Montag hatten Anti-Trump-Kräfte noch vergeblich versucht, die Verfahrensregeln zu ändern, um Delegierte primär nach ihrem Gewissen abstimmen zu lassen und nicht nach dem Votum der Basis. Am gleichen Tag hielt Rick Perry, der vormalige Gouverneur von Texas, eine Rede ans Parteivolk. Der Fernsehauftritt zur besten Sendezeit war ihm offenkundig wichtig. Dass Perry vor einem Jahr, im Juli 2015, Trump noch als "Krebsgeschwür am Konservativismus" bezeichnet hatte, zählte da nicht mehr. Immerhin: Den Namen Trump erwähnte Perry in seiner Rede kein einziges Mal.
Mike Pence, der konservative Gouverneur aus Indiana, wurde am Dienstagabend nach Musik und Tanz per Akklamation als Vizepräsidentschaftskandidat bestätigt. "Er wird ein hervorragender Vizepräsident", lobte Trump seinen "running mate" in dem Video. Pence, der zwölf Jahre im Repräsentantenhaus saß, soll dem politikunerfahrenen Trump im Falle eines Wahlsieges Drähte in den Kongress vermitteln. Die Einigkeit der Partei, die durch die Berufung von Pence wiederhergestellt wurde, lässt hingegen auf sich warten. Es war eine Hochzeit mit Schrotgewehr, die am Dienstag in Cleveland über die Bühne lief, die am Mittwoch weitergefeiert wird und am Donnerstag mit einer Rede von Trump zur Annahme seiner Nominierung beendet wird.

Quelle: n24.de

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