Von einem möglichen Putschversuch sprach erstmals der Abgeordnete des Poroschenko-Blocks und ehemalige Journalist Sergej Leschtschenko. Er sagte in einem ukrainischen TV-Sender, dass Innenminister Arsen Awakow aus dem Team des ehemaligen Premiers Arseni Jazenjuk politische Ambitionen habe. Er verfüge über untergeordnete Sicherheitsstrukturen, darunter die neuerdings zum Innenministerium gehörenden Freiwilligenbataillone.
Leschtschenkos Äußerung stieß auf kontroverse Reaktionen. Der Abgeordnete Wadim Rabinowitsch hält sie durchaus für glaubwürdig. Er wandte sich im ukrainischen Fernsehen an den Inlandsgeheimdienst SBU und die Generalstaatsanwaltschaft mit dem Aufruf, diese Informationen zu überprüfen.
„Das Land ist voller illegaler Waffen, viele Bataillone haben sich einfach in große Business-Gruppierungen verwandelt, das ist kein Geheimnis mehr“, so der Abgeordnete.
Innenminister Arsen Awakow, der in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt ist, schrieb in den sozialen Netzwerken: „Ich rechne damit, dass die zunehmenden Gespräche über einen möglichen bewaffneten Staatsstreich nur Blödsinn und nicht der Versuch sind, Repressalien gegen Freiwilligenbataillone und Patrioten zu starten.“
Davon, dass hinter den Gerüchten tatsächlich die Vorbereitung auf einen Staatstreich steckt, sprach auch der Abgeordnete der Fraktion „Batkiwschtschina“, Igor Luzenko. Ihm zufolge könnte ein wahrscheinliches Szenario darin bestehen, dass eine Gruppe Radikaler versucht, einen Staatsstreich zu organisieren, den die Behörden schnell stoppen. Um die Verfassungsordnung zu schützen, werden dann reguläre Armeeeinheiten eingesetzt, die die wichtigsten Zentren des Landes unter Kontrolle nehmen.
Dem Westen werde dann erklärt, es sei Russland, das die Radikalen gegen die Behörden aufgehetzt hat, und dass die Behörden jetzt nur die Ordnung wiederherstellen und nicht ohne Notmaßnahmen auskommen können. Während der Westen die Situation klären werde, würden in der Ukraine die wichtigsten Oppositionellen beseitigt – nicht die Parteichefs, sondern angesehene Gesellschaftsaktivisten, die gegen das Oligarchen-System kämpfen.
In Kiew wird darum gestritten, wie die Bürger auf ein solches Szenario reagieren würden. Laut einer Umfrage des Rasumkow-Zentrums und der Stiftung „Demokratische Initiativen“ glauben nur 5,1 Prozent der Ukrainer an einen vorbehaltlosen Erfolg der Reformen.
„Der Großteil der Bevölkerung lebt nicht unter der Armutsgrenze, sondern unter der Überlebensgrenze. Das ist das Ergebnis der verantwortungslosen Politik der jetzigen Behörden, der fehlenden Professionalität der Beamten und des Parlaments“, sagte der Anführer des Oppositionsblocks, Juri Bojko, eine Woche vor dem Parlamentsferien.
Er erklärte, die Geduld der Menschen dürfe nicht strapaziert, sondern es müssten neue Parlamentswahlen angesetzt werden. Allerdings kritisierten die Vertreter von Poroschenkos Teams diese Initiative.
Laut dem Experten Vitali Bala ist für einen Aufstand, von dem die Abgeordneten sprechen, auch ein angesehener Anführer nötig – ein Politiker oder Militär, dem die Menschen folgen würden. In der Ukraine gebe es derzeit keine solche Figur. Nicht ausgeschlossen sei, dass äußere Kräfte einen Umsturz provozieren wollten, doch die Ukrainer würden solch ein Szenario kaum unterstützen – nicht wegen der Sympathien für die aktuellen Regierenden, sondern wegen der Gefahren, die dadurch für den Staat entstehen könnten.
Der Experte nennt drei Gründe, warum die Politiker lautstarke Verkündigungen zum Thema Staatsstreich machen.
„Erstens geht es um den Versuch, die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Zweitens um das fehlende Verständnis für die Situation und um Inkompetenz. Drittens um den Wunsch, Poroschenko unter Druck zu setzen und den Staatschef zum Anziehen der Daumenschrauben zu provozieren, was zu Autoritarismus-Vorwürfen, wachsender Unzufriedenheit und vielleicht vorgezogenen Wahlen führen könnte“, so der Experte.
Quelle : sputnik.de
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