Die türkische Wirtschaft leidet

  21 Juli 2016    Gelesen: 561
Die türkische Wirtschaft leidet
Diskussionen über die Todesstrafe, eine Verhaftungswelle, Tausende Beamte suspendiert – die Türkei unter Präsident Erdogan ist für Investoren zu einem Pulverfass geworden.
Es ist keine vier Jahre her, dass die Türkei für Investoren und Arbeitnehmer ein Traumland gewesen ist. Wer konnte, nahm einen Job am Bosporus an. Bei großen Firmen war die Entsendung Richtung Türkei beliebt, Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte die Wirtschaft kräftig nach vorne geführt, selbst Startups blühten in Istanbul fast schöner als in Berlin.

Doch nun sieht es trist aus, viele halten Erdogan für den Zauberlehrling, den man nicht mehr los wird. Das war auch schon vor dem Putschversuch so. Doch nun sitzt der Präsident fester im Sattel als je zuvor. Und wie sehen nun die Perspektiven für die türkische Wirtschaft aus?

Nicht gut.

Obwohl der Putsch schnell niedergeschlagen war, hat die Ratingagentur Moodys gleich daraufhin angekündigt, das Rating für die Türkei zu überprüfen. Da die Kreditwürdigkeit derzeit nur noch eine Stufe über dem Niveau von Ramschanleihen liegt, heißt das: Es droht die Abstufung auf "Junk". "Die jüngste Zunahme an politischer Unsicherheit und speziell der Putschversuch" könnten das Wirtschaftswachstum in der Türkei beeinträchtigen, hieß es zur Begründung. Außerdem sei das Land Wirtschaftsreformen langsamer angegangen als erwartet.

Auch Konkurrent Fitch könnte die Bonität auf "Ramsch" senken. Der gescheiterte Putschversuch und das anschließende harte Vorgehen des türkischen Präsidenten "zeigen politische Risiken für das Kreditprofil des Staates auf", so die Ratingagentur. Ob dies zu einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit führe, hänge auch davon ab, ob das weitere Vorgehen der Regierung "politische Gräben vertieft".

Die Ratingagentur Standard & Poor`s senkte derweil bereits die Kreditwürdigkeit der Türkei. Die Bonitätsnote wurde von bisher "BB+" auf "BB" reduziert. Die Note rutscht damit noch tiefer in den Ramschbereich.

Vor diesem Hintergrund gab es von der türkischen Notenbank jüngst keine Überraschung: Bei ihrer Sitzung am vergangenen Dienstag senkte sie den Zinssatz für Übernachtkredite um 25 Basispunkte auf 8,75 Prozent.

Damit hat die Zentralbank das Tempo der Zinssenkungen etwas reduziert, nachdem sie bei den vergangenen drei Sitzungen den Satz jeweils um 50 Basispunkte reduziert hatte. Wirtschaftsminister Nihat Zeybekci hatte zwar vor der Sitzung gesagt, er habe Verständnis, wenn die Notenbank angesichts der jüngsten Vorgänge diesmal etwas zurückhaltender agieren werde. Allerdings forderte er eine Fortsetzung der "unerschrockenen" Zinssenkungen. Präsident Erdogan will mit billigerem Geld die Kreditvergabe ankurbeln, und so dafür sorgen, dass die Verbraucher kräftig konsumieren und die Unternehmen investieren.

Kräftige Abwertung der Lira

Allerdings besteht die Gefahr, dass sich die Wirtschaft dennoch deutlich abkühlt - zumal sich gerade ausländische Unternehmen wegen der politischen Risiken mit Investitionen zurückhalten dürften. Und auch der wichtige Tourismus dürfte leiden. Dabei ist das Land angesichts eines Leistungsbilanzdefizits von rund 4,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung auf eine kräftige Kapitalzufuhr aus dem Ausland angewiesen.

Zudem haben sich die Auslandsschulden der Türkei gegenüber dem Jahr 2007 verdoppelt auf zuletzt 411,5 Milliarden Dollar. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich haben die türkischen Banken Auslandschulden von rund 120 Milliarden Dollar. Wegen der kräftigen Abwertung der türkischen Lira gegenüber dem Dollar – allein seit Ende 2012 hat die Lira um 40 Prozent gegenüber dem Dollar abgewertet – wächst der Druck auf die Banken, Unternehmen und private Haushalte, die sich in ausländischer Währung verschuldet haben. Sie müssen immer mehr Lira aufwänden, um ihre ausländischen Kredite weiter bedienen zu können.

Umso genauer werden Investoren darauf achten, ob die Lira, bei aktuellen Kursen von 2,98 Lira je Dollar, schon bald das Rekordtief von 3,06 Lira vom September 2015 in Angriff nehmen wird.

Die gestiegenen Risiken spiegelt auch der Anleihenmarkt wider: Zuletzt waren die Zinsen für zehnjährige Anleihen bis auf 9,63 Prozent nach oben geschossen, ehe sie wieder leicht gesunken sind. Auch der Aktienmarkt ist angeschlagen. Der Borsa Istanbul 100 Index (BIST 100) war nach dem Putschversuch um acht Prozent eingebrochen, hat sich anschließend aber etwas erholt. Dennoch notiert er auf dem gleichen Niveau wie Ende 2012. Hiesige Anleger, die in türkischen Aktien investiert waren, haben dennoch einen herben Verlust erlitten, weil die Lira in dem Zeitraum um 28 Prozent gegenüber dem Euro abgewertet hat. Mutige Anleger, die nach dem Einbruch auf eine Erholung der türkischen Aktien setzen möchten, sollten nicht zuletzt den Währungsmarkt genau im Auge behalten.

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