US-Anwalt Hausfeld: Stiche gegen Volkswagen

  27 Juli 2016    Gelesen: 487
US-Anwalt Hausfeld: Stiche gegen Volkswagen
Im Kampf um Schadensersatz für manipulierte Diesel setzt US-Anwalt Michael Hausfeld Volkswagen zu. Jetzt fordert er Garantien für nachgerüstete Modelle.
Manch ein Angriff wirkt allein deshalb, weil er perfekt inszeniert ist. Darin ist Michael Hausfeld ein Meister. Mit gut gesetzten Stichen traktiert der US-Anwalt Konzerne. Wo ihm das Schwert fehlt, bedient sich der 70-Jährige gekonnt des Floretts. Jetzt setzt er es gegen Volkswagen ein. Für von Dieselmanipulationen betroffene Autobesitzer verlangt Hausfelds Kanzlei in Deutschland Garantien vom Wolfsburger Konzern für die nachgerüsteten Modelle, wie ein Schreiben zeigt, das SPIEGEL ONLINE vorliegt.

Während VW-Besitzer in den USA durch den jüngsten Vergleich über umgerechnet bis zu 13,4 Milliarden Euro für manipulierte Diesel-Motoren entschädigt werden, gehen Autokäufer in Europa leer aus. In den USA sicherte Volkswagen Schadensersatz zwischen 4600 und knapp 9100 Euro zu und ermöglicht Kunden, ihr Auto nachrüsten zu lassen oder zurückzugeben. Sammelklagen als Druckmittel für ein solches Zugeständnis gibt es so in Deutschland nicht. Daher hatte VW-Chef Matthias Müller Entschädigungen deutscher Kunden abgelehnt. Ihre Autos sollen nachgerüstet werden.

Das ist das Terrain für Michael Hausfeld. Im Frühjahr gab er Volkswagen einen Vorgeschmack: Er schickte einen Brief nach Wolfsburg, in dem er Verhandlungen über einen Vergleich für sämtliche rund elf Millionen betroffenen Autos weltweit verlangte. Um Antwort bat er innerhalb von 14 Tagen. Als nichts geschah, nutzte Hausfeld gerade diese Blockadehaltung, um seine Position öffentlich zu vertreten.

Tausende Briefe mit Garantie-Forderungen

Jetzt setzen Hausfeld und sein Statthalter in Berlin, Christopher Rother, den nächsten Stich. Die von ihnen vertretene Firma Financialright, deren Online-Plattform my-right.de bereits die Schadensersatzansprüche von fast 100.000 VW-Käufern gesammelt hat, fordert für die Betroffenen von VW eine Garantie für nachgerüstete Autos. Ein erster Brief wurde vergangene Woche an VW versandt, Tausende sollen folgen.

Volkswagen soll garantieren, dass die manipulierten Modelle nach den Veränderungen durch VW die Stickoxid-Grenzwerte einhalten, zugleich aber keine Veränderungen etwa beim Kraftstoffverbrauch, der Leistung, dem Geräuschpegel und den CO2-Emissionen entstehen. Auch soll VW dafür bürgen, dass die Lebensdauer, Zuverlässigkeit und Instandhaltbarkeit des Motors, des Dieselrußpartikelfilters, von Abgaseinrichtungen sowie des gesamten Autos nicht beeinträchtigt werden. Bei einem Verstoß wird eine Vertragsstrafe von 5000 Euro für den Geschädigten verlangt.

Hausfeld-Partner Rother bestätigte das Schreiben auf Anfrage. Ein Messinstitut in den USA habe festgestellt, dass durch die Senkung der Stickoxid-Emissionen, für die einst die Abgasmanipulation gemacht wurde, der Ausstoß von CO2 erhöht und die Lebensdauer verkürzt wurde. Auch der Kraftstoffverbrauch steige sehr wahrscheinlich. "Schon vor dem Umbau verbrauchen die fraglichen Modelle circa 30 Prozent mehr Kraftstoff, als angegeben wurde durch VW", kritisiert Rother.

Knifflige Situation für Volkswagen

Hausfelds Forderung einer Garantie bringt VW in die Defensive. Gibt der Konzern eine Garantie, läge die Beweislast künftig bei ihm, sobald ein VW-Besitzer Fehler an seinem Auto geltend macht. Die Kanzlei könnte so bei Problemen an den VW-Modellen Entschädigungen eher durchsetzen. Will VW nicht für den Umbau garantieren, macht sich das Unternehmen angreifbar, da es offenbar der eigenen Nachrüstung nicht traut. Volkswagen bestätigte zunächst nur, das Schreiben erhalten zu haben. "Wir bitten um Verständnis, dass wir zunächst den Inhalt des Schreibens prüfen, bevor wir eine Aussage dazu tätigen können", schrieb der Konzern.

"Das bringt VW in eine schwierige Situation", sagt Stefan Bratzel, Autoexperte der Fachhochschule Bergisch Gladbach. "Ohne eine Garantie setzen sie sich moralischen Fragezeichen aus." Aus Bratzels Sicht ist eine mindestens symbolische Geste durch VW nötig, um auch den Kunden in Europa entgegenzukommen. So könne VW etwa Gratis-Inspektionen anbieten. Dies würde den Konzern wohl Hunderte Millionen Euro kosten, jedoch ein wichtiges Signal sein. Eine Entschädigung wie in den USA ist auf Europa schon finanziell nicht übertragbar: Sie würde mehr als 200 Milliarden Euro kosten - und VW daher in die Pleite führen.

Auf solch eine subtile Art wie bei Volkswagen hat der US-Jurist schon viele heikle Fälle gewonnen. Indem er verschiedene Regierungen einbezog und so moralisch unter Druck setzte, rang er ihnen und Unternehmen Entschädigungen für NS-Zwangsarbeiter ab. Ähnlich geschickt gewann er Fälle etwa gegen den Öl-Konzern Exxon im Zuge des Unglücks des Großtankers Exxon Valdez, gegen die Tabakindustrie und wegen Diskriminierung gegen Texaco. Hausfeld hatte schon oft wenige Mittel in der Hand, setzte sie aber clever ein - und gewann.

Politik in die Pflicht nehmen

Zwar hat das Kraftfahrtbundesamt (KBA) Volkswagen bereits die Umrüstung von rund 4,6 Millionen Wagen genehmigt. Doch daraus können Kunden laut Anwälten keine Rechtsansprüche ableiten. Autoexperten monieren zudem, dass das KBA Hinweisen auf zu hohe Emissionswerte bei VW-Modellen vor dem Abgasskandal nicht nachgegangen sei. Auch jetzt gibt das Amt keine Akteneinsicht, aus der mögliche Auswirkungen eine Nachrüstung sichtbar werden.

Lässt sich VW keine Garantie abringen, kann Hausfeld bereits seinen nächsten Stoß planen. Seine Kanzlei will dann gegebenenfalls Politiker wie Verkehrsminister Alexander Dobrindt in die Pflicht nehmen. Hausfelds Kalkül: Allein die Frage, ob eine abgelehnte Garantie gegenüber den schwächer positionierten VW-Kunden vertretbar sei, würde Dobrindt politisch unter Druck setzen - den er an VW weitergeben dürfte.


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